23.04.2012: Frankreichs bisheriger Staatschef Nicolas Sarkozy ist der klare Verlierer schon in der ersten Runde der französischen Präsidentenwahl am letzten Sonntag. Mit 27,2 Prozent kam er nur noch auf den zweiten Platz hinter seinem 'sozialistischen' Konkurrenten François Hollande, der 28,6 % erreichte. Der Kandidat der Linksfront, Jean-Luc Mélenchon (Bild), kam auf 11,1 Prozent. Allerdings ist der Abstand zwischen Sarkozy und Hollande, die nun am 6. Mai zur Stichwahl antreten, verhältnismäßig gering. Die definitive Abwahl Sarkozys liegt ganz realistisch im Bereich des Möglichen.
Aber die Entscheidung fällt tatsächlich erst im zweiten Wahlgang. Alles hängt davon ab, wie viele Wähler in zwei Wochen noch einmal zur Wahl gehen und wie die Stimmenübertragung von den ausgeschiedenen auf die beiden übrig gebliebenen Kandidaten ausfallen wird. Aller Voraussicht nach sieht dies für Hollande etwas günstiger aus als für Sarkozy.
Das Ausmaß der Abkehr von der Sarkozy-Politik wird richtig deutlich erst im Vergleich zum Wahlergebnis von 2007, als Sarkozy im ersten Wahlgang auf über 31 Prozent kam. Weder die Pose als „Retter der Nation“ in der Krise noch der Versuch, Bürgerängste vor „sozialistischer Misswirtschaft“ und vor Immigranten, Kriminalität und „Terrorismus“ zu schüren, hat sich als durchschlagend erwiesen. Deshalb ist Sarkozys Ergebnis als klare Niederlage des neoliberalen Kurses des Sparzwangs und der Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung zu werten.
Der „Sozialist“ Hollande schnitt besser ab seine sozialdemokratische Vorgängerin (und frühere Lebenspartnerin) Segolène Royal im Jahr 2007 (28,6 gegenüber 25,9 %). Doch sein Wahlkampf entwickelte nicht die mobilisierende Kraft, um schon im ersten Wahlgang über die 30 Prozent zu kommen, die einige Umfragen ihm zeitweise zuschrieben.
Besorgnis löst das Abschneiden der Rechtsextremistin Marine Le Pen aus, die mit 17,9 % nicht nur den dritten Platz behalten konnte, sondern gegenüber dem Ergebnis ihres Vaters von 2007 (10 %) sogar noch einen Stimmenzuwachs aufzuweisen hat. Das ist zum Teil das Ergebnis des von der Sarkozy-Partei geschaffenen Wahlkampfklimas mit deren rechtslastigen Agitation gegen Immigranten und „Terroranschläge“, von dem die „FN“ profitieren konnte. Es ist aber auch ein Ergebnis des Umstands, dass allein die „Linksfront“ im Wahlkampf entschieden gegen die rassistischen Parolen der „FN“ Front machte, während Sarkozys UMP deren Stichworte aufgriff und Hollande dazu weitgehend schwieg. Die in den Medien vorherrschende Deutung der Le Pen-Wähler als „Protestwähler“ ist falsch. So sehr sich in diesen Stimmen auch soziale Unzufriedenheit ausdrücken mag, darf nicht übersehen werden, dass sich dies mit einer gefährlichen Ideologie des Hasses gegen „Fremde“ und Linke verbindet. Die FN-Ideologie, die den Leuten einredet, dass die Ursache der Krise in der Zuwanderung von Ausländern und nicht im etablierten Wirtschaftssystem liegt, bedeutet die Umleitung von berechtigtem Protest auf die „falschen Feinde“ und damit ein Hilfsdienst für das etablierte Regime der Kapitalherrschaft.
Der Linkssozialist Jean-Luc Mélenchon kam als Kandidat der Linksfront (Front de Gauche) auf 11,1 Prozent und blieb damit einige Punkte unterhalb der ihm zugeschriebenen Umfragewerte. Dennoch kann er als der erfolgreichste Kandidat in diesem Wahlkampf angesehen werden. Mitte letzten Jahres war er noch zu einer reinen „Randerscheinung“ mit maximal 4 – 6 % der Stimmen erklärt worden. Jetzt liegt diese Marke mindestens doppelt so hoch - das beste Wahlergebnis für die französische Linke „links von den Sozialisten“ seit mehr als 30 Jahren. Zum letzten Mal war PCF-Chef Georges Marchais 1981 in einem Präsidentenwahlkampf auf über zehn Prozent gekommen (15,3 %). Die Töne vom „endgültigen Tod“ der Kommunistischen Partei in Frankreich sind zumindest gegenwärtig verstummt.
Das Wichtige am Abschneiden der Linksfront ist aber nicht allein das Wahlergebnis. Von politisch gewichtigerer Bedeutung dürfte es sein, dass sich damit eine politische Kraft in Frankreich neu formiert hat, die mit ihren inhaltlichen Positionen nachhaltig auf das politische Geschehen einwirkt. Ihr Gewicht ist für den Ausgang des zweiten Wahlgangs und einen möglichen Sieg Hollandes entscheidend. Das wird sich wahrscheinlich auch bei der nachfolgenden Neuwahl der Französischen Nationalversammlung am 10. und 17. Juni auswirken. Ebenso in kommenden außerparlamentarischen Auseinandersetzungen, die sicherlich, wie auch immer die Stichwahl ausgeht, auch in Zukunft nicht ausbleiben werden.
Nur am Rand verzeichnet sei das schwache Abschneiden der „Grünen“ mit 2,3 % und das noch schwächere der „linksradikalen“ Kandidaten. Die „Neue Antikapitalistische Partei“ (NPA)’ kam nur auf 1,15 %, „Lutte Ouvrière“ („Arbeiterkampf“) nur auf knapp 0,6 %.
Nun konzentrieren sich alle Aktivitäten auf die unmittelbare nächste Etappe der Stichwahl. Linksfront-Kandidat Melenchon und PCF-Sekretär Pierre Laurent haben noch am Wahlabend mit Nachdruck dazu aufgerufen, im zweiten Wahlgang dem Sozialdemokraten Hollande die Stimme zu geben, „ohne Vorbehalte“ und „ohne Verhandlungen“. Pierre Laurent unterstrich dabei, dass es in der gegebenen Situation einfach keinen anderen Weg gibt, um das nächstliegende politische Ziel zu erreichen und Sarkozy von der Staatspitze zu entfernen. Dies sei „die unerlässliche nächste Etappe der Bürgerrevolution, die wir begonnen haben“, um „eine andere Zukunft für unser Land und zugleich für Europa zu eröffnen“. Auch die Kandidatin der Grünen, Eva Joly, rief zur Stimmabgabe für Hollande auf.
Sarkozy hingegen geht nun darauf aus, mit Hilfe der Rechtsextremisten des „Front National“ doch noch zu gewinnen. Neben einem Teil der Wähler des liberalen Kandidaten Bayrou sind die Rechtsextremisten seine einzige Stimmenreserve. Und er ist skrupellos genug, sich auf ein solches schändliches Bündnis mit den Rechtsextremisten einzulassen. Er hat bereits erklärt, dass die FN-Wähler „respektiert werden“ müssten. „Die Rechte und die Rechtsextremisten dürfen nicht durchkommen. Frankreich verdient nicht weitere fünf Jahre dieses Albtraums“, sagte Pierre Laurent in seiner Erklärung zur Wahl.
Text: Pierre Poulain Foto: RemiJDN (Jean-Luc Mélenchon, 19.04.2012)
Ergebnisse Präsidentenwahl Frankreich – 1. Wahlgang
Wahlberechtigt: 46 037 545
Wähler: 36 585 858 - 79,5 %
Nichtwähler: 9 451 687 - 20,5 %
Ungültige Stimmen: 700 119 - 1,5 %
Gültige Stimmen: 35 885 739 – 78,0 %
Kandidaten |
Stimmen |
% |
1. Wahlg. 2007 - % |
François Hollande (Sozialisten) |
10 273 582 |
28,63 |
25,87 (Segolène Royal) |
Nicolas Sarkozy (UMP) |
9 753 844 |
27,18 |
31,18 |
Marine Le Pen (Front National) |
6 421 773 |
17,90 |
10,44 (Jean-Marie Le Pen) |
Jean-Luc Mélenchon (Linksfront) |
3 985 298 |
11,11 |
1,93 (PCF ; Marie-George Buffet) |
François Bayrou (Modem - liberal) |
3 275 349 |
9,13 |
18,57 |
Eva Joly (Grüne/EE) |
828 451 |
2,31 |
1,57 (D. Voynet) + 1,32 (J. Bové) |
Nicolas Dupont-Aignan |
644 086 |
1,79 |
|
Philippe Poutou (NPA) |
411 178 |
1,15 |
4,08 (Olivier Besancenot) |
Nathalie Arthaud (LO -Arbeiterkampf) |
202 562 |
0,56 |
1,33 (Arlette Laguiller) |
Jacques Cheminade |
89 572 |
0,25 |
|