Europa

Schwere Wahlniederlage der Rechten bei Kommunal- und Provinzwahlen

05.06.2011: Die Ergebnisse der Kommunal- und Provinzwahlen Ende Mai in Italien haben weit über ihre lokale Bedeutung hinaus Aufsehen erregt. Sie wurden als Zeichen einer generellen Trendwende in der Stimmung der Mehrheit der italienischen Wählerinnen und Wähler gewertet. (siehe auch: Der Wind ändert die Richtung)

In der Tat konnte die Niederlage, die die Partei des skandalumwitterten italienischen Regierungschefs Berlusconi dabei erlitt, kaum deutlicher ausfallen. Schon beim ersten Wahlgang am 15./16. Mai, bei dem mehr als 50 Prozent der Stimmen für einen Wahlerfolg erforderlich waren, hatten die Parteigänger des Regierungschefs schwere Einbußen hinnehmen müssen. In Turin und Bologna gewannen Wahlbündnisse der "linken Mitte" die absolute Mehrheit und damit die Bürgermeisterämter.

Fast noch schlimmer traf es die Regierungspartei beim zweiten Wahlgang am 29./30. Mai. Sie verlor weitere Großstädte wie Mailand, Neapel und Triest, aber auch Cagliari (Hauptstadt Sardiniens), Olbia, Cosenza (Sizilien), Grosseto, Rimini, Novaro und die meisten kleineren Städte. In Neapel siegte mit dem Rekordwert von 64,5 Prozent der frühere Richter Luigi de Magistris von der liberalen Bürgerpartei "Italien-der-Werte" (IDV), die vor allem den Kampf gegen Korruption und Mafia auf ihre Fahnen geschrieben hat.

Am schlimmsten dürfte Berlusconi aber der Verlust der Mehrheit in seiner Heimatstadt und bisherigen Hochburg Mailand getroffen haben, wo seine Kandidatin Letizia Moretti mit 44,9 % mehr als 14 Prozent verlor, während der linken Rechtsanwalt Giuliano Pisapia nach 17 Jahren Herrschaft der Berlusconi-Partei 55,1 % der Stimmen holte. Der Sieg Pisapias in der norditalienischen Wirtschaftsmetropole, in der die "Expo 2015" stattfinden soll, gilt auch deshalb als besonders signalträchtig, weil Berlusconi persönlich wie seine Parteigänger vor Ort im Wahlkampf nichts ausgelassen hatten, um ihre Gegner mit rüdesten Mitteln zu diffamieren. Weil der heute 62-jährige Pisapias in seiner Studentenzeit einer "linksextremistischen" Vereinigung angehört haben soll und 1980 einmal vier Monate in Untersuchungshaft saß, danach aber ohne Prozeß und Verurteilung wieder freigelassen werden musste, rief Berlusconi dazu auf, die Stadt nicht an "gewalttätige Linksextremisten" zu übergeben. Sonst werde Mailand von ausländischen Einwanderern überschwemmt, zu einer "islamischen Stadt" und "Zigeunerstadt". "Wer links wählt, hat kein Hirn", hatte der Regierungschef wörtlich erklärt. Und noch tiefer unter der Gürtellinie, gemünzt auf Linke generell: "Die waschen und duschen sich nicht".

Dass diese rechtsextreme ausländerfeindliche, rassistische und antilinke Stimmungsmache nun nicht mehr zog, wurde als deutliches Signal für eine tiefgehende Abkehr breiter Wählerschichten von der Berlusconi-Rechten gewertet. Tatsächlich hatte sich der parteilose Pisapia in den vergangenen Jahren als Anwalt und Strafverteidiger, unter anderem des PKK-Führers Öcalan, aber auch vieler "einfacher Menschen", die mit der Justiz in Konflikt gekommen waren, einen Namen gemacht. Auch die Familie des 2001 in Genua von der Polizei getöteten Demonstranten Carlo Guiliani hatte er juristisch vertreten. 1996 war er als parteiloser Kandidat auf der Liste der "Rifondazione Comunista" ins italienische Parlament gewählt und 2001 für weitere vier Jahre wiedergewählt worden. Nun war er als Kandidat eines breiten Wahlbündnisses der "linken Mitte" in Mailand angetreten, nachdem er bei den von der "Partito Democratico" veranstalteten "Vorwahlen" auch gegenüber "parteieigenen" Kandidaten die Mehrheit erhalten hatte.

Wie italienische Medien schrieben, könnte die Wahlniederlage Berlusconis gravierende Folgen haben. Innerhalb der Berlusconi-Partei wird damit der Streit um den Rücktritt des diskreditierten 74-jährigen Regierungschefs und um die Nachfolge zugespitzt. Darüber hinaus könnte die mit Berlusconi verbündete "Lega Nord" an einen Austritt aus der Regierungskoalition denken, um nicht in den Abwärtssog der Berlusconi-Formation hineingezogen zu werden. Berlusconi selbst hat inzwischen allerdings erklärt, dass an Rücktritt oder vorgezogene Neuwahlen nicht zu denken sei; es komme darauf an, verstärkt mit dem bisherigen Kurs weiterzumachen.

Doch an diesem Wochenende steht bereits die nächste Belastungsprobe an. Für den 12./13. Juni sind drei landesweite Volksabstimmungen angesetzt: eine gegen den Bau von Atomkraftwerken, eine gegen die Privatisierung der Wasserversorgung und eine gegen die Berlusconi zugestandene Immunität (Straffreiheit) und für die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Ihr Ausgang könnte einen Abgang Berlusconis weiter beschleunigen.

txt: Pierre Poulain
foto: rogimmi

 

 

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