Europa

16.02.2010: Die EU verstärkt noch mehr als bisher den Druck auf die griechische Regierung, den von der EU diktierten Sparkurs zur Reduzierung des Staatsdefizits auch gegen den Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung unbedingt durchzusetzen, trotz aller inzwischen sichtbar gewordenen Proteste. Das ist das Hauptergebnis des jüngsten „Sondergipfels“ der EU-Staats- und Regierungschefs am 11. Februar in Brüssel.

Ursprünglich sollte diese Zusammenkunft ganz anderen Zielen dienen. Der belgische Christdemokrat van Rompuy wollte sich als erster für zweieinhalb Jahre gewählter „ständiger EU-Ratspräsident“ in Szene setzen, und außerdem sollten die Leitlinien für die „EU-Agenda 2020“, die Zielprojektion der EU für die nächsten zehn Jahre, erstmals öffentlich vorgestellt werden. In den Medien kräftig geschürte Gerüchte über eine drohende Staatspleite Griechenlands und der in den letzten Tagen abgerutschte Wechselkurs des Euro im Verhältnis zum Dollar von 1,50 auf 1,35 drängten diese Vorhaben aber völlig an den Rand.

Durchgesetzt hat sich bei dem EU-Treffen der von der deutschen Bundeskanzlerin Merkel verfochtene harte neoliberale Kurs. In den Tagen zuvor hieß es in vielen Berichten noch, die EU wolle ein „Hilfspaket“ für Griechenland schnüren. Die französische Tageszeitung „Le Monde“ erschien am 11.2. mit einer Mitteilung „von französischer Seite“, dass vor dem eigentlichen EU-Gipfel eine Treffen in „kleiner Runde“ zwischen Sarkozy, Merkel und van Rompuy unter Beisein des griechischen Regierungschefs Papandreou stattfinde, um Madame Merkel zu „erweichen“ und sie davon zu überzeugen, „Griechenland trotz der inneren deutschen Vorbehalte zu Hilfe zu kommen“. Damit war es dann aber nichts. Am nächsten Tag titelte „Le Monde“: „Angela Merkel sagt Nein zu einer schnellen Rettung Griechenlands“.

Tatsächlich ist in der von den 27 Staats- und Regierungschefs am Ende verabschiedeten Erklärung von finanzieller Hilfe für Griechenland keine Rede. Die griechische Regierung wird lediglich ein weiteres Mal aufgefordert, alle vorgesehenen Sparmaßnahmen „in kraftvoller und entschlossener Art“ zu verwirklichen. Erst am Schluss findet sich eine Passage, die als vage Andeutung eventueller späterer Hilfsmaßnahmen ausgedeutet wurde: „Die Mitglieder des Euro-Gebiets werden, wenn nötig, entschiedene und koordinierte Aktionen unternehmen, um finanzielle Stabilität im Euro-Gebiet als Ganzem zu gewährleisten“. Damit verbunden war die Mitteilung, dass die griechische Regierung die EU bisher „nicht um irgendeine finanzielle Unterstützung ersucht“ habe.

Zum Hintergrund muss immer wieder darauf verwiesen werden, dass Griechenland keineswegs der einzige „Sünder“ in der EU ist, der ein hohes Staatsdefizit angehäuft hat. Für seine Entstehung ist übrigens keineswegs eine „ausufernde“ staatliche Ausgabenpolitik im Bereich der öffentlichen Dienste und Sozialleistungen der Grund. Vielmehr handelt es sich um strukturelle Probleme der griechischen Wirtschaft unter den Bedingungen der kapitalistischen „Globalisierung“ und um Folgen des neoliberalen Umbaus der Wirtschafts- und Sozialverhältnisse in den letzten Jahren unter der Herrschaft rechtskonservativer Regierungen, der zur Einengung des griechischen Inlandsmarktes und zur Reduzierung der Staatseinnahmen aus den Gewinnen großer Unternehmen führte.

Diese Entwicklungsprozesse haben aber auch in vielen anderen EU-Staaten die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise verstärkt und zu ähnlichen Schuldenproblemen geführt. Bei manchen Kommentatoren ist mittlerweile von den „verflixten Fünf“ die Rede, die mit ihren hohen Staatsschulden angeblich den Wert des Euro in Gefahr bringen. Noch drastischer reden manche sogar von den „PIGS“. PIGS soll hier als Abkürzung für Portugal, Italien bzw. Irland, Griechenland und Spanien stehen, weil diese fünf EU-Staaten nur wenig hinter Griechenland ebenfalls hoch in der Kreide stehen. Aber zugleich steht „pigs“ im Englischen für „Ferkel“ oder „Schweine“ – eine offene Beleidigung und Verhöhnung.

Es ging den EU-Oberen auch mit dem jüngsten EU-Treffen also in erster Linie darum, am Beispiel Griechenlands diesen „pigs“ und allen anderen EU-Staaten die „Folterwerkzeuge“ zu zeigen, wenn sie nicht „diszipliniert“ zu den EU-„Stabilitätskriterien“ zurückkehren. Diese „Euro-Stabilitätspolitik“ liegt in erster Linie im Interesse des europäischen Finanzkapitals und der in der EU angesiedelten transnationalen Unternehmen. Sie vor allem sind am „harten Euro“ interessiert, weil sie damit ihre internationalen Finanztransaktionen und Firmenaufkäufe in aller Welt, den Kampf um Rohstoffquellen und Marktbeherrschung am besten profitabel gestalten können.

Nicht zu vergessen ist allerdings, dass es dabei auch große Interessenwidersprüche gibt. Laut Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ist der griechische Staat mit seinen 302 Milliarden Dollar Gesamtschulden vor allem bei europäischen Banken verschuldet: bei französischen Banken mit 75,7 Mrd., bei Schweizer Banken mit 64 Mrd., bei deutschen Banken mit 43,2 Mrd., bei US-Banken aber nur mit 16,4 Mrd. Dollar. Mit anderen Worten: deutsche, französische und Schweizer Banken verdienen prächtig an den Zinsen, solange der griechische Staat seine Schulden zurückzahlt. Bei einem griechischen Staatsbankrott aber müssten die gleichen Banken herbe Verluste abschreiben – zusätzlich zu den beträchtlichen „faulen Krediten“, die sie sonst noch haben, unter anderem aus der Beteiligung an der platzenden spanischen Immobilienblase. Nicht zuletzt darauf beruht bei manchen Kommentatoren die Zuversicht, dass es Merkel, Sarkozy und die anderen EU-Oberen letztlich doch an einer direkten finanziellen Hilfe für Griechenland nicht fehlen lassen würden, wenn es wirklich „hart auf hart“ kommt. Einstweilen aber, solange ein griechischer Staatsbankrott noch nicht akut zu befürchten ist, geht es darum, die griechische Regierung zum harten Durchgreifen gegen die sozialen Ansprüche der Bevölkerung zu „ermuntern“, damit die Zinsen an die Banken weiter sprudeln.

Die europäischen Finanzminister haben am Dienstag den griechischen Haushalt unter Zwangsverwaltung gestellt. Damit folgte der Ministerrat am Dienstag in Brüssel Empfehlungen der EU-Kommission zum Kampf gegen einen möglichen Staatsbankrott und beugte sich dem „harten Kurs“ von Frau Merkel.

Die griechische Regierung hat eingeräumt, sich bereits im Jahr 2002 an Banken gewendet zu haben, um über eine Swap-Vereinbarung eine Milliarde Dollar zu erlangen. Daraufhin haben amerikanische und europäische Großbanken Finanzierungen strukturiert, durch die Zinszahlungen in die Zukunft verlagert wurden. Im laufenden Haushalt kommt es dadurch zu Einnahmen, in späteren Jahren im Gegenzug zu erhöhten Zahlungsverpflichtungen.

Aus Protest gegen die Sparmaßnahmen der Regierung kam es letzten Mittwoch in Griechenland zu einem 24-stündiger Streik im öffentlichen Dienst. Staatliche Schulen und Regierungsstellen sowie die Flughäfen blieben geschlossen.

Text: G. Polikeit     Foto: KKE International

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