09.02.2010: Den griechischen Staat drücken Schulden von mehr als 300 Milliarden Euro, allein 280 Milliarden Euro wurden als Anleihen an Investoren in aller Welt ausgegeben. Die Angst vor einer Staatspleite Griechenlands hat die Zinsen für griechische Staatsanleihen auf mehr als sieben Prozent nach oben getrieben, vor wenigen Monaten musste das Land nur vier Prozent für seine Kredite zahlen. "Viele Versicherungen und Vermögensverwalter haben griechische Anleihen im Portfolio, weil sie mehr Zinsen bieten als deutsche oder französische Staatsanleihen", äußerte der Kreditanalyst von Unicredit. "Griechenland steht im Zentrum eines beispiellosen spekulativen Angriffs, und das wird unsere Wirtschaft abwürgen", sagte kürzlich Ministerpräsident Giorgos Papandreou.
Fünf Milliarden Euro Gewinn nach Steuern erzielte die Deutsche Bank im Jahr 2009. Zwei Drittel des Gewinns kommen aus dem Investmentbanking. Die Deutsche Bank profitiert davon, dass sich Unternehmen und Staaten im Krisenjahr 2009 verschulden mussten und viele Anleihen auf den Markt brachten. Die Banken kassieren die Gebühren.
Die Banken geben aber auch direkt Kredite. Sie nehmen das billige Geld der Europäischen Zentralbank und legen es in höher verzinslichen griechischen Anleihen an. Der Umweg über die Privatbanken ist politisch gewollt. Der Stabilitätspakt verbietet es nämlich der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen von Mitgliedern der Euro-Zone direkt zu kaufen. Angesichts dieser Konstellation ist es für die Banken nahezu unmöglich, keinen Gewinn zu erwirtschaften.
Die deutschen Banken hatten nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Ende September 2009 an die 30 Milliarden Euro griechischer Staatsanleihen in ihren Bilanzen. Ganz oben auf der Liste der Griechenlandgläubiger steht die mittlerweile verstaatlichte Hypo Real Estate mit 4,5 Milliarden, gefolgt von der Allianz mit 3,6 Milliarden, der Munich Re mit geschätzten zwei Milliarden und der Commerzbank mit mehr als einer Milliarde. Dazu kommen die Schulden griechische Staatsunternehmen, v.a. aus dem Rüstungs- und Medizinbereich, bei deutschen und anderen europäischen Firmen.
Banker, Vermögensverwalter, Spekulanten und Unternehmen gehen davon aus, dass die Europäische Union und die deutsche Regierung im Ernstfall Athen unter die Arme greifen, weil sonst deutsche und europäische Firmen auf den unbezahlten Rechnungen sitzen bleiben und die Banken ihre Kredite an Griechenland abschreiben müssten.
Damit Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann, wurde es von der Europäischen Kommission unter Zwangsverwaltung gestellt. Die griechische Regierung hat unter anderem Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst, Stellenstreichungen, Sparrunden bei den Renten, eine Anhebung des Rentenalters, höhere Kraftstoffpreise und eine pauschale Kürzung der Staatsausgaben um zehn Prozent beschlossen, um den gigantischen Schuldenberg des Landes abzubauen. Die EU hatte den stark defizitären griechischen Haushalt zuvor unter ihre Kontrolle gestellt und leitete wegen falscher statistischer Angaben ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Athen ein. Bis 2012 muss der hoch verschuldete Südstaat seine Neuverschuldung um 75 Prozent senken.
Athen muss jetzt alle zwei bis drei Monate in Brüssel über seine Sparerfolge Bericht erstatten. Sollte das Ziel verfehlt werden, droht eine Geldbuße. Das griechische Parlament kann keine Ausgaben mehr machen, ohne dass sie von der Europäische Kommission genehmigt werden. "Wir überwachen Griechenland mit allen Mitteln, die wir haben", sagte EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Joaquín Almunia.
Dabei ist die Lage des griechischen Staates zwar schwierig, aber nicht katastrophal. Die laufende Netto-Schuldenaufnahme liegt mit 13 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) etwa so hoch wie in der Euro-Zone Irland (zwölf Prozent), Spanien (zehn Prozent) oder - außerhalb der Euro-Zone - den USA (13 Prozent). Die Verschuldung des griechischen Staates hatte Ende 2009 immerhin 86 Prozent des BIP erreicht. Das war aber immer noch geringer als etwa in Italien (97 Prozent) oder gar Japan (über 200 Prozent).
Die Krise sei kein griechisches Phänomen, sondern eine Folge des Zusammenbruchs des kapitalistischen Systems, sagt die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und ruft zum Widerstand und zur Unterstützung der Aktionen der Kleinbauern und der Gewerkschaften auf.
Alexis Tsipras, Präsident der Linkskoalition Synaspismos, sieht das gesamte Modell der Europäischen Union in einer tiefen Krise. Jetzt nutze die EU Länder mit hohen Defiziten wie Griechenland und Irland als "Versuchskaninchen" für ihre Pläne, um mittels der Krise die "Hegemonie des Marktes und der neoliberalen Netzwerke zu vertiefen". An Griechenland werde eine "Schocktherapie zur Defizitreduzierung in einer Rezessionsphase" ausprobiert. "Griechenland betrifft nicht nur die griechische Bevölkerung", sagte Tsipras. "Es handelt sich um ein Experiment und eine schlechte Botschaft für die Zukunft der Bevölkerung ganz Europas." Jetzt gehe es um "radikale Opposition gegen die neoliberalen Vorhaben, die Lasten der Krise auf die Arbeiter und die Arbeitslosen abzuwälzen".
Das harte Durchgreifen der EU gegen Griechenland zeigt indessen Wirkung: Portugal legte seine Sparpläne vor und will binnen zwei Wochen "ehrgeizige Maßnahmen" zur Begrenzung der eigenen Neuverschuldung vorstellen. Die spanische Regierung hat einen Sparplan verabschiedet, mit dem sie die Ausgaben bis 2013 um 50 Milliarden Euro senken will.
text: lm
foto: Sisyphus