14.02.2011: Das 10. Weltsozialforum in der senegalesischen Hauptstadt Dakar vom 6. bis zum 11. Februar legte ein deutliches Zeugnis für die Aufbruchsstimmung des afrikanischen Kontinents ab. Darüber hinaus war es offensichtlich ein großer Erfolg für die Mobilisierung der sozialen Bewegungen weltweit, allen voran der afrikanischen. Das Forum war geprägt von den Revolten in Nordafrika. Und der Funke ist übergesprungen: Von Dakar geht ein starkes Signal für den demokratischen und sozialen Aufbruch des afrikanischen Kontinents aus.
Bereits vor dem WSF in Dakar hatte die Sozialforumsidee in Afrika eine starke Dynamik entwickelt. Dass diese Region in Bewegung ist - wie insbesondere Tunesien, Ägypten und Jemen zeigen - entstand nicht aus dem Nichts. Auf unterschiedlichster Ebene gab es soziale Prozesse, von denen die zahlreichen Sozialforen wichtige Mosaiksteine sind. So gab es in den vergangenen eineinhalb Jahren allein in Nordafrika bis in den Nahen Osten hinein elf große Sozialforen. Als Reaktion auf die Revolten wird nun an einem gemeinsamen Sozialforum des Maghreb und des Nahen Ostens gearbeitet. Bereits vor dem Aufstand sind Planungen für ein ägyptisches Sozialforum angelaufen, das - wenn es die Umstände erlauben - vom 19. bis 20. März stattfinden soll.
Ebenfalls für den 20. März rief die Versammlung der sozialen Bewegungen beim WSF in Dakar zu einem weltweiten Tag der Solidarität mit den Revolutionen in Nordafrika auf. Neben den Bewegungen in Nordafrika standen vor allem die konkreten Probleme und Lebensumstände der Afrikanerinnen und Afrikaner im Mittelpunkt des WSF: der Kampf um die natürlichen Ressourcen, der Raubbau an der Natur, die Zunahme von Hunger und Armut. Mehr noch als auf früheren Weltsozialforen wurde dabei immer wieder die Frage nach Alternativen gestellt. Die Kritik am herrschenden kapitalistischen System war schärfer und prononcierter als auf früheren Sozialforen.
Mit einer eindrucksvollen, bunten Demonstration Zehntausender durch das Zentrum von Dakar war das diesjährige Weltsozialforum eröffnet worden. Die Transparente, Sprechchöre und Gesänge der Demonstration zeigten vor allem die Probleme und sozialen Kämpfe des afrikanischen Kontinents. In den leidenschaftlichen Beifall für die anwesenden Aktivistinnen und Aktivisten der nordafrikanischen Aufstandsbewegungen mischten sich auch Rufe nach dem Rücktritt des senegalesischen Präsidenten Abdou Lage Wade.
In seiner Eröffnungsrede hatte der bolivianische Präsident Evo Morales das System des Kapitalismus für die ökologische und soziale Krise verantwortlich gemacht. Nachdrücklich betonte er den Beitrag der sozialen Bewegungen zu den Veränderungen der politischen Machtverhältnisse in Lateinamerika und rief die Anwesenden dazu auf, mit der Kraft und Vielfalt der in Dakar versammelten der sozialen Bewegungen Alternativen durchzusetzen.
Massive Kritik wurde an den europäischen Regierungen sowie der Europäischen Union laut. Das Verhältnis Europas zu den afrikanischen Staaten wird in Afrika weiterhin als ein neokoloniales und von Ausbeutung geprägtes wahrgenommen So kritisierten zahlreiche Gruppen von Fischern und insbesondere auch Fischersfrauen auf Spruchbändern und in Sprechchören die Plünderung der Fischbestände an der westafrikanischen Küste durch die EU-Fischerei. Auch die anti-demokratische Stützung des Mubarak-Regimes in Ägypten wurde lautstark angeprangert.
Das eigentliche Programm des WSF hatte mit einem Afrika- Tag begonnen. Themen wie Migration, Frauen, Klima- und Ernährungskrise, Unterentwicklung, kleinbäuerliche Landwirtschaft, Gesundheit oder soziale Sicherheit werden an diesem Tag in Hunderten Workshops und Treffen diskutiert. Afrika ist mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 45 Ländern am stärksten beim WSF vertreten.
Die Krise des neoliberalen Wirtschaftssystems und ihre Auswirkungen auf den afrikanischen Kontinent waren ein weiterer Schwerpunkt des Forums. Mehr als auf früheren Weltsozialforen wurde in Dakar der Wunsch nach gesellschaftlichen Alternativen laut. Die prinzipielle Kritik am gegenwärtigen kapitalistischen Wirtschaftssystem wurde schärfer.
Getragen von mehr als 1 200 Organisationen, Bewegungen und Initiativen fanden jeden Tag rund 300 verschiedene Aktivitäten wie Konferenzen und Workshops statt, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Erfahrungen austauschten und gemeinsame Aktivitäten verabredeten.
Text: Hugo Braun aus Dakar Foto: transnationalinstitute
Studierende der Universität Bielefeld haben sich zusammengefunden, um über das Weltsozialforum 2011 in Dakar zu informieren. Sieben von ihnen reisten selbst in den Senegal, andere unterstützen das Projekt von zuhause aus. Ihr Blog ist hier zu lesen.