Deutschland

hassgesang facebook25.10.2014: Ministerpräsident Seehofer in seiner landesväterlichen Jovialität lobt gern, vor allem sich selbst und die Seinen. Die standen in diesem Fall nämlich ausgesprochen bedröppelt da, der bayrische Justizminister Bausback und der Innenminister Hermann (beide CSU): Man habe „sehr schnell nach Bekanntwerden gearbeitet und entschieden“. In der Tat hat der Brandenburger Neonazi, der in Lichtenfels (im Raum Coburg) als Zivilrichter Recht sprechen durfte, nur wenige Tage nach der Enthüllung seiner unappetitlichen Doppelexistenz die Robe ausziehen müssen. Verräterisch jedoch ist Seehofers „nach Bekanntwerden“. Denn immerhin dauerte es fast ein ganzes Jahr, bis der ins oberfränkische Kulmbach umgezogene Maik B. enttarnt wurde. Auch jetzt flog die Sache nur zufällig auf.

Seit November 2013 konnte er sein Unwesen treiben, der „verlängerte musikalische Arm der Neonazi-Szene in Südbrandenburg“, wie ihn der dortige Inlandsgeheimdienst nannte. Amtskollegen beim Gericht in Lichtenfels fanden ihn ok, allenfalls a weng „zu konservativ“ für sein Alter.

Nur einen Monat nach seinem Dienstantritt in Oberfranken eröffnete Maik B. eine Facebook-Seite (Foto) für sein Nazi-Bandprojekt. Nach Feierabend tobte er sich dann aus im „Hassgesang“ (so der Name seiner Gruppe). Er preist Adolf Hitler und singt „für Volk und Rasse“. Seine mit dem Nazi-Code „81“ und mit Hakenkreuzen usw. reichlich dekorierten Scheiben, darunter einige sogenannte Schulhof-CD‘s der NPD, werden von Schweden und den USA aus vertrieben.

hassgesang you tubeDer Skandal wird ein Nachspiel haben, auch im bayrischen Landtag. Nicht nur die SPD-Landtagsfraktion fordert lückenlose Aufklärung darüber, wie er überhaupt ins Amt gelangen konnte. Zwei Abgeordnete von den Grünen- Bündnis 90 interessierte, ob B.‘s CD‘s auch auf oberfränkischen Schulhöfen verteilt wurden. Die Antwort des Innenministers: Ja, mehrfach. In Kronach, in Wunsiedel und am 20. 2. dieses Jahres in Hösbach, dummdreist direkt vor einer von Antifaschisten organisierten Aufführung von „Blut muss fließen“. In diesem vielfach auch vor Schulklassen zur Aufklärung gezeigten Werk sind u. a. Faschos zu sehen, die sich an primitivsten Grölsongs mit Nazi-Slogans berauschen.

Man habe auch gewusst, dass Maik B. dem 2012 verbotenen Nazi-Verein „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ angehörte. Und dass er 2008 im sächsischen Cottbus u. a. wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Im Februar 2014 kam er dann auch in die einschlägige Staatsschutzdatei in seiner neuen Wahlheimat Bayern. Doch hätte er jetzt nicht zufällig als Zeuge bei einem Diebstahl ausgesagt und dabei seinen Beruf angegeben und hätte nicht ein Bayreuther Polizist ein gutes Namensgedächtnis gehabt und sich an diesen Maik B. erinnert – dann säße der braune Beamte auf Probe noch heute zu Gericht über seine oberfränkischen Mitmenschen.

Justizminister Bausback und Innenminister Herrmann (beide CSU) waren arg in der Klemme. Was fällt ihnen da spontan als rettender Ausweg ein? Eine Wiederauflage der Berufsverbote muss her. Insbesondere B.‘s oberster Dienstherr Bausback ruft lauthals nach einer Wiedereinführung des „Radikalen- Erlasses“ bzw. der Regelanfrage beim Verfassungsschutz, nur „für meine Richter und Staatsanwälte“. Es sei indes nicht an einen „allgemeinen Radikalenerlass“ gedacht, präzisiert großzügig Bayerns oberster Dienstherr Seehofer (CSU).

Ein mehr als durchschaubares Ablenkungsmanöver, das dennoch ernstzunehmen ist. Der bayerische VSchutz soll natürlich schleunigst aus der Schusslinie genommen werden, der mit einschlägigen Infos aus B.‘s Heimat nichts anzufangen wusste. Wer sitzt da in den Einstellungsbehörden, der eine solche Fülle an Hinweisen ignoriert? fragt fassungslos die Presse.

Abgesehen davon, dass das CSUSpitzentrio ignoriert, dass die „Regelanfrage“ vom Europäischen Gerichtshof 1991 endgültig für verfassungswidrig erklärt wurde. Wenig bekannt ist, dass sie unbeschadet dessen im Freistaat (und in Sachsen) de facto weiterhin existiert, und zwar in Gestalt des bayerischen „Fragebogens zur Überprüfung der Verfassungstreue“. Diese Gesinnungsüberprüfung ist hierzulande bei Bewerbungen im Öffentlichen Dienst immer noch ausnahmslos obligatorisch. Dass das Papierwerk offenkundig untauglich ist, um tatsächliche Feinde der Demokratie zu entlarven, wird seit langem kritisiert und am Fall Maik B. augenfällig bewiesen. Geradezu grotesk wirkt die Vorstellung, der Brandenburger hätte treu und brav angekreuzt, ein „Rechtsextremist“ zu sein. Sein Fascho- Verein steht übrigens ebenso wenig auf der Liste wie das kürzlich verbotene „FNS“ oder gar das Terrornetzwerk NSU, ganz zu schweigen von den vielen anderen braunen Neugründungen.

Das war ja auch gar nicht Sinn und Zweck der Berufsverbote, die bekanntlich als Disziplinierungs- und Einschüchterungsinstrument dienen sollten gegen die Massen fortschrittlicher junger Menschen, die voller Tatendrang von den Unis in den Öffentlichen Dienst strömten.

Dementsprechend ist auch die Liste der als erstes aufgeführten linken und antifaschistischen Organisationen vom bayerischen Innenministerium unter Zuarbeit des Inlandsgeheimdienstes stetig erweitert worden. Da findet sich solid, die Jugendorganisation der Partei „Die Linke“, genauso wie die SDAJ und die DKP wie auch die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN-BdA), ganz zu schweigen von der „Roten Hilfe“ oder diversen „Bündnissen gegen Rechts“ bzw. linken Wählerlisten wie dem „Linken Wahlbündnis Hassberge“.

Ein Blick in die Geschichte der Berufsverbote zeigt: Schon vor mehr als 40 Jahren konnte man die paar vom „Radikalenerlass“ des Jahres 1972 betroffenen „Rechtsextremisten“ an einer Hand abzählen. Dem standen Zehntausende Berufsverbotsopfer aus dem linken Lager gegenüber: Kommunisten, Kriegsgegner, Jungdemokraten, Jusos u. a. (Vgl. www.gegen-berufsverbote. de).

Für diese Verstöße gegen die Menschenrechte haben Gerichte bis hin zum Europäischen Gerichtshof – als Ergebnis der Jahrzehnte dauernden europaweiten Proteste der Berufsverbote- Bewegung – die jeweiligen BRDRegierungen letztinstanzlich verurteilt. Einzelne Bundesländer wie Bremen, Niedersachsen wie auch kürzlich Nordrhein- Westfalen haben mittlerweile – nach viel öffentlichem Druck im Zusammenhang mit dem 40. Jahrestag des „Extremistenerlasses“ – mit Rehabilitierungs- und Wiedergutmachungsmaßnahmen begonnen. (Vgl. u. a. UZ vom 16. Oktober 2014)

Im Unterschied dazu hat München sämtliche zaghaften Ansätze in diese Richtung, vor allem seitens der SPDLandtagsfraktion, abgeschmettert. Schlimmer noch: In Bayern hat es bis heute immer wieder einzelne „Berufsverbots- Versuche“ gegen Linke gegeben, an Hochschulen, an Schulen. Nicht alle sind an die Öffentlichkeit gedrungen. Einiges Aufsehen erregte 2010 der Fall einer linken Lehramtsanwärterin in Nürnberg.

Was mag wohl Maik B. mit seinem Fragebogen gemacht haben? Was hat seine Einstellungsbehörde damit gemacht? Oder hatte er wohlwollende Vorgesetzte, die es damit nicht so genau nahmen? Vielleicht war es kein Zufall, dass Maik B. aus dem fernen, SPD-Linke-regierten Brandenburg nach Bayern kam, unweit der rechten Hochburg Coburg. Dies war einst die erste Stadt, in der es 1929 Hitlers NSDAP schaffte, eine absolute Stadtrats- Mehrheit zu erringen. Spätestens seit Beginn des NSU-Prozesses in München ist dieser ehrwürdige Ort auch als Wirkungsstätte des Nazi-Spitzels Tino Brandt unrühmlich bekannt geworden.

Wer schützt das rotweiße Franken davor, endgültig Zufluchtsort für Rassisten und Antisemiten zu werden? Wer schützt uns vor den mutmaßlichen Komplizen im Staatsapparat, im bayerischen Innenministerium und anderswo?

Auf ihrer Landesdelegiertenkonferenz in Ingolstadt hat die VVN-BdA einige Antworten darauf gegeben und ihre Forderung nach Abschaffung des Inlandsgeheimdienstes wiederholt. Wen überrascht es da schon, dass ihr vor wenigen Wochen ein Münchner Gericht in erster Instanz erneut „Verfassungsfeindlichkeit“ bescheinigt hat. Die einschlägigen Erkenntnisse dazu wurden frei Haus geliefert – vom bayerischen „Verfassungsschutz“!

Kleiner Nachtrag: Mittlerweile hat der Berliner Tagesspiegel herausgefunden, dass Maik B. sich vor einem Jahr auch auf einen Posten in der Hauptstadt beworben hatte. Dem Kammergericht waren allerdings seine Examensnoten zu schlecht, hieß es. War nun die oberfränkische Provinz weniger anspruchsvoll? Oder hatte die Ablehnung damit zu tun, dass die Berliner wachsamer waren und weniger blind auf dem rechten Auge?

Text: Eva Petermann (dieser Artikel erscheint auch in der UZ vom 24.10.14)

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