25.09.2013: "Vor dem Eingang des Frankfurter Hotels 'Intercontinental' drängten sich am 26. September 1968 etwa hundert Presse-, Funk- und Fernsehleute, Korrespondenten der großen in- und ausländischen Zeitungen, Aufnahmeteams der führenden Fernsehanstalten. Sie waren der Einladung zu einer Pressekonferenz gefolgt, auf der ein Ereignis bekanntgegeben werden sollte, das für die politische Entwicklung in der Bundesrepublik neue Zeichen setzte: die Neukonstituierung einer legealen kommunistischen Partei." So erinnerte sich Kurt Bachmann, der erste Vorsitzende der DKP, an die Ereignisse vor 45 Jahren.
Die DKP Schleswig-Holstein hatte zu ihrer Veranstaltung '45 Jahre DKP' Georg Polikeit eingeladen, seine Gedanken zur Partei von der Gründung bis heute darzulegen. Polikeit selbst war damals in die Vorbereitungen zur Neukonstituierung der DKP einbezogen, war später viele Jahre UZ-Chefredakteur. Er schilderte die politische Situation Ende der 60er Jahre. Er machte deutlich, dass es darum ging, eine legale komunistisch Partei aufzubauen und gleichzeitig den Kampf gegen das Verbot der KPD fortzusetzen.
In seinem Referat (siehe Anlage) hob er auch die objektiven Bedingungen hervor, die letztlich zum "Hochseilkakt der Kommunisten" mit der Konstituierung der DKP führten, wie bürgerliche Zeitungen schrieben. Die innenpolitischen Veränderungen mit dem Ende der Adenauer-Ära, nach Ehrhard und Kiesinger und mit dem Fakt, dass erstmals seit 1945 die SPD mit in der Regierung waren ebenso gute Bedingungen, wie auch die internationalen politischen Veränderungen, die mit der "Politik der Annäherung" eine neue Ostpolitik entwickelte.
In der ihm zur Verfügung stehenden Zeit, zog Polikeit auch eine Bilanz in drei Punkten:
- Die Aufbruchstimmung von 1968, mit der Hoffnung eine Partei zu formieren, die die Politik in der BRD wahrnehmbar beeinflussen kann hat sich nicht erfüllt. Dabei spielt sicher auch der Rückschlag mit dem Niedergang der sozialistischen Staaten 1989/90 eine Rolle. Auch wenn die DKP nicht direkt verantwortlich dafür ist, wird zu Recht die Frage an uns gestellt, was wir daraus lernen, so Polikeit. In den dazu gemachten Aussagen des Parteiprogramms von 2006 sieht er Antworten darauf enthalten. Auch die eigenen Fehler sind zu beachten. Eine wichtige Lehre war die Entwicklung der innerparteilichen Demokratie in den letzten 2 Jahrzehnten.
- Die DKP und ihre Mitglieder haben auch etwas ereicht. Insbesondere in den 70er und 80er Jahren spielte sie eine wirkungsvolle Rolle in der außerparlamentarischen Bewegung. Sie war Mitorganisator in vielen verschiedenen Bereichen, sowohl national als auch international: Rote Punkt Bewegung, Kampf gegen den Vietnamkrieg, Chile-Solidarität sind hier nur wenige Stichworte. In der linken Jugend und Studentenbewegung, sowie in den Gewerkschaften waren die Mitglieder der DKP geschätzt und spielten dort eine große Rolle. Polikeit hielt fest, dass die DKP nicht nur Mitläufer war, sondern auch Organisator.
- Das die DKP 1989/90 überlebt hat, muss als Erfolg der Partei eingeschätzt werden. Insbesondere auf die Bedingungen mit dem verschärften Antikommunismus seit den 90er Jahren verwies Polikeit. Damals gab es viele Austritte aus der Partei, doch auch sehr viele Diskussionen in der Partei wurden geführt. In dieser Phase haben alle Genoss_innen zum Erhalt beigetragen, die aktiv in und für die Partei gearbeitet haben. Ausdrücklich bedankte sich Polkeit bei den Genoss_innen, die gerade in den ersten 90er Jahren an der Spitze der Partei standen. Seine Sorgen äußerte er zum Zustand der DKP heute. Als großes Problem nannte er die Überalterung der DKP und damit einhergehend die eingeschränkte Aktionsfähigkeit. Polikeit stellte die Frage, ob wir evtl. zu stark in alten Gleisen verharren? Ob wir nicht mehr darüber diskutieren sollten, was wir verändern müssen, um für größere Teile der Jugend ansprechbar zu sein.
Wende zu demokratischem und sozialen Fortschritt
Ausgehend von der Grundsatzerklärung der DKP 1968, über die "Wende zu demokratischen und sozialen Fortschritt" vom Mannheimer Parteitag 1986 bis zu den Aussagen im Programm von 2006 ist eine Hauptzielrichtung die Zusammenarbeit mit anderen Kräften für den demokratischen Fortschritt festgehalten. Er machte klar, der Kampf um Reformen ist nicht nur ein taktisches Ziel, sondern betrifft die unmittelbaren Interessen von vielen Menschen. Die zentrale Achse unserer Aktivitäten ist immer der gemeinsame Kampf mit anderen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass diese Politik mit dem "Bannfluch des Reformismus" belegt wird, so Polikeit. Da Klassenbewusstheit nicht nur durch Aufklärung entsteht, sondern durch die Erfahrungen in Kämpfen und im eigenen Handeln der Menschen, sei es notwendig die Bewegungen in Gang zu bringen und zu halten. Nicht abkapseln, sondern sich noch besser einbringen in Bewegungen, ist die Aufgabe heute.
In der folgenden Diskussion sparten die Anwesenden nicht ihre eigenen Erfahrungen aus. Eine Genossin erzählte, sie könne leider nicht damit aufwarten, aus der Arbeiterklasse zu kommen. Kommunistin wurde sie über ihre aktive Arbeit gegen die Remilitarisierung. Die Bündnisarbeit ihren Parteigruppe schätzt sie als wichtigen Faktor der relativen Stabilität ein - auch was die Mitgliederentwicklung betrifft.
Die innerparteiliche Demokratie und deren Entwicklung seit Anfang der 90er Jahre wurde in vielen Beiträgen als positiv dargestellt. Jedoch sehr besorgt bis empört wurde sich über einen neuen Stil in der DKP geäußert, der diese Entwicklung anscheinend rückgängig machen will. Festgemacht wurde dies an der aktuellen Erklärung des Sekretariats der DKP. Sei sei selbstgefällig, von oben herab und ohne jegliche Selbstkritik, so die Genoss_innen.
Dazu wurden Fragen aufgeworfen wie: In welchem Zustand sind wir, wenn in unserer Partei die Diskussion über Themen "Sorge bereitet"? In der Sekretariatserklärung wird tatsächlich geäußert, dass es "Sorge bereite", wenn in Südbayern in einer Diskussion gefordert wird "Politik entwickeln auf Grundlage des Programms der DKP, der Fragestellungen, die mit den Politischen Thesen aufgeworfen wurden, und der Stellungnahme der Geschichtskommission des PV der DKP zum Thema Stalinismus vom 12.5.1994". Der letzte Punkt führte zur Frage, ob die Stellungnahme der Geschichtskommission zum Stalinismus keine gemeinsame Grundlage mehr sei, ob möglicherweise in dieser Frage auch die Aussagen des Programms vom Seklretariat nicht geteilt werden?
Die internationale Arbeit und unsere weitere Mitarbeit in der Europäischen Linkspartei wurde als wichtiger Beitrag zur Entwicklung von Widerstand genannt. Gerade gegen die Krise muss die Zusammenarbeit mit anderen linken Kräften national und international ausgebaut werden. Kritik gab es daran, dass die Kandidatur zur EU-Wahl ohne vorherige Diskussion in der Partei beschlossen wurde. Und ohne eine inhaltliche Debatte in der Partei sollen nun Kandidat_innen gewählt werden.
Gefragt wurde nach Argumenten, weshalb es "nicht hinnehmbar ist", dass junge Mitglieder der DKP sich in einem anderen Jugendverband, als in der SDAJ, organisieren. Es gibt zwar ein enges Verhältnis zur SDAJ, dies schließe jedoch nicht aus, auch in anderen Jugendorganisationen mitzuwirken. Und in Bezug auf die Gewinnung junger Menschen für die Partei wurde bezweifelt, dass der Stil dieser Erklärung, inhaltlich wie vom Ton, dazu anregt, Mitglied unserer Partei werden zu wollen.
Über den demokratischen Zentralismus, die Disziplin und die innerparteiliche Demokratie wurde diskutiert und welcher Begriff heute anzuwenden sei. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt "Diziplin ist nötig in unserer Partei, aber wir brauchen keinen Kadavergehorsam".
In seinen Schlussbemerkungen griff Georg Polikeit die in der Diskussion genannten Fragen noch einmal auf. Wir sollten nicht in "alte Gewohnheiten" zurückfallen, sondern unsere innerparteiliche Demokratie noch weiter entwickeln.
In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass es auf dem 20. Parteitag nicht nur einen Personenwechsel in der Leitung der DKP gegeben hat. Ausdrücklich wurde von dem neuen Parteivorsitzenden verkündet, dass es um einen politischen Richtungswechsel ging. Darauf, so Polikeit, müssen wir uns einstellen. Denn dieser politische Richtungswechsel ist noch lange nicht zu Ende durchgesetzt. Es kann in der Partei noch schwieriger werden. Wenn, wie zur EU-Wahl, ohne vorherige Debatte in der Partei Wahlbeschlüsse erfolgen, wenn evtl. "auf Biegen und Brechen" die Eigenkandidatur durchgesetzt wird. Dadurch kann die Zusammenarbeit mit anderen Linken erschwert und damit kein Beitrag zur Formierung linker Kräfte geleistet werden.
Wir müssen die Angst ablegen, mit anderen zu wenig über den Sozialismus zu reden. Wir sollten viel mehr in der Diskussion über den Kampf um Reformen reden und damit die Menschen und ansprechen. Wir dürfen uns nicht einreden lassen, dass dies in die Irre führt, wenn genau diese Fragen heute auf der Tagesordnung stehen!
Zur Jugendfrage stellte er fest, dass wir nicht mehr die Eltern - sondern mittlerweile bereits die Großelterngeneration sind. Wir müssen also noch mehr und anders nachdenken, wie wir Jugendliche ansprechen können. Sich nur allein auf die SDAJ zu fokussieren, sei zu wenig. Er gab zu Bedenken, dass sie auch nicht immer durch DKP-Gruppen und Mitglieder ansprechbar sei. Dies kann nicht der einzige Weg sein, um neue und junge Menschen zu erreichen.
Es war eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der DKP. Auffallend war, wie die persönlichen Erlebnisse und Lebens- und Arbeitsbedingungen mit den politischen Aktionen und Forderungen im Zusammenhang standen. Nicht deshalb, weil der Referent oder die Diskussionsteilnehmer_innen darauf besonderen Wert legten, sondern weil es zu ihrem Leben gehört, sich für gesellschaftliche Veränderungen gegen das Kapital, für demokratischen und sozialen Fortschritt, für ein Leben ohne Faschismus und Krieg einzusetzen. Damals und heute. Zu diesen Genoss_innen, die nicht nur die Erfahrungen in die Politikentwicklung unserer Partei einbringen, sondern auch die aktuelle Parteiarbeit kritisch verfolgen und mitgestalten, können wir uns und unserer Partei nur gratulieren!
Text: Bettina Jürgensen / Foto: gst