08.03.2013: Am 8. März werden sich die Medien wieder überschlagen mit Erfolgsstorys und mahnenden Worten. Junge Frauen werden wieder sagen, dass sie so was nicht brauchen und das Getue ihnen auf den Geist geht. Ja, das nervt. Denn oft sind es dieselben Frauentags- FestrednerInnen, die ja doch gleichzeitig mit beiden Händen das Rad wieder zurückdrehen. Die uns das Betreuungsgeld und noch mehr Minijobs andrehen wollen, die das „ungeborene Leben“ mit klerikalfaschistischer Fürsorge umgeben und dabei ungerührt zusehen, wie Frauen, Kinder und andere Zivilisten in Syrien von Söldnerkriegern grässlich hingemetzelt werden. „Frauenförderer“,die vielleicht noch stolz darauf sind, dass eine weibliche Regisseurin einen Film „Zero Dark Thirty“, dreht, in dem sie eine CIA-Killerin die Anwendung von Folter legitimieren lässt. Soll das die Gleichberechtigung sein? Aber unseren Frauenkampftag lassen wir uns deswegen nicht nehmen und unsere Aktivistinnen-Runde wird von Jahr zu Jahr größer.
Jeden Tag wird uns vor Augen geführt, wie weitsichtig Clara Zetkin war: Frauenforderungen dürfen nicht bei bürgerlichen Rechten Halt machen, so wichtig diese als Fundament politischen Handelns sind. Jeder Tag beweist, dass sich die arbeitenden Frauen für ihre sozialen Rechte wehren müssen, gegen Massenarbeitslosigkeit und für die 30-Stunden-Woche, für kostenlose Kitas und für gleichen Lohn.
Junge Azubis, erfahrene Schichtarbeiterinnen, Hilfsarbeiterinnen aus Griechenland, Leiharbeiterinnen aus Polen, Hausfrauen und Schülerinnen. Sie alle sitzen mit in unserer Frauenrunde am Internationalen Frauenkampftag, an dem wir darauf anstoßen, was wir schon erreicht haben, und darauf, was wir noch erreichen werden.
Wir sind radikal und so gefährlich für die Herrschenden, dass der Frauentag nicht nur seit 1916 immer wieder verboten wurde. Oder uns durch den Muttertag abgekauft werden sollte. Klar, auch für nicht wenige Männer der Arbeiterklasse könnte es ungemütlich werden in unserer Runde. Denn, ja doch, auch heute noch geht der „alte Herrenstandpunkt“ um, wie Lenin die Haltung von Machos und anderen Patriarchen nannte.
Ganz zu schweigen davon, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen (auch gegen Jungen und junge Männer) in den kapitalistischen Ländern immer noch ein Thema sind: Das würden die Verantwortlichen, nicht zuletzt im Vatikan, gern unter der Decke halten. Die Massendemos in Indien und der Republik Südafrika haben aufgerüttelt und an mittelalterlichen Strukturen hoffentlich nicht nur gekratzt.
Sind die Männer nun die Feinde? Ja, im Einzelfall zweifellos schon. Aber werfen nicht diese Proteste ein bezeichnendes Licht auf die Verrohung im Kapitalismus, vor allem auf dem Hintergrund der Krise? Wo der Mensch dem Menschen ein Wolf zu werden droht?
Frauen können Kanzlerin werden und zur Hassfigur wegen ihres unbarmherzigen Kaputtspar-Kurses in ganz Europa. Ihre „Schwestern“ in Griechenland sind ihr dabei genauso schnurzpiepegal wie die Frauen und Mädchen in Afghanistan, die auch dank deutscher Militäreinsätze allmählich wieder Gefahr laufen, hinter der Burka zu ersticken. Keine Hand hat diese Frau Angela Merkel gerührt, als es um bescheidene 70 Millionen für eine Transfergesellschaft zugunsten der mehr als 25 000 Frauen bei der Schlecker- Pleite ging. Wer Milliarden an Finanzbosse und Konzerne ausschüttet, kann sich mit solchen Peanuts offenbar nicht abgeben. In unserer Runde haben solche Galionsfiguren des Imperialismus nichts verloren.
Am 8. März muss es uns immer auch um eine neue, humane Gesellschaft, um den Sozialismus gehen. Und wenn die Runde gerade jetzt in der Krise immer größer wird, ist das genau richtig, denn es gibt viele Tische in allen Ländern, und auch die Frauen und Mädchen von den „Tafeln“ sind dazu, sogar besonders herzlich, eingeladen. Kommt zu uns, ihr trefft bei uns die wunderbarsten Frauen! Rosa und Clara und Inessa und Alexandra sowieso, aber auch Dolores Ibarruri aus Spanien und Ettie Gingold aus Frankfurt (und Rumänien), unsere antifaschistischen Heldinnen. In unsere Arme nehmen wir auch unsere kurdischen Schwestern „Üc gül“, unsere „Drei Rosen“: Sakine, Fidan und Leyla, die erst unlängst in Paris brutal abgeknallt wurden. Dabei sitzen unsere Schwestern aus Kuba und der Volks- republik Chi- na und aus Vietnam. Wir sind die Vielen, die „Hälfte des Himmels“, wie Mao einmal gesagt hat. Über alle Grenzen hinweg kämpfen wir zusammen für das „Einfache, das so schwer zu machen ist“.
Da darf auch Emma Engelhardt aus Schwarzenbach nicht fehlen, die Betriebsrätin aus dem Porzellanwerk in Schwarzenbach, deren Mann als Nazi-Gegner ins KZ musste. Und erst recht nicht Hilde Wagner, unsere DKP-Kreisvorsitzende in Heidelberg, die bis nach Mitternacht mit den StudentInnen vom „Spartakus“ diskutierte, denen die Revolution in der DDR nicht schnell genug ging. Kurz vor ihrem Tod vor zehn Jahren setzte sie ihrem Mann Karl Wagner, einem legendären Widerstandskämpfer und KZ-Häftling in Dachau, ein Denkmal mit ihrer Biografie „Der Kapo der Kretiner“.
Hilde würde ihn vielleicht mitbringen wollen in unsere gesellige Runde. Na gut, da machen wir schon den Platz frei für den einen oder anderen Kollegen oder Genossen: Für Dietrich mit der Schiffermütze und für Franz Josef mit seiner Gitarre, der uns aus Hamburg am besten Fasia und ihr Akkordeon gleich mitbringt. Feiern wollen wir und zusammen trinken und singen: Die „Union Maid“und das „Rebel Girl“ und „Tanja“, „Brot und Rosen“ und außerdem „es rettet uns kein höh‘res Wesen, kein Mann, kein Kaiser und Tribun!“.
„Eine Stunde mehr zum Leben“ wollten vor 110 Jahren tausende Textilarbeiterinnen und ihre Kollegen im sächsischen Crimmitschau erstreiken. Nach einem halben Jahr mussten sie den Kampf um den 10-Stunden- Tag abbrechen, bei Hunger und Kälte. Liebe Schwestern von damals, danke! Ja, wir wollen mehr Zeit zum Leben, allerdings nicht nur eine Stunde oder einen Tag.
Her mit dem ganzen Leben!
Eva Petermann (aus UZ vom 8.3.2013)