Aus Bewegungen und Parteien

marx_dialog_leverkusen_261012_mami_998227.10.2012: Der vierte Leverkusener Dialog begann am Freitag in den Räumen der Karl-Liebknecht-Schule der DKP in Leverkusen. Der marxistische Historiker Prof. Dr. Hans- Joachim Krusch (1935–2004), damals Leiter des Marxistischen Arbeitskreises zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bei der historischen Kommission der PDS bzw. bei der PDS, hatte vor vielen Jahren die Idee, sich an Genossen und Organisationen zu wenden, die sich als marxistisch, als kommunistisch definieren und sich – trotz der schweren Niederlage von 1989/90 – in ihrer antikapitalistischen Orientierung und Aktivität nicht beirren lassen.

Man solle – schlug Hans Krusch vor – versuchen, sie an einen Tisch zu bekommen, ohne etwa „Unliebsame“ auszugrenzen, und mit ihnen über gegenwärtige Aufgaben, auch über theoretische und politische Schlussfolgerungen aus unserer Niederlage zu diskutieren. Dabei sei zu vermeiden, die Schlachten von ehedem erneut schlagen zu wollen, sich die „Wurfgeschosse“ von einst erneut an die Köpfe zu schleudern. Es gebe genug brennende aktuelle Aufgaben, denen wir uns nicht entziehen dürfen, indem wir uns in Schuldzuweisungen ergehen. Die Probleme und Widersprüche dürfe man deswegen aber nicht einfach unter den Teppich kehren.

Dieser Vorschlag stieß auf große Zustimmung. Es kam es zum ersten Dialog, abgehalten in der DKP-Parteischule Karl Liebknecht in Leverkusen. Dort diskutierten die Vertreter der erwähnten kommunistischen Richtungen gleichberechtigt. Die bisherigen „Dialoge“ hatten das Parteithema, die Staatsfrage, den Revisionismus, natürlich auch Probleme der Geschichte des Kommunismus zum Thema. Es ging dabei nie um einen bloß politisch agitatorischen Meinungsaustausch.

Der vierte Leverkusener Dialog hat 3 Hauptthemen vorgesehen:

  1. Reform und Revolution, die Überwindung des Kapitalismus und revolutionäre Brüche;
  2. Klassentheorie als Struktur- und Handlungstheorie. Das gesellschaftliche Subjekt revolutionärer Gesellschaftsveränderungen;
  3. Herausforderungen für den Sozialismus im 21. Jahrhundert.

Nach der Begrüßung durch Robert Steigerwald hielt Manuel Kellner das erste Impuls-Referat zum Thema: Räte, Partei, Revolution. Aktualität und Probleme der Revolutionstheorie von Ernest Mandel.

marx_dialog_M_Kellner_261012_mami_9992Manuel Kellner ist Mitglied der internationalen sozialistischen linken – isl, einer Organisation der Vierten Internationale in Deutschland. Er hat über den 1995 verstorbenen belgischen Marxisten Ernest Mandel promoviert. Sein Referat war dadurch geprägt, nicht die Abgrenzung von politischen Positionen anderer Organisationen in Vordergrund zu stellen, sondern die eigenen Positionen kritisch zu hinterfragen, ob sie der heutigen Realität noch standhalten. "Ernest Mandel nannte sich selbst scherzhaft einen „orthodoxen Leninisten mit leichten luxemburgistischen Abweichungen“. Ausgangspunkte seiner Ansichten zur Revolutionstheorie waren die Verarbeitung der Erfahrung der Pariser Kommune von Marx und Engels und Lenins Positionen zur Rolle revolutionärer Parteien. Für Mandel waren umfassende Mobilisierungen und Streikbewegungen in Industrieländern die unabdingbare Voraussetzung für sozialistische Revolutionen. Was anfangs Streikkomitees und Aktionsausschüsse sind, entwickelt sich zu Räten, die von unten her zu einer zur bürgerlichen Staatsmacht alternativen Staatsmacht heranreifen. In einer solchen Situation der „Doppelherrschaft“ entscheiden die politischen Kräfteverhältnisse in der Klasse über den Erfolg. Erobern revolutionäre Kräfte die Hegemonie, siegt die Revolution, bleiben die Kräfte der Klassenversöhnung am Ruder, scheitert sie. Für die Entwicklung des Klassenbewusstseins von elementaren nur-gewerkschaftlichen über politische zu sozialistischen/kommunistischen Überzeugungen ist eine Strategie der Übergangsforderungen wichtig. Mandels Überlegungen zur Revolutionstheorie bleiben aktuell auch im 21. Jahrhundert, obwohl sie anhand neuer Gegebenheiten – Rückgang der Bedeutung des industriellen Proletariats und zunehmende Fragmentierung der Klasse – und neuer Erfahrungen auch kritisch diskutiert und weiterentwickelt werden sollten."

Hans Peter Brenner, Mitglied des Parteivorstandes der DKP, bewertete die bisherigen drei Konferenzen zwar positiv in Hinblick auf die atmosphärische Folgen zwischen den beteiligten Organisationen und Personen, bemängelte aber, dass die Treffen weitgehend ohne sichtbare praktische Relevanz geblieben sind. „Meine mit Skepsis gespeiste Neugier, was denn diese neue Leverkusener Konferenz mit ihrem so bedeutsam klingenden Thema „Revolutionstheorie im 21. Jahrhundert“ bringen kann und wird, wird auch noch aus einer anderen Quelle gespeist: es ist die Differenziertheit und auch – wer will es bestreiten – die Gegensätzlichkeit in nicht unbedeutenden Fragen unter den Teilnehmern.“ Seine Bewertung der anderen linken Organisationen und seine These „Einheit mit Klarheit“ warfen viele Fragen auf.

Weitere Impuls-Referate werden Samstag und Sonntag gehalten:

  • Karl Hermann Tjaden: Probleme einer Kritik kapitalistischer Gesellschaftsformation im 21. Jahrhundert;
  • Ekkehard Lieberam: Klassenverhältnisse, Klassenmacht und Klassenmobilisierung;
  • Edeltraut Felfe: Erfahrungen und Probleme der Bündelung und Durchsetzung von Mehrheitsinteressen gegen die Herrschenden in Skandinavien;
  • Angela Klein: Herausforderungen für einen Sozialismus im 21. Jahrhundert;
  • Robert Steigerwald, Einige revolutionstheoretische Probleme;

Alle Referate des Dialogs werden als Broschüre herausgegeben werden.


 

Aus den Thesen von Ekkehard Lieberam: Klassenmachtverhältnisse, Klassenohnmacht und Klassenmobilisierung

marx_dialog_E_Lieberam_261012_mami_9999Die Erfahrungen mit den Unwägbarkeiten historischer Weichenstellungen und der Langwierigkeit des Kampfes um die Überwindung des Kapitalismus mahnen vom Wunschdenken geprägte Prognosen zu den Resultaten der bevorstehenden Klassenkämpfe zwischen Sozialismus und Barbarei im 21. Jahrhundert zu meiden. Marxisten müssen sich darauf konzentrieren, die sich abzeichnende geschichtliche Situation zu erfassen, die mittel- und langfristigen Tendenzen dieser Kämpfe in ihrer Widersprüchlichkeit zu analysieren und von da aus die politischen Aufgaben im Klassenkampf zu bestimmen.

Vieles deutet darauf hin, dass im 21. Jahrhundert der Klassenantagonismus zwischen Kapital und Arbeit sich national und global außerordentlich zuspitzen wird. Wir stehen aller Wahrscheinlichkeit nach am Anfang einer finalen Alterskrise des Kapitalismus in Gestalt einer lang andauernden Großen Depression. Kern dieser Alterskrise ist eine Krise der Kapitalverwertung. Ein neues erfolgreiches Modell der Kapitalakkumulation ist nicht in Sicht. Die wirtschaftliche Talfahrt des Kapitalismus, ein „völliges Durcheinander“ des Krisenzyklus (Jürgen Kuczynski), das Ausmaß der Überakkumulation von Kapital, die Entstehung eines irrwitzigen spekulativen Finanzkapitalismus, die eskalierende Banken- und Staatsschuldenkrise – all das deutet auf einen zumindest mittelfristig bevorstehenden wirtschaftlichen Crash des „mit dem Rücken an der Wand stehenden Kapitalismus“ (Wolfram Elsner) hin. Es wächst die Gefahr, dass die „Auswegsuche“ abermals in einem großen Krieg endet.

Die neoliberale Kapitaloffensive als Reaktion auf die Kapitalverwertungskrise verschärft die soziale Polarisierung zwischen Lohnarbeitern und Kapitaleignern, zwischen wachsender Armut und wachsendem Reichtum. In historisch kurzer Zeit vollzog sich eine Wende: „von einer fordistischen, pazifizierten zu einer stärker polarisierten Klassengesellschaft“ (Klaus Dörre). Unübersehbar ist das anwachsende Potential für Verteilungskämpfe, für Kämpfe um Emanzipation und politische Macht, aber auch für politische Apathie und die Anfälligkeit für Ideologien des Rassismus und der Ungleichheit der Menschen. Außerdem prägt der Widerspruch zwischen den Interessen des großen Kapitals und den Lebensinteressen der großen Mehrheit des Volkes die anhaltenden Kämpfe insbesondere gegen die Zerstörung der Umwelt und die Führung immer neuer Kriege.

Etwa alle acht Jahre verdoppelt sich weltweit die Summe der Zockerbillionen. Die Reallöhne der Mehrheit der Lohnabhängigen sinken. Der Anteil der Prekarisierten (der Niedriglöhner, der Mini-Jobber, der befristet beschäftigten Lohnabhängigen, der Leiharbeiter, der Arbeitslosen) schwankt zwischen etwa 30 Prozent in Deutschland und etwa 50 Prozent in solchen Ländern wie Griechenland, Portugal und Spanien. In zahlreichen Ländern hat eine Mehrheit der Jugendlichen (das sogenannte Praktikariat) keine tragfähige Lebensperspektive mehr. Zugleich ist „Prekarität überall“ (Pierre Bourdieu), d. h. die soziale Unsicherheit bedroht alle Lohnarbeiter, selbst die Kernbelegschaften der Großbetriebe. Sie erfasst bzw. bedroht ebenfalls die Mittelschichten (bzw. die Mittelklasse). Zugleich gibt es eine zunehmende Spreizung der Lohnabhängigeneinkommen. Die Reallohnverluste treffen insbesondere die unteren Einkommensschichten. Etwa zehn Prozent konnten unter den Bedingungen der neoliberalen Kapitaloffensive in Deutschland ihre Einkommen erhöhen; bei rund 20 Prozent gibt es eine Stagnation der Einkommen.

Drittens: Ohne mobilisierte Klasse weder Politikwechsel noch erfolgreiche Revolution

In der linken Debatte fehlt oft die unmissverständliche Klarstellung, dass ohne eine mobilisierte und organisierte Klasse der Lohnarbeiter und ohne andere Klassenmachtverhältnisse sowohl ein neuer Sozialismus, aber auch ein Politikwechsel lediglich „interessante Idee(n)“ (Heinz Jung) bzw. ein realitätsferner „Mythos“ (Antonio Gramsci) sind. Ohne diese Grunderkenntnis wird linke Politik zu einem systemkonformen Unternehmen. Vor allem in Teilen der Partei „Die Linke“ dominieren, besonders bei den ostdeutschen Funktionsträgern, seltsame naive Vorstellungen über die Voraussetzungen linker Politik, die gegen alle geschichtlichen Erfahrungen und gegen gesicherte Erkenntnisse über die Funktionsweise der kapitalistischen Gesellschaft stehen. Revolutionen à la Oktoberrevolution seien sowieso nicht mehr möglich. Revolutionen würden sich als allmähliche Evolutionen, als Transformation des Kapitalismus vollziehen. Ein Politikwechsel sei schon nach der nächsten Bundestagswahl möglich. Auf parlamentarischem Wege (mit Hilfe außerparlamentarischer Bewegungen) könne man mit der SPD und den Grünen „in Regierungsverantwortung“ den Neoliberalismus durch eine Politik der Umverteilung von Oben nach Unten, der sozialen Gerechtigkeit, der ökologischen Nachhaltigkeit und des Friedens ablösen.

Wie immer, wenn man vom Wesentlichen abstrahiert, hat man keinen Zugang zur Wirklichkeit und zur Wahrheit. „Wesentlich“ sind: Zum einen wird negiert, dass das politische System und der Staat keine Felder gleichberechtigter Auseinandersetzung der Gesellschaftsklassen oder auch der politischen Parteien um Politik im Interesse „des Gemeinwohls“ sind. Sie sind historisch gewachsene, effektive Institutionen kapitalistischer Klassenmacht, die mit groben, aber auch sehr subtilen Mitteln dafür sorgen, dass das bestehende System der politischen und rechtlichen Unterordnung der Gesellschaft unter die Interessen des großen Kapitals funktionsfähig bleibt. Wer sich hier einordnet, wird belohnt, wer dagegen hält, wird bekämpft. Zum anderen steht dem wünschenswerten gesellschaftlichen Wandel in Richtung humanitärer gesellschaftlicher Verhältnisse die Funktionsweise der kapitalistischen Produktionsweise entgegen. Im Klassenkampf durchgesetzte Verbesserungen der Lebenslage und der Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen sind stets in Gefahr, alsbald wieder beseitigt zu werden. Nicht nur das bestehende Herrschaftssystem, auch der elementar wirkende Modus der Kapitalvermehrung verhindert (es sei denn er wird „vermittelst despotischer Eingriffe in das Eigentumsrecht“ eingeschränkt – Karl Marx/Friedrich Engels) ein Fortschreiten von Reformen zu grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen. Schließlich kann ein Politikwechsels wie auch die Öffnung eines Weges zum Sozialismus nur durchgesetzt werden, wenn sich rechtzeitig gesellschaftliche Kräfte in ausreichender Größe, Organisiertheit und Kampfkraft finden, die entsprechend ihren Interessen diesen Kampf aufnehmen. (…)

Text/Fotos: mami

 

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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