Aus Bewegungen und Parteien


13.10.2013: "Verstärken wir unsere Zusammenarbeit. Nutzen wir die Europawahl, um am Aufbau einer europäischen Widerstandsfront gegen die Sparpolitik zu arbeiten!" - mit diesem Appell von Giorgos Chondros (SYRIZA) endete in Hamburg die einwöchige, von kommunisten.de organisierte Veranstaltungsreihe „Griechenland – Solidarität“. Die örtlichen Veranstalter in Saarbrücken, Konstanz, Gelsenkirchen, Elmshorn und Hamburg waren in der Regel die örtliche DKP und DIE LINKE; in Saarbrücken war attac dabei, in Hamburg lag die Federführung beim Freundeskreis „Lebendiger Marxismus“. Obwohl die UZ die Veranstaltungen in ihrem Terminkalender ignorierte und bei bezahlten Anzeigen verlangte, dass die örtliche DKP als Mitveranstalter nicht erwähnt wird, nahmen zahlreiche DKP Mitglieder an diesen Versammlungen teil.

Zwar wussten die Besucher, dass die Krise zu massivem Sozialabbau in Griechenland geführt hatte, trotzdem war die Betroffenheit groß, wenn Giorgos Chondros konkrete Beispiele für die humanitäre Katastrophe anführte. Aber auch mit den statistischen Daten konnten sich die Zuhörer eine Vorstellung von der Verarmung machen:

  • Zwischen 2009 und Februar 2013 erlitten 93 % aller Haushalte einen durchschnittlichen Einkommensverlust von 38%.
  • Gegenwärtig wird die Arbeitslosenrate mit 27% angegeben. Für die nächsten zwei Jahre werden 36 % prognostiziert.
  • Von den 1,5 Mio. registrierten Arbeitslosen erhalten lediglich 200.000 Arbeitslose eine klägliche Arbeitslosenunterstützung zwischen 180 – 468 €. Nach 5 bis 12 Monaten endet die Unterstützung und damit die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung. So dass sich inzwischen
  • über 3 Millionen GriechInnen ohne Kranken- und Rentenversicherung durchs Leben schlagen müssen.
  • Über Hunderttausend Wohnungen ist Strom und Heizung abgestellt.
  • Schulen und Krankenhäuser werden geschlossen, Krankenhäuser sind nicht mehr bezahlbar.

Erschütternd die zahlreichen exemplarischen Beispiele, die er für die soziale Not der Menschen anführte: einer Familie mit Kleinkindern wird Strom und Heizung abgedreht, jetzt zu Beginn des Winters. Eine vierköpfige Familie wird von der Regierung aus ihrer Wohnung geworfen, weil sie die Steuern nicht mehr bezahlen konnte. Zwar sind Zwangsräumungen durch die Banken noch verboten. Aber Ende des Jahres läuft das netsprechende Gesetz aus, so dass nun auch noch massenhafte Obdachlosigkeit droht, denn immerhin werden 63% aller Wohnungskredite nicht mehr bedient.

Er selbst bekommt als Bürgermeister des Bergdorfes Mesochora seit zwei Jahren kein Gehalt mehr – ohnehin nur 300 Euro monatlich. Auch der Gemeindearbeiter steht ohne Gehalt da, weil die Zentralregierung vor zwei Jahren den Finanzhahn für die Gemeinden zugedreht hat. Da die Gemeinden in Griechenland keine eigenen Steuern oder auch nur Abgaben erheben können, müssen sogar die Büromittel für die Gemeindeverwaltung aus der eigenen, immer kleiner werdenden Tasche bezahlt werden. Er ist, wie ca. 3 Millionen andere Griechen, nicht mehr krankenversichert, weil er die Beiträge nicht mehr bezahlen konnte. Aber selbst die Mitgliedschaft in der Krankenkasse ist keine Gewähr dafür, dass man im Krankenhaus behandelt wird. Krebsvorsorge, etc. wird von der Krankenkasse nicht mehr bezahlt. Schwangere werden von den öffentlichen Krankenhäusern nur noch aufgenommen, wenn sie vorab die Krankenhaus-Rechnung bezahlen. Auf die Kranken- und Pensionskasse war im vergangenen Jahr der größte Teil des ersten Schuldenschnittes abgewälzt worden, damit die Privatbanken ungeschoren davon kommen konnten. Jetzt sind die Versicherungskassen am Rande der Pleite.

Solidarität und Widerstand
Chondros berichtete aber auch von der Solidarität die entsteht und den Widerstand unter diesen widrigen Lebensbedingungen erst möglich macht. Das Solidaritätsnetzwerk „Solidarität für Alle“ vernetzt die zahllosen Initiativen, die überall entstanden sind und den Menschen beim Überleben helfen: Da werden soziale Kliniken eingerichtet, in denen Ärzte stundenweise und kostenlos die nicht mehr Versicherten behandeln. Da wird Schulunterricht gratis angeboten, Kleider- und Essensammlungen, aber auch Demonstrationen und Streiks werden organisiert. Schwangere Frauen werden von Hunderten in die staatlichen Krankenhäuser begleitet, um ihre Behandlung zu erzwingen. Solidarität mit Streikenden wird organisiert, wie z.B. vor drei Wochen mit den LehrerInnen, die gegen die drohende Entlassung von 12.000 LehrerInnen protestierten.

Aber auch die landesweite Solidarität mit dem Widerstand gegen die Goldmine in Chalkidiki ist ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor. Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen zwischen den BürgerInnen, die gegen den Ausbau der Goldminen durch die kanadische »Eldorado Gold«  protestieren, und Kräften der Polizei, die auch Tränengas und Schockgranaten einsetzen um den Widerstand zu brechen. Dutzende von EinwohnerInnen sind inhaftiert, weil sie beschuldigt werden, Betriebsanlagen beschädigt zu haben. Zu einem Solidaritätskonzert in Thessaloniki am 4. Oktober kamen 40.000 Besucher, so dass Erinnerungen an das Konzert mit Mikis Theodorakis nach dem Ende der Obristendiktatur wach wurden.

Doch auch der Ort, in dem Giorgos Chondros Bürgermeister ist, ist legendär. Die zwischen 1996 und 2001 gebaute Talsperre bei Mesochora soll einen der größten Stauseen Griechenlands aufstauen. Schon seit Jahren soll das Dorf im Wasser verschwunden sein. Aber bis heute verhindert der entschlossene und solidarische Widerstand das Fluten des Tales.

Es ist dieser Widerstand und diese Solidarität, die die griechische Regierung brechen will. Die neuste Masche sei, so berichtete Chondros, dass Regierung und Medien sich auf das Paradigma der „zwei Extreme“ verständigt haben. Das eine Extrem, die Faschisten, sei mit der Inhaftierung der Führung der faschistischen »Goldenen Morgenröte« zerschlagen; jetzt gehe es darum, das andere Extrem, die Protestbewegung und v.a. SYRIZA unschädlich zu machen. Für SYRIZA und die antifaschistische Bewegung in Griechenland stehe deshalb die Bildung breiter Bündnisse zum Kampf gegen die Faschisten und für die Verteidigung der Demokratie ganz oben auf der Tagesordnung.

Da die faschistische Propaganda auf dem Boden der sozialen Verwüstung gedeihe, sei der antifaschistische Kampf untrennbar mit dem Kampf für die Beendigung der Austeritätspolitik und der Bildung einer Linksregierung verbunden, betonte Chondros immer wieder.

Programm einer Linksregierung
Chondros zeigte sich optimistisch, dass in absehbarer Zeit die Regierung stürzen und die Möglichkeit einer Linksregierung entstehen werde. SYRIZA habe ein Regierungsprogramm für 10 Tage, für 10 Monate und 10 Jahre, sagte Chondros.
Zuerst müssten die Memoranden mit der Troika außer Kraft gesetzt und mit einem staatlichen Sofortprogramm die soziale und wirtschaftliche Katastrophe überwunden werden:

  • Erhöhung des Mindestlohnes von 586 € auf 751 €
  • Gesundheitsvorsorge und Bildung für Alle
  • Wohnung und Lebensmittel für Alle
  • Zugang zu Energie, Wasser, Kommunikation, Heizung für Alle
  • Schutz der Wohnung vor Zwangsräumung durch die Banken

Gleichzeitig müsse mit einer öffentlichen Überprüfung der Schulden und der Streichung der illegitimen Schulden, die einen erheblichen Teil der Schulden bilden, begonnen werden. Über Zinsen und Tilgung der verbleibenden Schulden werde dann neu verhandelt. Klar sei, dass dabei die Bedürfnisse der Bevölkerung Griechenlands vor den Interessen der Gläubiger rangieren.

Die Banken, die sich wegen der Rekapitalisierung durch den Staat mehrheitlich in staatlichen Besitz befinden, aber nach wie vor von den korrupten Privateigentümern geleitet werden, müssten schnell öffentlich kontrolliert und vergesellschaftet werden; auch um mit der Unterstützung durch öffentliche Banken ein neues Produktionsmodell in Griechenland aufbauen zu können.
(siehe auch THE ECONOMIC PROGRAM OF SYRIZA-EKM)

Bei allen Veranstaltungen gab es hier die meisten Fragen und die heftigste Diskussion. Wie kann die Wirtschaft stabilisiert und entwickelt, wie die Arbeitslosigkeit überwunden werden? Wie realistisch ist eine Mehrheit der Linken? Mit wem wird eine Linksregierung gebildet? Wie ist die Haltung der KKE? Kann sich eine Linksregierung gegenüber dem Druck von internationalen Finanzmärkten, EU, IWF, Nato und innerer Reaktion behaupten? Raus aus dem Euro? Wie ist die Verflechtung von Faschisten und Polizei?

Chancen für eine Linksregierung?
Chondros zeigte sich optimistisch für die Möglichkeit einer Linksregierung. Gegenwärtig lägen SYRIZa und die konservative Nea Dimokratia Kopf an Kopf, mit einem leichten Vorsprung für SYRIZA. Aber natürlich könne keine Meinungsumfrage die Menschen ersetzen, die auf den Straßen kämpfen und sich engagieren. Die Entwicklung des Widerstandes gegen die Sparpolitik, gegen die Faschisten und zur Verteidigung der Demokratie werde ausschlaggebend sein. SYRIZA wolle mit allen parlamentarischen und außerparlamentarischen linken Kräften eine Regierung bilden. Ein Aufeinanderzugehen der linken Kräfte würde einen Impuls für die gesamte griechische Gesellschaft geben und Hoffnung verbreiten, meinte Chondros. „Der Stuhl für die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) bleibt immer frei“, sagte er. Das Problem sei, die bisherige Feindseligkeit der KKE gegen SYRIZA und eine Linksregierung.

Ein riesiges Problem sei die Übermacht der bürgerlichen Medien. Nachdem die Regierung das staatliche Radio und Fernsehen ERT über Nacht geschlossen hat, beeinflussen nur noch eng mit der Regierung verbundene Privatsender die öffentliche Meinung. Da sei es ein schwerer Schlag, dass nun auch noch die KKE, die als Einzige im linken Spektrum über einen landesweiten Fernsehsender verfügte, diesen für 3,7 Millionen Euro an eine Holding in Zypern verkauft habe. Wegen finanzieller Schwierigkeiten war das TV Programm bereits im Sommer 2012 eingestellt worden. Linke Journalisten hatten vorgeschlagen den Sender als gemeinsames Projekt der linken Kräfte Griechenlands zu betreiben, um der bürgerlichen Propaganda etwas entgegensetzen zu können. Dieser Vorschlag war von der KKE kategorisch abgelehnt und nun mit dem Verkauf an einen Investor beantwortet worden. Dass eine der Vertragsbedingungen ist, den Sender ohne Beschäftigte zu übergeben, falle angesichts der politischen Bedeutung kaum mehr ins Gewicht.

Eine wichtige Bedingung für eine Linksregierung in Griechenland sei die Entwicklung der internationalen Solidarität und die Bildung einer europaweiten Widerstandsfront gegen die Austeritätspolitik. Das Regierungsprogram von SYRIZA sei ein Programm, das auch den ArbeiterInnen in den Kernländern der EU und der Eurozone nützen würde, meinte Chondros. Es gebe große Übereinstimmung mit den Forderungen der sozialen Bewegungen, der Gewerkschaften und linken Parteien im restlichen Europa. Deshalb sollten die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2014 genutzt werden, um enger zusammen zu arbeiten, sich besser abzustimmen und am Aufbau dieser europaweiten Widerstandsfront zu arbeiten. Die Zukunft liege nicht in einem Rückfall in die Nationalstaaten, sondern im gemeinsamen Kampf für den Bruch mit der heutigen Europäischen Union und für ein solidarisches, demokratisches, ökologisches und friedliches Europa.

Neben dieser politischen Solidarität gehe es aber auch um materielle Solidarität, erklärte Chondros immer wieder: Medikamente. Ausrüstung für die Sozialkliniken, Schulhefte, ... . Bei allen fünf Veranstaltungen wurden Kontakte hergestellt, um künftig nicht nur politisch zusammen zu arbeiten, sondern auch materielle Solidarität zu entwickeln.

 

In Radolfzell bei Konstanz wurde die imposante Skulptur "Kampf um Europa" besichtigt: Die phönizische Prinzessin ist gefesselt, von Lobbyisten belagert, Finanzminister und Banken saugen an ihren Brüsten, Scheuble hat ihr einen Walkürenhelm übergestülpt, Merkel liefert die Panzer. Und Zeus? Er flieht.
Der
Bildhauer Peter Lenk hatte in Konstanz bei der Veranstaltung "Griechenland - Solidarität" teilgenommen und mit Giorgos Chondros eine engere Zusammenarbeit vereinbart.

txt: lm
fotos: lm

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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