Europa

alt09.09.2011:  Unterdrückung erzeugt Widerstand. Nach dem 'Sieg' von EU/NATO und ihren Rebellen in Libyen haben eine ganze Reihe von Ländern begonnen, über die Bedeutung dieser gewalttätigen Durchsetzung des westlichen Hegemonieanspruches und ihre eigenen Schlussfolgerungen daraus nachzudenken. Am heutigen Freitag beraten die lateinamerikanischen Staaten der ALBA-Gruppe, wie sie sich selbst gegen solche Hegemonialpolitik international schützen können. In Weißrussland äußerte sich gleichzeitig Staatspräsident Alexander Lukaschenko vor Journalisten über einige ähnliche Aspekte. Er reagierte damit auch auf die offenen Drohungen der EU-Außenminister bei ihrem informellen Treffen vor einer Woche im polnischen Sopot.

Die EU-Außenminister hatten sich bei dieser Tagung besonders auf die Auseinandersetzungen bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 zwischen oppositionellen Kräften und der Staatsmacht Weißrusslands bezogen und - wie üblich bei unbotmäßigen Regierung - sich einseitig auf die Seite der Opposition geschlagen. In diesem Zusammenhang sagte Lukaschenko, dass alles Gerede darüber, dass Weißrussland um westliche Hilfen durch Freilassung der wegen Massenkrawallen am Wahlsonntagabend des 19.12.2010 verurteilten Politiker feilsche, völliger Unsinn sei.

Die Gerüchte, die Lukaschenko ansprach, waren in den letzten Tagen zunehmend verstärkt aus dem Lager der oppositionellen Kräfte laut geworden. Demnach sei die Staatsmacht angesichts finanzieller Not des Landes und dem Wunsch nach einem Kredit aus dem Westen angeblich zu Konzessionen bereit, und würde die wegen gewalttätiger Angriffe auf Staatsgebäude inhaftierten Teilnehmer der Massendemonstrationen am 19. Dezember 2010 freilassen. Alexander Lukaschenko kommentierte diese Behauptungen mit den Worten: "Wir feilschen mit niemand um etwas. Das interessiert uns nicht. Wenn jemand glaubt, dass wir in der Krise über die 'fünfte Kolonne' im Westen nach Hilfe suchen, so stimmt das nicht. Das ist völliger Quatsch. Der Westen hat uns nie unterstützt und wird es in der Zukunft kaum tun."

Weiters wies er darauf hin, dass das weißrussische Strafgesetzbuch keine Verhaftung aus politischen Gründen vorsehe. Teilnehmer der Massenunruhen des 19. Dezember könnten durchaus begnadigt werden, das habe er auch im Mai in Kasachstan gesagt: "Kommt die Zeit, lassen wir alle frei. Wir sind nicht blutdürstig." Und der Staatspräsident betonte den vom Westen immer vertuschten und verheimlichten Unterschied zwischen einer innerstaatlichen "wahren" Opposition und dem, was man gemeinhin eine "Fünfte Kolonne" nenne: "Die 'wahre' Opposition liebt ihr Land und ihre Bürger, auch wenn sie mit dem aktuellen politischen Kurs nicht einverstanden ist. Wer sich jedoch derzeit in Weißrussland Opposition nennt, will nur Geld verdienen. Diese Leute tun alles, um das Land zu ruinieren und an die Macht zu gelangen."

Alexander Lukaschenko ging auch auf Gerüchte ein, er plane so etwas wie eine Familien-Staatspräsidentschaft und bereite seine Söhne auf diese Machtposition und ihre Erringung vor. Er versicherte den Journalisten: "Ich habe keine Angst die Macht abzugeben und habe sie nie gehabt. Ich bin nicht erst gestern an die Macht gekommen. Deswegen, wenn das Volk entscheidet, dass hier jemand anderer sein soll, na bitte sehr. Hier gibt es keine erbliche Präsidentschaft. Ich bereite meine Söhne auf die Präsidentschaft nicht vor, wie man da aus vollem Halse schreit", betonte der Staatschef.

Mit ironisierendem Bezug auf Berichte in den Massenmedien des Landes über Sorgen des Staatspräsidenten, dass das Ausland mittels Ausschreitungen, 'Erhebungen' und Erzeugung von Unruhen einen verfassungswidrigen Umsturz herbeiführen wolle, sagte Lukaschenko: "Denkt aber daran, dass da dann nicht nur deren 'Erben' sitzen werden, wenn sie die Macht gewonnen haben, sondern auch Berater aus entsprechenden Strukturen. Was mit Weißrussland dann weiter sein wird, das wissen Sie schon heute. ... Sie sollten solche Hoffnungen aufgeben, wir überlassen ihnen das Land nicht, damit sie es aufteilen und verwüsten." Lukaschenko hatte Ende August eine Initiative im Bündnis der GUS-Staaten gemacht, gemeinsam Vorsorge gegen innere Staatsstreiche durch von außen gesteuerte Unruhen 'Fünfter Kolonnen' zu treffen.

Trotz alldem sei Weißrussland jedoch am Ausbau guter Beziehungen zu den westlichen Staaten interessiert. Er betonte gegenüber den Journalisten: "Wir haben immer den Dialog mit dem Westen angestrebt. Ich möchte ein gutes Verhältnis meines Landes zum Westen haben. Wir brauchen keine schlechten Beziehungen." Er wies dabei auf den Warenaustausch mit der EU hin, dieser Außenhandel sei größer, als der mit der russischen Föderation.

Zum Ausbau der Beziehungen Weißrussland gehöre auch die Erweiterung der Freizügigkeit: sowohl bei Reisen von Weissrussen in den Westen, als auch für Westler, die Weißrussland besuchen wollen. Alexander Lukaschenko wies auf das seiner Meinung nach völlig falsche und unwahre Bild hin, dass die westlichen herrschenden Medien von Weißrussland zeichneten. Der Unterschied zur Wirklichkeit sei extrem, worauf auch immer wieder Ausländer hinwiesen, die sein Land besuchten. "Ich möchte, dass die ganze Welt unser Land als ein zivilisiertes Land und unsere Menschen als kluge und gescheite ansieht", sagte der weißrussische Staatspräsident.

Jedoch, so ergänzte er, werde Weißrussland seine Beziehungen zum Westen nicht auf Kosten und zum Nachteil der Beziehungen zu Russland und China ausweiten und verbessern. In den Beziehungen zu diesen beiden großen Mächten habe Weißrussland eigene, unverzichtbare Interessen.

In seinem Gespräch mit Journalisten ging Alexander Lukaschenko auch auf die Politik des ausländischen Druckes und der Einmischung durch den Internationalen Währungsfond (IWF) ein. Die von dieser Organisation erhobenen politischen Forderungen seien für ihn unzumutbar. Forderungen nach Freilassung politischer Gefangenen hätten nichts mit der IWF-Aufgabe zu tun: "Warum werden politische Forderungen gestellt, wenn der IWF nur eine Finanzinstitution ist?" fragte Lukaschenko. Die Institution zeige "ihr wahres Gesicht" (als westliches Instrument der Hegemonieansprüche), wenn sie als erste und sozusagen Vorbedingung für Kredite die Freilassung 'politischer' Häftlinge verlange.

Der Staatspräsident wies darauf hin, dass Regierung und Nationalbank ein strategisches Maßnahmenpaket zur Stabilisierung des weißrussischen Finanzmarktes erarbeitet und beschlossen hätten. Der IWF könne prüfen, inwieweit dieser Plan seinen Empfehlungen entspreche, und dann im Notfall mit Hilfeangeboten heranrücken. Der IWF solle klar sagen, ob er helfen will oder nicht, betonte Lukaschenko.

Vor den Journalisten ging er dann noch einmal direkt auf Lehren und propagandistische Lügen der EU/NATO im Zusammenhang mit dem Krieg in Libyen ein und kritisierte deren Doppelmoral in Sachen Demokratieforderungen und Demokratiebekundungen vor: "Von welcher Demokratie kann denn noch die Rede sein, wenn ein ganzes Land wie Libyen zerbombt worden ist? Wieso mischen die sich in die Angelegenheiten eines fremden Staates ein?" Und der Staatspräsident merkte an, dass der Westen in Sachen Demokratie durchaus viel von Weißrussland lernen könne. Aber "Weißrussland privatisieren, unter Druck setzen und fremde Währung einführen – das wird nie geschehen", sagte er.

Man kann nur hoffen, dass die weißrussische Staatsführung das aus diesen Erklärungen sprechende Bewusstsein für die Gefahren seiner Souveränität und Unabhängigkeit auch in eine kluge Politik zugunsten des eigenen Volkes und zur Abwehr der angesprochenen Gefahren umsetzen kann.

Text: hth  /  Quelle: www.belta.by  /  Foto: chavezcandanga