Der Kommentar

04.08.2011: Als Ende Juli das Massaker in Oslo geschah, standen alle Terrorismus- Experten bereit, um sogleich zu erklären, wieso der islamische Terror nun auch Norwegen erreicht habe. Wahrscheinlich hatten die Innenminister der verschiedenen europäischen Länder bereits ihre Wochenplanung darauf ausgerichtet, in Brüssel zu einer Sondersitzung zusammenzutreffen, um verschärfte Sicherheitsmaßnahmen „zum Schutz der Bevölkerung vor islamischem Terror“ zu ergreifen.

Dann stellte sich jedoch heraus, dass der Täter „nur“ ein rassistischer und islamophober Rechter war, der bei seinem Bombenanschlag und dem Massaker auf der Insel Utoya knapp 80 Menschen ermordete. Daher bliesen die Innenminister ihre Sondersitzung ab und setzten das Thema auf die Tagesordnung ihrer regulären Septembersitzung. Nun haben sie knapp sechs Wochen Zeit, um eine „angemessene europäische Antwort auf die Ereignisse“ zu finden. Dabei sind die Antworten gar nicht so schwer. Sie müssten lauten:

  1. Die Europäische Union verurteilt alle Formen von Rassismus und tritt ein für religiöse Toleranz, wie es offiziell in der Gründungserklärung der EU formuliert wurde. Dabei muss deutlich werden, dass die wirkliche Bedrohung der Freiheit und des friedlichen Miteinanders der Völker der Rassismus ist und nicht irgendeine Religion.
  2. Das bedeutet aber, sich klar vom staatlichen Rassismus z. B. eines Nicolas Sarkozy zu distanzieren, der rumänische Roma zwangsweise aus Frankreich abschieben ließ, und die soziale Diskriminierung der Roma in Ungarn zu stoppen, statt Maßnahmen zur Zwangsarbeit noch mit EU-Mitteln zu finanzieren.
  3. Die EU stoppt die italienische Flüchtlingspolitik, die mit menschenverachtenden Lebensbedingungen versucht, Flüchtlinge abzuschrecken, statt ihnen das Recht auf persönliche Sicherheit zu gewährleisten.
  4. Das Europäische Parlament verabschiedet nicht nur Entschließungen zur Toleranz und Gleichberechtigung in Europa, sondern verurteilt die rassistische und rechtspopulistische Hetze eines Gert Wilders in den Niederlanden, einer „Volkspartei“ in Dänemark, der „wahren Finnen“ oder der BZÖ in Österreich und anderer Parteien in aller Klarheit. Koalitionen mit solchen Parteien müssten zu Sanktionen auf europäischer Ebene führen.

Da aber solche Entscheidungen von den EU-Innenministern nicht zu erwarten sind, bleibt den demokratischen Kräften in Europa nichts anderes übrig, als weiterhin selbst und in breiten Bündnissen gegen Rassismus und rechten Terror in der Gesellschaft und auf den Straßen aktiv zu werden.

Gastkolumne von Ulrich Schneider, Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) Bund der Antifaschisten für die UZ vom 05.08.2011

Foto: VVN/BdA