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Iran Logo Linkspartei17.07.2019: Vom 12. bis 14. Juli 2019 kamen ca. 150 Mitglieder der Linkspartei Irans (Volksfedajin) – LPI (VF) - im ehemaligen Kapuzinerkloster in der niederländischen Gemeinde Biezenmortel zu ihrem ersten ordentlichen Parteitag zusammen. Viele kamen aus Deutschland, aber auch aus sieben weiteren europäischen Ländern sowie den USA und Kanada, Brasilien und aus dem Irak.

Am 1. April 2018 hatten sich in Köln drei Strömungen der iranischen Volksfedajin zur Linkspartei Irans (Volksfedajin) zusammen. Die Organisation der Volksfedajin Iran (Mehrheit), persisch Sazman Fadaian Chalgh Iran (Aksariat), ist nach eigener Aussage die größte sozialistische Partei des Irans. Die marxistischen Volksfedajin sind als Organisation seit 1971 im Iran tätig. Sie kämpften in tiefer Illegalität gegen das diktatorische Schahregime, zeitweise auch im bewaffnenden Widerstand. Nach dem Sturz Pahlevis im Jahr 1979 folgte eine kurze Periode der Legalität bevor sie von dem theokratischen Mullahregime wieder in den Untergrund gedrängt wurden. Tausende Mitglieder der Volksfedajin wurden von der religiösen Diktatur eingesperrt, gefoltert, ermordet oder ins Exil getrieben.

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Auf dem Parteitag standen neben der Analyse der aktuellen Situation im und um den Iran die Erarbeitung von Grundzügen eines Parteiprogramms und eines Statuts auf der Agenda. Ziel der LPI (VF) ist es, gemeinsam mit anderen linken, demokratischen und säkularen Kräften die "Vormundschaft der Rechtsgelehrten" zu beseitigen als Voraussetzung für eine demokratische, soziale und friedliche Entwicklung des Iran. Gleichzeitig gelte es die Sanktionen und Einmischung von außen durch die USA und andere zu beenden und einen Krieg zu verhindern.

Nach Einschätzung der LPI (VF) befindet sich die Islamische Republik Iran in der Sackgasse und hält sich nur noch mit ihrem Sicherheitsapparat, ihrer restlichen sozialen Basis und mithilfe einer Schicht von korrupten Kapitalisten an der Macht. Diese Macht liegt vor allem in den Händen des Apparats des obersten Führers Ali Khamenei und der Revolutionswächter als der stärksten militärischen Organisation. Auch die sog. Reformer in der Islamischen Republik seien ohne Konzept für die Beendigung der Krise. Die Wirtschaft ist geprägt von strukturellen Problemen, Inflation, neoliberaler Politik, ökonomischer Macht des Militärs, Zusammenbruch des Rentensystems, Schließung von Betrieben.

Die Umwelt in Iran wurde zunehmend zerstört; zu den Folgen der Klimakatastrophe kommen die Folgen der Misswirtschaft hinzu; darunter die Vernichtung der Vegetation, das Versiegen der Frischwasserquellen, der zunehmende Feinstaub und die immer wiederkehrenden Überschwemmungen.

Mit scharfer Repression gingen die Mullahs gegen die seit 2018 wieder zunehmenden politischen und sozialen Proteste vor, in denen die Forderungen nach politischer Freiheit und sozialer Gerechtigkeit zusammenkommen; Proteste gibt es seitens der Arbeiter*innen, Lehrer*innen, Rentner*innen etc...

Auf dem Parteitag wurden teils kontroverse Positionen heftig diskutiert, so z.B. der Umgang mit der ethnischen Vielfalt im Iran. Die Spannbreite der Ansichten gingen z.B. in den Grußworten verschiedener kurdisch-iranischer Parteien sowie der Parteitagsdelegierten vom Recht auf Sezession z.B. der Kurden, über die Forderung nach einem föderalen Iran bis hin zu einem einheitlichen Zentralstaat. Neben den Vertreter*innen weiterer iranischer Organisationen sprach auch ein Vertreter der kommunistischen Tudeh-Partei. Angenehm war, dass trotz teils kontroverse Positionen und auch kritischer Aussagen in einigen Grußworten in einem Klima der Solidarität diskutiert wurde.

Als europäische Gäste nahmen an dem Parteitag Julia Monossowa und Volker Metzroth für die marxistische linke sowie Julia Wiedemann für die Partei DIE LINKE teil. Die Grußworte der Beiden (siehe unten) fanden große Zustimmung von Seiten der LPI (VF), aber auch von Vertreter*innenn anderer Organisationen. In Kürze erscheint ein mit Genoss*innen der LPI (VF) gemeinsam verfasster Bericht mit detaillierteren Informationen über Verlauf und Ergebnisse des Parteitags.

txt: Volker Metzroth


Grußwort der marxistischen linken an den Parteitag der Linkspartei Irans am 13.07.2019

gesprochen von Volker Metzroth

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich grüße Euch namens der marxistischen linken. Kurz ein paar Worte, wer wir sind.

Seit unserer Gründung 2014 arbeiten wir als Marxist*innen, die teils parteilos, teils in Parteien wie DKP und LINKE organisiert sind, als aktive Gewerkschafter*innen und Mitglieder der Friedensbewegung bundesweit zusammen. Uns geht es unter anderem darum, den Einfluss der marxistischen Gesellschaftsanalyse und die Verbreitung marxistischen Wissens und dialektischen Herangehens zu verstärken, die politische und ökonomische Emanzipation der arbeitenden Klasse zu befördern und zum gemeinsamen Handeln der demokratischen und alternativen Linken in Deutschland sowie auf internationaler Ebene beizutragen. Wir haben einen Partnerschaftsvertrag mit der Parte der Europäischen Linken, der uns die beratende Teilnahme an Sitzungen und Konferenzen erlaubt.

Die linken Kräfte in Deutschland verfolgen seit Jahrzehnten mit Interesse die Entwicklungen im Iran, z.B. den Kampf in den früher 50er Jahren unter Premierminister Mossadegh, der den Ölreichtum des Landes den multinationalen Konzernen entreißen und den Iranern zurückgeben wollte. Sein von der CIA gelenkter Sturz und die Installierung des Schah-Regimes war der Auftakt zu Jahrzehnten blutiger Interventionen der imperialistischen Mächte in dieser Region bis heute.

Der Sturz des Schahs 1979 ließ eine kurze Zeit lang die Hoffnung keimen, dass sich nun Verhältnisse durchsetzen könnten, unter denen die demokratischen und sozialen Rechte des Volkes mehr Beachtung fänden. Die religiösen Führer aber errichtenden ein in seinen Grundlagen kapitalistisches System mit reaktionärem klerikalem Überbau. Dem fielen viele Tausende Linke zum Opfer, auch Mitglieder von Euch. Weiterhin unterdrücken die Mullahs jeden Ansatz marxistischer Politik ebenso wie die Gewerkschaften, teils mit terroristischen Methoden. Dennoch lesen wir immer wieder Berichte von Kämpfen z.B. der Arbeiter in der Ölindustrie. Hier Solidarität auch in Deutschland zu organisieren, sehen wir als Mitglieder der marxistischen linken auch als unsere Aufgabe.

Derzeit befürchten die friedliebenden Menschen, dass die USA und ihre Verbündeten einen Krieg gegen den Iran beginnen könnten. Dieser vierte Golfkrieg, nach dem des Irak mit westlicher Unterstützung gegen den Iran 1980 bis 1988 und den beiden Kriegen der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak, könnte nicht nur in der Region zu bisher nicht gekannten Zerstörungen und dem Leiden von Millionen Menschen führen. Er könnte auch zu einer weltweiten militärischen Konfrontation führen, z.B. dadurch, dass vielen Ländern die Ölversorgung abgeschnitten würde und die USA dann ihr Fracking-Öl teuer anbieten könnten.

Seit Jahren wird die Konfrontation auch in Europa angeheizt durch das Gerede von der "iranischen Gefahr". Keine der bestehenden Atommächte in der Region, wie Israel, Indien oder Pakistan, werden als Bedrohung dargestellt, sondern der Iran, der seit Jahrhunderten kein anderes Land angegriffen hat. Das Atomabkommen, das die Lage entschärft hatte, wurde von den USA einseitig aufgekündigt, gleichzeitig verlangt Trump und Netanjahu, dass sich der Iran weiter daran zu halten habe.

Wir sind überzeugt, dass alle friedliebenden Kräfte für eine kernwaffenfreie Zone im Nahen Osten, in Westasien kämpfen müssen. Dazu gehört auch, die Lieferung von Atomtechnologie an das saudische Regime zu verhindern. Ein Regime, das mit westlichen Waffen mit seinem Krieg gegen den Jemen eine der größten humanitären Katastrophen der jüngeren Zeit zu verantworten hat. Auch deshalb fordern wir ein Verbot des Exports deutscher Rüstungsgüter nicht nur in die Golf-Region.

Bei nicht wenigen wohlmeinenden Menschen in Deutschland kommen Aussagen, man müsse jetzt etwas gegen das Mullah-Regime unternehmen, gut an. Wobei viele von denen, die lauthals unter Hinweis z.B. auf die Kleiderordnung für Frauen ein Eingreifen fordern, sich nie darüber aufregten, dass im Iran Tausende Oppositionelle ermordet wurden.

Den Wohlmeinenden sagen wir: die inneren Verhältnisse im Iran sind Sache der Iraner*innen, sie rechtfertigen weder einen wirtschaftlichen Boykott, noch ein militärisches Vorgehen. Die ständigen Drohungen sind für alle fortschrittlichen Kräfte im Iran nachteilig, weil sie den Mullahs die Gelegenheit geben, von ihren selbstgemachten wirtschaftlichen Problem abzulenken und ihre Kritiker*innen als Agenten der USA zu diffamieren, weil sich Teile des Volkes dann noch enger um die Mullahs scharen.

In den letzten Wochen beunruhigten uns ungeklärte Angriffe auf Öltanker im Persischen Golf. Wenn die Trump-Administration und ihre Vasallen den Iran beschuldigen, dann erinnert uns das daran, wie die Gründe für frühere Angriffskriege der USA herbei gelogen wurden. Nicht nur der Tonking-Zwischenfall, die angeblich aus den Brutkästen gerissenen kuweitischen Babys und die Mär von Saddams Massenvernichtungsmitteln sind unvergessen. Wir wissen auch nicht, wer dahinter steckt, aber schon die altem Römer fragten, wenn Verursacher unbekannt waren: wem nutzt es? Nutzen kann es nur den USA und ihren Verbündeten, nicht dem Iran.

Wir sehen Deutschland in einer hervorgehobenen Verantwortung. Alle Interventionskriege der USA in den letzten Jahrzehnten in Westasien waren in dieser Form nur führbar, weil die US-Armee auf ein Netz von Stützpunkten auch in Deutschland zurückgreifen konnte. So ist der Flugplatz Ramstein, nur 50 km entfernt von meinem Wohnort, eine unverzichtbare Drehscheibe, auch für den Drohnenkrieg mit seinen Tausenden extralegalen Hinrichtungen. Wenige Kilometer weiter betreiben die USA das größte Militärhospital außerhalb des eigenen Landes, ohne das eine zeitgemäße und schnelle Versorgung eigener Verwundeter nicht möglich wäre.

Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie den USA die Nutzung dieser Stützpunkte untersagt, ob gegen den Iran oder andere. Es wäre auch ein Segen für die Menschen der Region, wenn die Stützpunkte aufgelöst würden. Das zeigt sich auch in meiner Heimatstadt Bad Kreuznach, die nach dem Abzug der US-Armee vor 20 Jahren wirtschaftlich so aufblühte, dass auch ihre Einwohnerschaft um 20% wuchs. Militär und Rüstung sind immer Hemmnisse für eine humane und zivile Entwicklung.

Für uns als Marxist*innen, die an verschiedenen Stellen für das Zusammenführen linker Kräfte eintreten, als eine der Voraussetzungen auch zur Schaffung breiter gesellschaftlicher Allianzen gegen Kriege, gegen die drohende Klimakatastrophe und für die sozialen und demokratischen Rechte gerade der Arbeitenden, ist Euer Zusammenschluss dreier Strömungen der Volksfeddayin zur Linkspartei Irans ein richtiger Schritt nach vorn.

Wir wünschen Euch als Partei und diesem Parteitag viel Erfolg, mögen von hier Impulse für eine weitere Stärkung aller linken Kräfte ausgehen. Im Rahmen unserer Kräfte bieten wir Euch die Zusammenarbeit an, auch auf örtlicher und regionaler Ebene, soweit Ihr und wir vor Ort vertreten sind.

Hoch die Internationale Solidarität.

Setzen wir unsere ganze Kraft dafür ein, einen Krieg am Persischen Golf zu verhindern - Kriege überall zu verhindern!


Grußwort der Partei DIE LINKE an den Parteitag der Linkspartei Irans am 13.07.2019

gesprochen von Julia Wiedemann.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

herzlichen Dank für eure Einladung an die Partei DIE LINKE zu eurem heutigen Parteitag. Ich freue mich, heute im Namen meiner Partei einige Worte an euch richten zu dürfen.

Wir leben in beunruhigenden Zeiten. Bei der letzten Europawahl haben rechte Kräfte in ganz Europa zugelegt, während linke von den gegenwärtigen Krisen und den Vertrauensverlust in die neoliberale Politik nicht profitieren konnten.

Im Mittelmeer ertrinken Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, oder deren Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat so groß war, dass sie selbst das Risiko einer solchen Flucht eingehen. Und Europa schaut zu. Längst ist die Rettung dieser Menschen, wenn sie in Seenot geraten, zur „Privatsache“ nichtstaatlicher Rettungsmissionen geworden. Viele EU Staaten weigern sich, Geflüchtete aufzunehmen. Italien weigert sich sogar, Schiffe anlegen zu lassen. Und in den sozialen Medien tobt ein Mob, der jeden Retter zu einem Kriminellen erklärt. Aus diesem Verhalten spricht so viel Unmenschlichkeit, dass mir Angst und Bange wird, wenn ich daran denke, in welcher Welt unsere Kinder groß werden.

Die Frage, die uns als LINKE derzeit genauso wie euch besonders beunruhigt ist ein möglicher Krieg im Iran. Seit Monaten drohen die USA, lassen Truppen im persischen Golf stationieren, verschärfen die Sanktionen und versuchen andere Länder unter Druck zu setzen, es ihnen gleich zu tun.

Der Iran ist kein demokratisches Land, im Gegenteil, das wisst ihr am besten. Denn viele von euch haben direkt unter der Verfolgung des Regimes gelitten. Ihr lebt hier, weil ein selbstbestimmtes politisches Leben im Iran nicht möglich ist. Euer Parteitag findet hier in den Niederlanden statt, weil euch im Iran nicht frei betätigen könnt. Repressionen, Gewalt und Hinrichtungen sind an der Tagesordnung.

Doch ein Angriff der USA wird diese Lage nicht verbessern. Im Gegenteil. Die Hardliner im Iran würden gestärkt, es käme zu einem Flächenbrand und womöglich bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Schon jetzt haben die Drohungen der USA und die Verschärfungen der Sanktionen schwerwiegende Folgen für die Zivilbevölkerung.

Es gilt darum, einen Krieg unbedingt zu verhindert. Dafür setzen wir uns ein als DIE LINKE!

Flucht, Steigende Armut, Klimawandel, Digitalisierung, steigende Mieten, usw. Es scheint, als hätte die Politik auf viele Fragen der heutigen Zeit keine Antworten. Wir als linke Kräfte, haben auch nicht auf alles Antworten, aber uns vereint das Wissen darum, dass das System des Kapitalismus und des Imperialismus viele der heutigen Probleme verursacht und Kriege und Unmenschlichkeit fördert. Wir müssen auf unserem Weg für mehr soziale Gerechtigkeit, für Frieden, für Demokratie und Menschlichkeit auch die Systemfrage stellen.

Lass uns das gemeinsam tun! Solidarisch Seit an Seit! Lasst uns gemeinsam kämpfen für Frieden, Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Soziale Gerechtigkeit!


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