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MX Seminario PT 2019 3Mexico – Das XXIII. Internationale Seminar linker und kommunistischer Organisationen "Die Parteien und eine neue Gesellschaft"    

08.05.2019: Vom 4.-6. April fand in der mexikanischen Hauptstadt das traditionsreiche internationale Seminar "Die Parteien und eine neue Gesellschaft" statt, inzwischen zum 23. Mal. Gastgeber dieser wie immer sehr gut organisierten Veranstaltung war die mexikanische Partei der Arbeit (Partido del Trabajo, PT).

 

Die Bedeutung dieses nach eigenem Bekunden zweitwichtigstem Treffen der lateinamerikanischen Linken – nach der jährlichen Tagung des Foro de Sao Paulo (FSP) – wurde von vielen Teilnehmern immer wieder hervorgehoben. Zum Beispiel Carlos Fonseca, Vizesekretär der FSLN in Nicaragua: "Zweifellos ist dies der wichtigste Termin der politischen Kräfte der Linken in der Welt."

Anwesend waren dieses Jahr 99 linke Parteien und Organisationen aus insgesamt 38 Ländern, die Mehrzahl natürlich aus Lateinamerika. Darüber hinaus waren zahlreiche europäische Delegationen angereist und Vertreter verschiedener Botschaften überbrachten Grußbotschaften, u.a. aus China, Vietnam, der KDVR und aus Kuba.

MX Seminario PT 2019 4Bei der Eröffnung des Seminars durch eine der Gründerinnen der PT, Guadalupe Rodriguez Martinez, wies diese auf die verschiedenen Gedenktage hin, denen die Veranstaltung gewidmet war: dem 60. Jahrestag der kubanischen Revolution, dem 40. Jahrestag des Sieges der Sandinisten in Nicaragua und dem 100. Todestag von Emiliano Zapata, einem wichtigen Führer der mexikanischen Revolution, dessen Idealen und Vermächtnis sich die PT noch heute verbunden fühlt.

Das Seminar fand in einer für die lateinamerikanische Linke sehr widersprüchlichen, sehr intensiven und z.T. kritischen Situation statt. Auf der einen Seite hat der Rollback der einheimischen Rechten, unterstützt und angeleitet durch die USA, mit den jüngsten Angriffen vor allem auf Venezuela und Nicaragua eine neue Qualität erreicht. Zum anderen setzte in Mexiko mit dem "historischen" Wahlsieg des Kandidaten des Linksbündnisses Andres Manuel Lopez Obrador am 1.Juli 2018 eine progressive Entwicklung ein, die von der mexikanischen Linken selbst als "cuarta transformación de la republica" (vierte Transformation der Republik) [1] bezeichnet wird und die auf andere linke Projekte in der Region, z.B. Kuba, Auswirkungen hat.

Die aktuelle politische Situation fand ihre Entsprechung im Tagungsverlauf. Ursprünglich war wie in den Jahren zuvor geplant, an jedem der 3 Seminartage einen Themenbereich abzuarbeiten: Entwurf eines neuen Wirtschafts- und Sozialmodells für die alternativen nationalen Regierungen; Lateinamerika und die Karibik angesichts der Neudefinition von Geoökonomie und globaler Weltpolitik und aktuelle Themen. Die jeweiligen Redner hätten dann ihre Beiträge entsprechend der Tagesordnung gehalten.

MX Seminario PT 2019 2Diese Vorgehensweise wurde versucht aufzubrechen, indem am Nachmittag des 2. Konferenztages eine gesonderte Debatte über das zentrale Dokument des FSP, den "Consenso de nuestra America" (Konsens unseres Amerika) initiiert wurde. Dieses Dokument wurde auf der Jahrestagung des FSP im letzten Jahr in Havanna offiziell verabschiedet. Damit wurde versucht, den Schritt von der Theorie zur Aktion zu gehen. Bis dahin waren die Redebeiträge vor allem mit Situationsbeschreibungen oder der chronologischen Darstellung von Ereignissen in den jeweiligen Heimatländern gefüllt.

"Welche Instrumente haben wir, um die Ideen des consenso in reale Aktionen zu verwandeln?", fragte z.B. Carlos Fonseca von der FSLN. Eine Möglichkeit sieht er darin, die vorhandenen lokalen Organe der Volksmacht zu stärken. Und weiter: "Dieses Seminar, die internationale Versammlung der Völker und der Konsens unseres Amerikas, müssen zusammengebracht werden, die Bemühungen um die dringende Einheit der revolutionären Bewegung zu unterstützen, um den Ansturm des Imperialismus auf allen Kontinenten und Ländern der Welt siegreich bekämpfen zu können." Die Diskussion dazu soll beim nächsten Jahrestreffen des FSP im Juli in Venezuela fortgeführt werden.

José Bella Lara von der kubanischen Zweigstelle des FLACSO-Instituts (Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales/ Lateinamerikanische Fakultät für Sozialwissenschaften) wiederum orientierte darauf, dass in diesem Jahr noch drei wichtige Wahlen in Lateinamerika stattfinden: in Argentinien die Präsidentschaftswahlen am 28. Oktober, in Bolivien am 20.10.2019 Präsidentschaftswahlen und Wahlen zur Nationalversammlung und ebenfalls im Oktober in Uruguay Wahl des Staatsoberhaupts. Ein Sieg bei diesen Wahlen wäre nicht nur für die jeweilige nationale Linke ein Erfolg, sondern würde auch zeigen, dass der neoliberale Rollback auf dem Kontinent gestoppt und der progressive Zyklus in Lateinamerika fortgeführt werden kann. Die aktuelle Entwicklung in Mexico wäre somit kein isolierter "Nachläufer".

In diesem Zusammenhang wurden in mehreren Beiträgen die politischen Phasen, die fortschrittliche Regierungen durchlaufen haben und durchlaufen, kritisch analysiert. Problematisiert wurden die Grenzen der repräsentativen Demokratien, die letztendlich progressive Veränderungen verwässern oder blockieren - in einigen Fällen wegen des Wesens, das ein bürgerliches System definiert, und in anderen wegen des Mangels an politischem Willen und Kühnheit der politischen Kräfte, den Rhythmus der Prozesse zu beschleunigen.

An den Fällen von Brasilien und Argentinien wurde auf die unterschiedliche Art und Weise, wie die Wendung nach rechts durchgesetzt wurde, verwiesen, und auf die Fehler, die berücksichtigt werden müssen, wenn es eine Rückkehr der progressiven Kräfte an die Regierung gibt. Die Frage des ehemaligen Ministers von Evo Morales (Bolivien), Hugo Moldiz, nach dem, was zu tun ist, "wenn wir zurückkehren", diente als Auslöser für diese Debatte.

Die Situation in Argentinien und die Auswirkungen der drei Jahre Regierung von Mauricio Macri wurden durch die Beiträge des Sekretärs für Internationale Beziehungen des Movimiento Evita, Alejandro Rusconi, und des Vertreters der Revolutionären Patriotischen Bewegung Quebracho, Ezequiel Lopardo, ausführlich erläutert. Sie berichteten über die verheerende und dem IWF überlassene Wirtschaftspolitik sowie das gesellschaftliche Klima, das durch den repressiven Regierungsapparat verursachte wird.

Florencia Prego, Vertreterin der Partido Patria para Todos, las ein gemeinsam mit dem politischen Gefangenen Fernando Esteche erstelltes Papier vor, das zeigt, dass eine solche reaktionäre Politik nur mit Unterdrückung aufrecht erhalten werden kann. In diesem Sinne erwähnte sie die Situation zahlreicher politischer Gefangener, wobei sie den Fall von Milagro Salas, Esteche, Ex-Minister Julio Devido, Ex-Vizepräsident Amado Boudou, den Aktivisten Luis Delía und anderen besonders betonte. Die drei Vorträge veranschaulichten auch die gerichtliche Verfolgung, unter der die ehemalige Präsidentin Cristina Kirchner derzeit leidet.

Der Vertreter der Frente Amplio Uruguays, Carlos Alejandro, und ein jugendliches Mitglied der Koalition, betonten, dass während der Amtszeit der Frente "offenkundige Verbesserungen auf sozialer Ebene" stattfänden, Pläne zur Verringerung von Armut und Arbeitslosigkeit aufgestellt wurden, aber sie erklärten auch, dass es "Dinge gebe, die schlecht gemacht oder gar nicht getan wurden". Sie betonten besonders die Herausforderung, bei den Wahlen dieses Jahres einen weiteren Sieg für die Frente zu sichern und einen möglichen Sieg mit der Idee zu verbinden, "dem Imperium zu zeigen, dass fortschrittliche Prozesse weitergehen", trotz der Gegenoffensive von Trump.

Adolfo Mendoza Leigue aus Bolivien von der Regierungspartei MAS-IPSP (Movimiento al Socialismo – Instrumento Político por la Soberanía de los Pueblos"/"Bewegung zum Sozialismus – Politisches Instrument für die Souveränität der Völker) griff diesen Gedanken in seinem Redebeitrag auf und erläuterte die Situation in seinem Land. In der Regierungszeit von Evo Morales erlebt Bolivien – im Gegensatz zu der neoliberalen Epoche von 1985-2005 - einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Verbunden mit zahlreichen sozialpolitischen Maßnahmen ist es gelungen, die Ungleichheit im Lande stark zu verringern. Diese Entwicklung wird von den jüngeren Generationen als selbstverständlich empfunden. Sie kennen nur einen Präsidenten Evo Morales und haben keine neoliberale Zeit erlebt. Hinzu kommt, dass es in Bolivien keinen verfassungsgebenden Prozess wie etwa in Venezuela gegeben hat. Die Regeln und Institutionen der alten bürgerlichen Demokratie bestehen fort.

Das alles kann im Oktober zu einem Wahlausgang führen, der die weitere politische Arbeit erschwert. Vorstellbar ist ein Szenario, bei dem die Linke nur die Mehrheit in einer Kammer des Parlaments gewinnt. Die Wahlen sind also kein Selbstläufer, obwohl Evo Morales wieder antritt, und erfordern die gemeinsame Aktion der Linken im Land.

Mehrere Redner*innen verwiesen auf den von Donald Trump erklärten Krieg gegen die Regierung von Nicolás Maduro in Venezuela. Alle erklärten sich, mit leichten Unterschieden in der Herangehensweise, solidarisch mit dem bolivarischen Prozess. Die Präsidentin der PSUV, Gladys Requena, informierte über die aktuelle politische Entwicklung in Venezuela, während die Ökonomin Pasqualina Curcio sich nuanciert mit den Kritikpunkten an der Arbeitsweise der PSUV als "der einzigen Partei des Chavismo" auseinandersetzte.

Was Kolumbien betrifft, so wies der ehemalige Kommandant der FARC-EP und heutiges Mitglied der Führung der FARC-Partei, Carlos Antonio Lozada, darauf hin, dass "die Verteidigung des Friedens heute durch die Verteidigung der Sondergerichtsbarkeit erfolgt, die in Wahrheit die Grundlage für Fortschritte in Richtung nationaler Versöhnung darstellt".

Aufmerksam wurde der Rede saharauischen Botschafters in Mexiko gefolgt. Er beschrieb sehr detailliert die Besatzung sowie den Kampf des sahrauischen Volkes gegen die Besetzung durch Marokko – ein Kampf, der in der internationalen Arena wenig Beachtung findet. Er schilderte die verschiedenen Phasen des Kampfes: vom offenen und ungleichen Krieg über einen "hoffnungsvollen" Waffenstillstand, der noch keine Früchte getragen hat, bis hin zu einer Gegenwart voller Unsicherheiten. Es sei nicht auszuschließen, so der sahaurische Vertreter, dass, wenn die von den Saharauis geforderten Antworten und Lösungen nicht erreicht werden, der Kriegszyklus wieder aufgenommen werden könnte.

Mexico - ein Land im Umbruch

Eine Besonderheit des diesjährigen Seminars war sicherlich die Tatsache, dass die gastgebende PT Teil der amtierenden mexikanischen Regierungskoalition ist. Mit dem Wahlsieg von Andres Manuel Lopez Obrador im letzten Jahr ist es erstmals seit der Regierung von Lázaro Cárdenas in den 30er/40er Jahren des letzten Jahrhunderts gelungen, wieder eine linke Regierung zu bilden.

Mex Amtseinfuehrung AMLO 2
López Obrador: "Zum Wohle aller, zuerst die Armen"
  
Mex Transformationen
Mexico vor einem politischen Umbruch!?
 

 

Yeidckol Polvnsky, die Generalsekretärin von MORENA, der stärksten Kraft in der Koalition, schilderte in diesem Zusammenhang noch einmal die Entwicklung der Partei, die mittlerweile zwei Millionen Mitglieder umfasst und damit die größte Partei Mexicos ist.

Die eigentliche Aufgabe beginne aber erst jetzt. Priorität Nummer eins habe der Kampf gegen Korruption. "Wir hatten keine Ahnung, welches Ausmaß sie angenommen hatte." Es geht dabei auch um die Abschaffung der zahllosen Privilegien angefangen beim Präsidentenamt. Auf der anderen Seite soll durch Sozialprogramme, vor allem im Süden, und Wirtschaftsprojekte neue Möglichkeiten für die Erwerbstätigkeit der Menschen geschaffen werden.

Nach drei Jahren seiner Amtszeit will der Präsident sein Mandat bei der Bevölkerung hinterfragen.

Alberto Anaya, nationaler Koordinator der PT ergänzte: "das Projekt von Andres Lopez Obrador ist sehr radikal." MX Alberto Anaya 2019
Für ihn hat das Regierungsprogramm u.a. folgende Eckpfeiler:

  • die Änderung der Wirtschaftsbasis. Damit sollen vor allem Importe ersetzt werden. Mexico importiert z.B. jährlich 14 Mio. Tonnen Mais. Das soll durch die eigene Landwirtschaft ersetzt werden.
  • die Entwicklung eines Sozialstaates ("estado de bienestar") u.a. mit kostenloser Bildung für alle incl. Universitätsausbildung ("Ohne Bildung gibt es keine Entwicklung.") und kostenloser Gesundheitsversorgung.
  • Förderung der kleinen und mittleren Betriebe, um mehr Arbeitsplätze als die Voraussetzung für das Eindämmen des Drogenhandels und mehr Sicherheit im Lande zu schaffen.
  • über die Schaffung einer Sonderwirtschaftszone an der Grenze zu den mittelamerikanischen Staaten soll die regionale Zusammenarbeit vertieft und damit die Migration Richtung USA verringert werden.

Von gleichermaßen großer Bedeutung ist die internationale Politik des Landes. Dabei spielt das Verhältnis zu Kuba eine besondere Rolle. Hier soll die Zusammenarbeit deutlich verbessert werden.

Die Probe, ob die mexikanische Regierung eine linke Regierung ist, sei aber das Verhältnis zu Venezuela und das Verhalten in der jetzigen kritischen Situation, so Anaya. "Wir werden Venezuela und Nicaragua nicht allein lassen", bekräftigte er.

MX Seminario PT 2019 1Diese Forderung wurde in den politischen Resolutionen, die zum Abschluss des Seminars verabschiedet wurden, aufgegriffen. Neben der Solidarität mit Venezuela und der Regierung Maduro, der Unterstützung für Nicaragua und Kuba wurde u.a. dazu aufgerufen, sich zahlreich in die im April gestartete Kampagne für die Freilassung des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula einzureihen.

Weiterhin wurden Tagesordnung und Termin für das Folgetreffen im kommenden Jahr festgelegt. Die 24. Ausgabe des Seminars soll vom 18.-21. März 2020 stattfinden.

Für die marxistische linke nahm Rainer Schulze an dem Treffen teil.

 

[1] Lopez Obrador bezeichnet drei großen Transformationen, die in der Geschichte Mexikos stattgefunden hatten als Vorbild: der Kampf um die Unabhängigkeit von Spanien 1810-1821, die Reformen unter Benito Juárez zwischen 1854 und 1876 verbunden mit dem Kampf gegen die ausländische Intervention unter Frankreich und die mexikanische Revolution von 1910 mit der letztlichen Konsolidierung unter der Regierung von Lazaro Cardenas 1935. (vgl. https://www.rosalux.de/en/publication/id/39640/mexikos-vierte-transformation-und-die-reform-von-oben/ )


siehe auch

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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