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Außenministerin Venezuelas mit Gewalt von Teilnahme an Ministertreffen abgehalten

VE Mercosur24.12.2016: Mit Polizeigewalt wurde die Außenministerin Venezuelas von der Teilnahme am Treffen der Mercosur-Länder in Buenos Aires abgehalten. Die "Dreier-Allianz" aus Argentinien, Brasilien und Paraguay hat den Ausschluss Venezuelas aus dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis betrieben und die venezolanischen Außenministerin mit Gewalt vor die Türe gesetzt.

Am Montag (19.12.2016) hat Argentiniens Außenministerin Susana Malcorra den Ausschluss Venezuelas aus dem Gemeinsamen Markt Südamerikas Mercosur bestätigt. Sie bekräftigte, dass Venezuela an keiner Sitzung des „Mercado Común del Sur“ mehr teilnehmen darf und "keine Stimme im Mercosur“ hat. Mitglieder des Bündnisses sind nach ihren Worten nur mehr Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. [1]

VE Delcy-RodriguezVorangegangen war der Versuch der venezolanischen Außenministerin Delcy Rodríguez (Foto rechts) am 14. Dezember an dem Treffen ihrer AmtskollegInnen in Buenos Aires teilzunehmen. Nach ihrer Meinung habe sie trotz des zeitweiligen Ausschlusses das Recht auf passive und aktive Beteiligung an den Sitzungen des Bündnisses. Aber Delcy Rodríguez wurde der Zutritt zu dem Treffen mit Gewalt verwehrt. Es kam zu einem Gerangel mit der Polizei. Rodríguez sagte, ein Polizist habe sie am Eingang des argentinischen Außenministeriums geschlagen.

Die Venezolanerin war in die argentinische Hauptstadt gereist, um bei der Übergabe der Bündnispräsidentschaft an Argentinien dabei zu sein. Eigentlich liegt nach den Regeln des Mercosur die turnusmäßige Präsidentschaft bei Venezuela. Aber auf Betreiben der Dreier-Allianz aus Argentinien, Brasilien und Paraguay wurde die Präsidentschaft Venezuelas wegen des "autoritären Regimes" in Caracas nicht akzeptiert, Anfang Dezember wurde Venezuela dann sogar zeitweise aus dem Mercosur ausgeschlossen. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro sprach von einem "illegalen Akt", die Außenministerin Delcy Rodríguez von einem "Staatsstreich". Die "Dreier-Allianz versucht dem von Hugo Chavez initiierten lateinamerikanischen Integrationsprozess den Todesstoß zu versetzen", sagte Delcy Rodríguez.

Am 2. Dezember hatten die Außenminister der vier Gründungsmitglieder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay beschlossen, dass Venezuela bis auf weiteres aus dem Gemeinsamen Markt des Südens ausgeschlossen ist. Die offizielle Begründung: Das Ölland habe seit seinem Beitritt 2012 nicht alle Gesetze und Regeln eingeführt, die für ein Mitglied bindend seien; 228 der 1.159 Bündnis-Regelungen seien noch nicht umgesetzt, wie z.B. die Zollregelungen der Freihandelszone.

Caracas entgegnet, dass das Land von den 1.563 Normen des Mercosur 1.479 umsetzt. Aber im Unterschied zu Venezuela, das innerhalb von vier Jahren damit 95% der Vorschriften erfüllt, würden die Gründungsländer Brasilien und Paraguay nach 25 Jahren lediglich 50% der Vorschriften umsetzen. So habe Venezuela z.B. die Verpflichtung zur Demokratie aus dem Montevideo-Protokoll des Mercosur unterzeichnet, während Paraguay die Ratifizierung ausdrücklich zurückgewiesen hat, erklärte das venezolanische Außenministerium. Es gebe keine rechtlichen Gründe für den Ausschluss Venezuelas, sondern die Dreier-Allianz unterstütze die venezolanische Rechte und wolle wie in ihren eigenen Ländern auch in Venezuela einen "sanften Staatsstreich" organisieren.

Und tatsächlich erfolgt der Ausschluss Venezuelas nicht wegen formaljuristischer Kriterien. Er ist vielmehr eine Konsequenz der veränderten politischen Großwetterlage in Südamerika: In Paraguay, Argentinien und Brasilien haben die Regierungen gewechselt – in Paraguay und Brasilien mit "institutionellen Staatstreichen" -, und Vertreter der Oligarchie haben die Linke von der Regierung verdrängt.

Neuorientierung des Mercosur
Brasilien und Argentinien werden zum "Rammbock" für ein geopolitische Rollback, schreibt der argentinische Politikwissenschaftler Juan Manuel Karg auf telesur. Bestandteil dieses Rollbacks ist die Neuausrichtung des südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur, um den Kontinent wieder an das Imperium im Norden anzuschließen. Brasilien und Argentinien, die Teil der BRICS sind bzw. die Absicht hatten, BRICS beizutreten, sind zudem dazu übergegangen, als Trojanische Pferde innerhalb der BRICS zu arbeiten, um die US-Politik zu unterstützen, die darauf ausgerichtet ist, China weltweit zu isolieren. (siehe Trojanische Pferde - Brasilien als "Rammbock" für geopolitisches Rollback)

Mit dem Ausschluss Venezuelas haben die Staaten nun den Weg geebnet, um den Kontinent wieder an das Imperium im Norden anzuschließen. Erstmals seit vielen Jahren haben die südamerikanischen Staaten auch wieder ein verstärktes Interesse daran, sich gegenüber Europa zu öffnen. Im Oktober wurden die Verhandlungen zwischen dem Mercosur und der EU wieder aufgenommen. Im März 2017 soll es ein offizielles Treffen geben. Die Europäische Union und die Mercosur-Staaten orientieren darauf, dass sie nach dem vorläufigen Scheitern von TTIP jetzt ein Freihandelsabkommen abschließen können. Die EU ist für den Mercosur mit Exporten im Wert von etwa 110 Milliarden Euro jährlich schon jetzt der wichtigste Handelspartner. Die EU lockt der große Markt des Mercosur: 275 Millionen Südamerikaner leben dort. Drei Viertel der Wirtschaftskraft des Kontinents ist dort versammelt, das Bruttoinlandprodukt der vier Staaten entspricht etwa demjenigen von Frankreich.

Doch bislang hatte sich Venezuela dagegen ausgesprochen. Venezuelas Außenministerin verweist zu Recht darauf, dass die Regierungschefs von Brasilien, Argentinien und Paraguay - Temer, Macri und Cartes - die Mitgliedschaft Venezuelas im Mercosur als "ein Hindernis für Verhandlungen über den freien Handel" sehen. Delcy Rodríguez warnt denn auch, dass es sich bei dem Ausschluss Venezuelas um "einen Plan der konservativen Restauration" handelt und der Angriff auf den Mercosur nur der erste Schritt "eines historischen Prozesses des Kapitals ist, politische Erfolge zu demontieren". Die nächste Phase wird "die Demontage anderer Institutionen der regionalen Integration sein, wie UNASUR und CELAC", so Rodríguez.

Mercosur-Ausschluss führt zu Eklat in Uruguay
Für den Ausschluss Venezuelas war der gemeinsame Entscheid der vier anderen Mitgliedsländer erforderlich. Während die rechtsregierten Länder Argentinien, Brasilien und Paraguay klar auf Konfrontationskurs zu Venezuela stehen, versuchte das linksregierte Uruguay in dem Konflikt zu vermitteln. 

Die Zustimmung von Uruguays Außenminister Rodolfo Nin Novoa zum zeitweisen Ausschluss des Partnerlandes führte zu heftigen Reaktionen innerhalb des Regierungsbündnisses Frente Amplio (FA). Das Movimiento de Liberación Nacional (MLN), die Kommunistische Partei (PCU) und die Partido por la Victoria del Pueblo (PVP) kritisierten offen die Entscheidung des Außenministers und des Regierungschefs Tabaré Vázquez.

Ähnlich den Tupamaros von Ex-Präsident Pepe José Mujica erklärte die PCU, dass sie in einer "grundsätzlichen Diskrepanz zu der Position unserer Regierung" steht. Die Entscheidung sei "ungerecht und illegal", so die uruguayischen KommunistInnen. Und weiter: "Inmitten einer verschärften Krise des Kapitalismus und einer imperialistischen Gegenoffensive auf unserem Kontinent ist die Schwächung von Körperschaften, die institutionalisiert die regionale Integration und Einheit verkörpern, ein grober politischer Fehler. Ein Mercosur ohne Venezuela ist viel schwächer."

Daraufhin drückte auch die Nationale Leitung der Frente Amplio ihre Solidarität mit Venezuela aus und verurteilte den Ausschluss aus dem Mercosur, der von Brasilien, Paraguay und Argentinien aus politischen Gründen betrieben wurde. Die "von der regionalen Rechten geführte Offensive erfolgt im Dienste imperialistischer Interessen" und sei "Teil einer Offensive, die gegen die Regierung Venezuelas und auf die Schwächung der regionalen Integration gerichtet ist - nicht nur des Mercosur, sondern auch anderer Institutionen der Integration wie UNASUR und CELAC", heißt es in der Erklärung der FA.

Nach einem Treffen des uruguayischen Präsidenten Tabaré Vázquez mit Venezuelas Regierungschef Nicolás Maduro erklärte des uruguayische Außenministerium seine Unterstützung für ein Lösung der Konflikts. Das Präsidialamt von Uruguay erklärte: "Uruguay unterstützt die Initiative Venezuelas, auf der Basis des Olivos-Protokolls eine Lösung der bestehenden Differenzen zu erreichen." Das 2002 in der argentinischen Stadt Olivos unterzeichnete Abkommen regelt die Beilegung von Streitigkeiten innerhalb des Bündnisses. Uruguay, so heißt es in der Erklärung weiterhin, begrüße die Anstrengungen Venezuelas, die vollständige Mitgliedschaft im Mercosur zu erreichen. Zudem sprach sich die Regierung in Montevideo dafür aus, "dass Venezuela weiterhin sein Recht genießt, an Sitzungen aller Organe und Institutionen des Mercosur teilzunehmen".

Damit stellt sich Uruguay gegen die Position der rechtsgerichteten Mitgliedsstaaten. Nach deren Meinung hat Venezuela mit dem zeitweiligen Ausschluss aus dem Block auch das Recht auf passive und aktive Beteiligung an den Sitzungen verloren – und nehmen sich das Recht, die venezolanische Außenministerin mit Polizeigewalt von den Sitzungen fernzuhalten.

fotos: Cancillería Venezuela

[1] Mercosur:

  • Mitgliedsländer:  Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela (derzeit suspendiert)
  • assoziierte Länder: Chile, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Guyana , Suriname
  • Beobacher:  Neuseeland, Mexiko

 

Der folgende Artikel wurde von Amerika 21 übernommen.

Ein gar nicht so weicher Putsch im Mercosur

Für die Länder Südamerikas hat die Integration - der Völker und nicht nur des Handels - tiefgreifende strategische Bedeutung

Von: Rubén Armendáriz
Übersetzung: Herwig Meyer, Eva Haule
 

Venezuela hat die Entscheidung seiner Partner, das Land von der Vollmitgliedschaft und dem temporärem Vorsitz des Gemeinsamen Marktes des Südens (Mercosur) auszuschließen, als "betrügerisch" und als "Staatsstreich" verurteilt. "Es handelt sich um eine Aggression gegen Venezuela von erheblichem Ausmaß", erklärte Außenministerin Delcy Rodríguez.

Paraguay, Brasilien und Argentinien forderten ihrerseits "besser funktionierende Institutionen in Venezuela". Nach Einschätzung des Präsidenten von Uruguay, Tabaré Vázquez, handelt es sich dabei jedoch um eine Einmischung ohne Substanz: "In Venezuela funktioniert die Gewaltenteilung unabhängig davon, ob man damit einverstanden ist, wie sie arbeiten".

Im Parlament des Mercosur wandten sich indes selbst Abgeordnete der Opposition gegen die Venezuela-Sanktionen.

In einem scharf formuliertem Kommuniqué des venezolanischen Außenministeriums heißt es: "Sie versuchen, die betrügerische Suspendierung von Venezuelas legitimen Rechten als Mitgliedsland mit falschen Unterstellungen durchzusetzen, um das Land anzugreifen und zu schikanieren". Die Sanktionen "haben keine rechtliche Grundlage, ihnen fehlt ein klares Rechtsverfahren und ein kompetentes Beschlussgremium".

Angesichts der "Angriffe und Schikanen gegen seine turnusmäßige Präsidentschaft" versucht Venezuela nun, den in den Mercosur-Regeln vorgesehenen Dialog in Gang zu bringen. Am 5. Dezember unternahm die Regierung die Schritte, die im Olivos-Protokoll zur Klärung von Kontroversen innerhalb der Gemeinschaft vorgesehen sind.

Venezuelas Botschafter beim Mercosur und der Lateinamerikanischen Integrationsvereinigung (Aladi), José Félix Rivas Alvarado, erklärte im Sekretariat des Bündnisses in Montevideo, es bestehe die Notwendigkeit, "einen Raum für Dialog und Verhandlung zu schaffen, um die Rechtsförmigkeit und Institutionalität des Mercosur wiederherzustellen". Aus seiner Sicht müssen alle Mercosur-Parteien "sich zusammensetzen, um zu diskutieren, was es an Verstößen und Missachtung der venezolanischen Präsidentschaft gegeben hat und welche Konsequenzen dies für den Integrationsprozess hatte, der auf der Respektierung von Regeln, auf Toleranz und auf der Achtung unterschiedlicher ökonomischer Sichtweisen oder Modelle basieren sollte".

Bolivien, derzeit im Beitrittsprozess zum Mercosur, schloss sich dem Aufruf an, das Prozedere des Olivos-Protokolls zu beginnen. "Im Dialog werden wir unsere Institutionen und den Mercosur verteidigen können", sagte Benjamín Blanco, Botschafter bei Mercosur und Aladi.

Uruguays Hin und Her
Aus Wien äußerte Uruguays Präsident Tabaré Vázquez seine Bereitschaft zu einem Treffen mit seinem venezolanischen Amtskollegen Nicolás Maduro, um über die zeitweilige Suspendierung Venezuelas zu sprechen, eine Maßnahme, die, wie er sagte, "nicht irreversibel" sei und die auf gesetzlicher Grundlage und im Dialog geändert werden könne. "In der Politik und in Beziehungen zwischen Ländern ist nichts irreversibel, alles kann sich ändern. Aber man braucht ein juristisches Fundament, eine solide legale Basis, um den Weg in die Zukunft zu finden", erklärt Vázquez.

Die in Uruguay regierende Frente Amplio reagierte irritiert auf die Unterschrift ihres Außenministers Rodolfo Nin Novoa für die Suspendierung Venezuelas. Der PIT-CNT-Gewerkschaftsdachverband erklärte mit Nachdruck, dass "diese Entscheidung in keiner Weise die arbeitenden Klassen repräsentiert und dass wir sie deshalb entschieden zurückweisen".

Mit einer Stellungnahme zur Verteidigung der Institutionalität und der regionalen Integration, die von einer gemischten venezolanischen Koalition eingebracht wurde (sowohl Regierungsoffizielle als auch Oppositionelle wie William Dávila und Luis Emilio Rondón), beschloss das Parlament des Mercosur (Parlasur) einstimmig, die Mitgliedsländer auf die Gründungsregeln des Mercosur zu verpflichten und mahnte sie, ihre Differenzen und Streitigkeiten mittels der dafür vorgesehenen institutionellen Mechanismen des Regionalbündnisses zu klären.

Aber die autoritären Regierungen von Argentinien, Brasilien und Paraguay interessieren sich wenig für die Meinung ihrer Abgeordneten. Diese Staaten, die, kurz gesagt, diejenigen sind, die Abmachungen des Regionalblocks nicht akzeptieren. Die argentinische Regierung wird zudem von den Vereinten Nationen wegen politischer Gefangener beschuldigt (Milagro Sala, Abgeordnete im Parlasur), es gibt eine korrupte Putschregierung in Brasilien und eine Regierung in Paraguay, die durch das Bauern-Massaker von Curuguaty und den "weichen" Putsch gegen den verfassungsmäßigen Präsidenten Fernando Lugo in Erinnerung ist.

Die Entscheidung, ein juristisches Unding
Rechtlich gesehen ist die Entscheidung, Venezuela auszuschließen, grotesk. Die Mercosur-Normen erlauben den Außenministern derartige Entscheidungen nicht, weswegen ungerechtfertigte Ausreden erfunden wurden und man absurderweise die "Konvention von Wien" über Vertragsrechte ins Spiel brachte, obwohl man wusste, dass sie auf Venezuela, das kein Vertragsstaat ist, nicht anwendbar ist.

Diese Entscheidung stellt eine profunde politische und ideologische Unerbittlichkeit gegenüber der Bolivarischen Revolution dar und dadurch entfernen sich diese Regierungen weiter vom Integrationsprozess und dem Mercosur.

Nach Ansicht von Experten hält sich Venezuela nicht nur in vorbildlicher Weise an die Mercosur-Vorschriften, in den vier Jahren seiner Mitgliedschaft wurden 92 Prozent eingearbeitet, eine Quote, die nicht von vielen der sogenannten Gründungsmitglieder der Regionalgruppe vor 25 Jahren erreicht wurde. Venezuela hat die Mercosur-Handelsregeln formal und offiziell übernommen.

"Wenn sie wenigstens konsequent mit ihren eigenen Lügen wären, müssten sie sich, was den skandalösen Verzug bei der Anwendung der Regeln angeht, zuallererst selber suspendieren", heißt es mit etwas Humor in der Stellungnahme des venezolanischen Außenministeriums.

Seit Venezuela am 29. Juli die temporäre Präsidentschaft des Mercosur übernommen hat, betreiben die rechtsgerichteten Regierungen von Argentinien, Paraguay und Brasilien eine Kampagne, um das Land zu delegitimieren und sein Recht zur Ausübung seiner Funktion aufzuheben. Dies verletzt die Regeln des Regionalbündnisses.

Bei der Unterzeichnung des Beitrittsprotokolls zum Mercosur durch Venezuela wurden die "Prinzipien des abgestuften, flexiblen Gleichgewichts, Anerkennung bestehender Unterschiede und jeweils angepasste Vorgehensweisen", festgehalten, Kriterien, die weltweit jedes Integrationsvorhaben stützen, die aber von Argentinien, Brasilien und Paraguay vollständig ignoriert werden ? und nun auch von Uruguay.

Die Suspendierung und ein möglicher Ausschluss Venezuelas aus dem Mercosur stellen für den strategisch wichtigsten regionalen Integrationsprozess einen weiteren negativen Eckpunkt dar. In jeder Vereinbarung über Handel oder Integration wird bei Kontroversen zwischen den Parteien üblicherweise die infrage stehende Angelegenheit durch Dialog und Verhandlung und in beiderseitigem Einvernehmen in einem Lösungsprozess angegangen.

Doch es besteht kein Zweifel daran, dass die Regierungen Argentiniens, Brasiliens und Paraguays die Präsidentschaft Venezuelas boykottierten: Sie ignorierten Einladungen zu einer Arbeitsgruppe, Venezuela wurde von Treffen der Außenminister oder mit Drittstaaten ausgeschlossen. Solange Venezuela jedoch nicht förmlich ausgeschlossen ist, bleibt es Vollmitglied, ob's einem gefällt oder nicht.
Was seit August geschehen ist, ist eine eindeutige politisch-ideologisch begründete Ausgrenzung Venezuelas aus dem Integrationsprozess: zuerst versuchten sie es mit dem Usuahia-Protokoll über demokratische Verpflichtungen im Mercosur, ohne Erfolg; anschließend versuchten sie es ebenso vergeblich mit der "Demokratie-Charta" der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Und nun wollen sie das Land mit Unterstützung der großen Kommunikationsmedien direkt aus dem Mercosur beseitigen.

Der Vizepräsident des Parlasur und Abgeordnete aus Uruguay, Daniel Caggiani, formuliert folgende Fragen: "Welche Motive stecken dahinter, die im Mercosur geltenden Regeln zu ignorieren? Ist es nicht angemessen, die Zukunftsfähigkeit des Mercosur als Bündnis sicherzustellen in einer Region, in der es in den kommenden Jahren bei Wahlen sicherlich Änderungen geben wird? Warum wird ein Schritt in Richtung Auflösung des Mercosur getan, indem Venezuela suspendiert und der Beitritt Boliviens verzögert wird? Welches Mercosur-Modell wollen die Regierungen von Argentinien, Brasilien und Paraguay durchsetzen?"

Für die Länder hat die Integration (der Völker und nicht nur des Handels) tiefgreifende strategische Bedeutung. Es handelt sich in diesem Fall nicht um eine Frage von Fehlern sondern von Unverantwortlichkeit im Hinblick auf die Zukunft der Region und ihres Versuches einer stärkeren ökonomischen Entwicklung ebenso wie einer gerechteren und gleichmäßigeren Verteilung des Reichtums. Es geht um die Ablehnung von Souveränität und der Möglichkeit von Wachstum durch Stärkung der Einheit. Wie der ehemalige venezolanische Präsident Carlos Andrés Pérez sagte: es ist "Selbstmord".

Rubén Armendáriz arbeitet als Analyst beim Centro Latinoamericano de Análisis Estratégico (CLAE-FILA)