Linke / Wahlen in Europa

Kroatien KoWa2021 Tomislav Tomasevic 218.05.2021: In Kroatien haben am Sonntag (16.5.) landesweite Regional- und Lokalwahlen stattgefunden ++ Das Linksbündnis »Možemo« verfehlt in Zagreb die absolute Mehrheit nur um einen Sitz ++ Bürgermeisterkandidat von »Možemo« ist Favorit für die Stichwahl ++ erstmals ist kroatische Linke in allen größeren Städten vertreten

In Kroatien haben am Sonntag (16.5.) landesweite Regional- und Lokalwahlen stattgefunden. Rund 3,7 Millionen wahlberechtigte Kroat*innen waren aufgerufen, neue Landeshauptleute, Bürgermeister sowie regionale und lokale Vertreter*innen zu wählen. Die Vorsteher der Gespanschaften (vergleichbar mit Bundesländern) und Bürgermeister werden direkt gewählt. Dort, wo die Kandidaten im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit erreichen, finden am 30. Mai Stichwahlen statt.

Die Resultate vom Sonntag werden als eine Botschaft der Wähler*innen gedeutet, dass sie Veränderung wollen. Das zeigt sich insbesondere in den beiden Großstädte Zagreb und Split, wo die etablierten Großparteien erfolglos blieben. Kroatische Bürger*innen hätten nach 30 Jahren erkannt, dass sie eine Wahl haben, kommentierte das Nachrichtenportal Index am Montag.

In der Hauptstadt Zagreb, 21 Jahre vom Sozialdemokraten Milan Bandić regiert, kamen die Bürgermeisterkandidaten der das Land regierenden konservativen HDZ und der sozialdemokratischen Oppositionspartei SDP nicht einmal in die Stichwahl.

Zagreb: »Možemo« gewinnt

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Eindeutiger Sieger ist Tomislav Tomasevic von der links-grünen Koalition »Možemo« (Wir schaffen es) mit einem Erstrunden-Ergebnis von 45,15 Prozent. Er gilt als Favorit für die Stichwahl am 30. Mai, wo dem 39jährigen Politikwissenschaftler und Ökologen der rechtspopulistische Folksänger Miroslav Škoro von der rechtsnationalistischen Heimatbewegung (Domovinski pokret) gegenüberstehen wird. Dieser hat am Sonntag nur zwölf Prozent der Stimmen erreicht

Das links-grüne Bündnis, das für eine andere Stadtpolitik, frei von Korruption und Klientelismus steht, hat in der Zagreber Stadtversammlung mit fast 41 Prozent Wähleranteil eine deutliche Mehrheit erobert. »Možemo« verpasste die absolute Mehrheit nur um ein Mandat - 23 Mandate von 47. Als wahrscheinlich kündigt sich in Zagreb die Koalition mit den Sozialdemokraten (SDP) an. Die SDP hat ihre Wähler bereits am Wahlabend aufgerufen, Tomašević in der zweiten Runde zu unterstützen.

In ganz Kroatien hat »Možemo« mit den Partner*innen von »Nova ljevica« (Neue Linke) beeindruckende Ergebnisse erzielt und ist jetzt in den Räten aller wichtigen Städte vertreten.

Kroatien KoWa2021 Zagreb Stadtparlament Kroatien KoWa 2021 Stadtparlamente

 

In der zweitgrößten Stadt des Landes, der Adriametropole Split, konnte der Liberale Ivica Puljak (Partei Centar) unerwartet die Führung vor Vice Mihanović (HDZ) erringen, was als große Überraschung gilt. Die Stichwahl in zwei Wochen wird einen spannenden Kampf zwischen dem angesehenen Physikprofessor aus einer Kleinpartei, der eine andere Politik ankündigt, und dem schwächeren Kandidaten der Kontinuität erwartet, der jedoch eine starke Parteiinfrastruktur hinter sich hat.

Insgesamt hat die HDZ landesweit die Mehrheit der Gespanschaften, Städten und Gemeinden gewonnen.

Aber die große Zustimmung für Tomašević wie auch die Ergebnisse in anderen großen Städten wie Rijeka oder Split zeigen, dass das Zwei-Parteiensystem erodiert und dass viele Kroat*innen endlich mehr Transparenz, Nachhaltigkeit und Rechtsstaatlichkeit einfordern.

Die links-grünen Koalition »Možemo« wurde von sechs kleinen linken Parteien zur Parlamentswahl 2020 gegründet. Sie errang knapp sieben Prozent der Stimmen und sieben Abgeordnete. Mit diesem Ergebnis ist die Linke in Kroatien nach der katastrophalen Niederlage der jugoslawischen Linken in den 1990er Jahren erstmals wieder im Parlament vertreten. Ihr politisches Programm setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen und ließe sich in einer traditionellen Einordnung als sozialdemokratisch mit einer ausgeprägten ökologischen Komponente beschreiben. Dazu gehören auch das Eintreten für eine Stärkung von Arbeiter- und Arbeiterinnenrechten, der Rolle von Gewerkschaften sowie Vorschläge für eine progressive Besteuerung und einen großzügigeren Sozialstaat.

Die Kommunalwahl in Zagreb und in den anderen größeren Städten weist darauf hin, dass sich die kroatische Linke inzwischen auch kommunal verankert hat. Jetzt muss sie in Zagreb beweisen, dass sie zu ihrem Kommunalwahlprogramm steht: Abkehr von den traditionellen korrupten und klientelistischen Praktiken, Ausbau des Straßenbahnnetzes, der Fahrradwege und der städtischen Grünflächen, bessere Anbindung des Zagreber Umlands an den öffentlichen Nahverkehr der Hauptstadt, damit weniger Pendler*innen auf Autos angewiesen sind.

Dann könnte der politische Farbwechsel in der mit Abstand größten Stadt des Landes, in der mehr als ein Fünftel der kroatischen Bevölkerung lebt, mittelfristig Folgen für die politische Landschaft Kroatiens haben.

 

Kroatien Mozemo 2020 07 05


Parlamentswahl 2020
Kroatien: »Možemo« (Wir schaffen es) hat es geschafft  

 

 

Quellen u.a.: https://www.facebook.com/mozemo.hr; https://www.facebook.com/novaljevica.hr/