Linke / Wahlen in Europa

Logo EPPT201925.02.2019: Am zurückliegenden Wochenende traf sich DIE LINKE in Bonn zu ihrem EU-Wahlparteitag. Neben der Kandidatenliste stand das Wahlprogramm für die am 26. Mai stattfindende Wahl zum Europäischen Parlament im Mittelpunkt. Die Sorge vor dem Parteitag war, dass die mühsam überbrückten Gräben wieder aufgerissen werden könnten. Und so versuchte der Parteivorstand bereits im Vorfeld zu vermitteln und arbeitet unzählige Änderungsanträge vollständig oder teilweise in seinen Entwurf für das Wahlprogramm ein. Alles dem Ziel folgend, im Wahljahr 2019 keinen neuen Streit zu riskieren.

Dies ist gelungen. Nach zweieinhalb Tagen debattieren und abstimmen und wählen und wählen und nochmals wählen hat DIE LINKE ein mit überwältigender Mehrheit beschlossenes Wahlprogramm und eine Liste mit 22 Kandidat*innen für das EU-Parlament. (Europaliste)

Demirel SchirdewanAngeführt wird die Liste von dem 43-jährigen Ostdeutschen Martin Schirdewan und der 34 Jahre alten Özlem Alev Demirel.

Martin Schirdewan ist seit 2017 Abgeordneter im EU-Parlament und zuständig für Wirtschafts- und Währungsfragen. (Rede von Martin Schirdewan)

Mit Özlem Demirel steht eine Frau mit migrantischem Hintergrund – die Tochter politischer Flüchtlinge kam mit fünf Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland – an der Spitze. Sie ist Gewerkschaftssekretärin bei Ver.di und war bis 2018 vier Jahre lang Landesvorsitzende der Linken in NRW. Vorher war sie Bundesvorsitzende der Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF).

Brücken bauen - Kompromisse suchen

Die Herausforderung für diesen Parteitag bestand darin, Formulierungen zu finden, die von allen Lagern getragen werden können. Keine leicht Aufgabe, denn in der Linkspartei gibt es eine große Bandbreite von Positionen zur EU: Von denjenigen, für die die EU ein nicht reformierbares imperialistisches Projekt und Produkt des Kalten Krieges ist - "Die EU kann nicht neu gestartet werden, sondern muss überwunden werden und durch ein solidarisches Europa von unten ersetzt werden", sagte z.B. der Bremer Delegierte Sebastian Rave und setzte sich für eine Abschaffung der EU ein. - bis zu denen, die sich eine "Republik Europa" auf die Fahnen geschrieben haben. Sie stellen Erfolge linker Politik auf europäischer Ebene in den Vordergrund und machen die Nationalstaaten für die Fehler bei der europäischen Integration als auch der Krisenpolitik verantwortlich und wollen gerade deshalb deren Macht in Brüssel beenden. Es seien die Nationalstaaten, die z.B. eine Reform der Entsenderichtlinie oder des Dublin-Abkommen blockieren, hieß es in der Debatte auf dem Parteitag. Bei der Erpressung Griechenlands habe es sich gezeigt, dass es de facto mit Schäuble bereits einen EU-Finanzminister gab, der aber von den Griech*innen nicht abgewählt werden könne. Deshalb sollen die Nationalstaaten abgeschaftt werden und ein richtiges europäisches Parlament und eine europäische Regierung, in denen es nicht mehr um nationale Interessen geht, an deren Stelle treten.

"Wir dürfen doch Europa nicht den Nationalisten überlassen. … Unser Job ist es, die Europäische Union zu retten und nach links zu verschieben", sagte der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich in der Debatte. Die Europaabgeordnete Sabine Lösing hielt dem entgegen, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen diese "Republik Europa" ein imperialistisches Europa bedeutet.

Eine Analyse der ökonomischen und politischen Triebkräfte, die zum Aufbau transnationaler Regulierungsinstitutionen und transnationaler Staatsapparate drängen, scheint bei beiden Seiten sehr wenig ausgeprägt zu sein.

"militaristisch, undemokratisch und neoliberal"? Oder was?

Um die Spannungen rauszunehmen hatte der Parteivorstand in der im Vorfeld überarbeiteten Fassung die Attribute getilgt, mit denen "vertragliche Grundlagen der EU" gekennzeichnet waren – nämlich als "militaristisch, undemokratisch und neoliberal".

Dies sorgte für einigen Wirbel und die Verdächtigung, dass DIE LINKE jetzt auf einen kritiklosen pro-EU-Kurs einschwenken würde. Bei genauerem Hinsehen kann man jedoch ersehen, dass sich nicht viel geändert hat. Nach der vom Vorstand beschlossenen Umformulierung bleibt es beim Ziel eines Neustarts der Europäischen Union. Und: "Dabei müssen alle vertraglichen Grundlagen revidiert werden, die zur Aufrüstung verpflichten und auf Militärinterventionen orientieren, die Anforderungen demokratischer Gestaltung entgegenstehen und die neoliberale Politik wie Privatisierung, Sozialabbau oder Marktliberalisierung vorschreiben."

zum Thema
Was ist »proeuropäisch«?
Anmerkungen zur linken Europa-Debatte

Trotzdem prallten an diesem Passus die Lager hart aufeinander. Für Sascha Stanic von der Antikapitalistischen Linken AKL stellt sich an diesem Punkt die Frage, ob DIE LINKE "systemimmanent oder Systemopposition" ist. Dafür sei der Satz mit den Adjektiven "militaristisch, undemokratisch und neoliberal" entscheidend. (Rede von Sascha Stanic

Demgegenüber äußerte Fabio De Masi in seinem Diskussionsbeitrag, dass die neue Formulierung nicht weniger EU-kritisch, dagegen aber "viel genauer" als die bisherige sei. Mit der Entgegensetzung von »guter Europäer, schlechter Europäer« komme man sowieso nicht weiter. Mehr EU sei z.B. beim Thema Steuern erforderlich, um Steuerflucht bekämpfen und Konzerne wie Google, Apple und Amazon besteuern zu können, aber weniger EU, wenn es z.B. um kommunale Dienstleistungen geht, so De Masi.

Formulierung im ursprünglichen Entwurf:
"… Gemeinsam mit anderen linken Parteien stehen wir für einen grundlegenden Politikwechsel in der Europäischen Union. Wir wollen eine andere, eine bessere EU. Die Europäische Union muss zu einer tatsächlich demokratischen, sozialen, ökologischen und friedlichen Union werden. Die Vertragsgrundlagen der Europäischen Union sind dafür nicht geeignet. Die Europäische Union braucht einen Neustart mit einer vollständigen Revision jener vertraglichen Grundlagen, die militaristisch, undemokratisch und neoliberal sind. Wir setzen uns deshalb weiter für eine Verfassung ein, die von den Bürgerinnen und Bürgern mitgestaltet wird und über die sie zeitgleich in allen EU-Mitgliedstaaten in einem Referendum abstimmen können. Neustart der EU heißt, die Prioritäten umkehren: Nicht die Freiheit des Marktes steht an erster Stelle, sondern die Interessen der Mehrheit der Menschen. …"

Neuformulierung:
Der Satz mit "militaristisch, undemokratisch und neoliberal" wurde ersetzt durch: "Die EU braucht einen Neustart. Dabei müssen alle vertraglichen Grundlagen revidiert werden, die zur Aufrüstung verpflichten und auf Militärinterventionen orientieren, den Anforderungen demokratischer Gestaltung entgegenstehen und die neoliberale Politik wie Privatisierungen, Sozialabbau oder Marktliberalisierung vorschreiben."

    

 

Für Lucy Redler, die für die »Antikapitalistische Linke« sprach, ist die EU eine Vereinigung der herrschenden Klasse und könne nicht mit einem anderen Inhalt gefüllt werden, ein "Haus mit schiefem Fundament", an dem man, solange man gezwungen sei darin zu wohnen, nur "Schönheitsreparaturen" durchführen könne. Sie plädierte dafür, in dieser EU für Verbesserungen zu kämpfen, dies aber in Opposition zu dieser EU und mit der Zielrichtung eine "neues Haus", ein sozialistisches Europa aufzubauen. (Rede von Lucy Redler)

Freiheit für Lula!

Luiz Teixeira PT

  Grußwort von Luiz Paulo Teixeira Ferraira, Vize-Vorsitzender der Arbeiterpartei Brasiliens  

 

Ein anderes Europa wird nicht aus den Trümmern der EU entstehen, sondern aus den Kämpfen innerhalb der EU

Harald Wolf verteidigte den Vorschlag des Parteivorstandes. Es gäbe einen breiten Konsens für den Programmentwurf, dieser verbinde eine grundsätzliche Kritik an der EU mit einer positiven Einstellung zu Europa. Ein anderes Europa werde nicht aus den Trümmern der EU entstehen, sondern aus den Kämpfen innerhalb der EU. Vehement sprach er sich gegen den vom Forum Demokratischer Sozialismus und vor allem des Landesverbandes Sachsen eingebrachten Vorschlag der »Republik Europa« aus. Der Begriff »Republik Europa« sei nicht neutral, sondern schon von Ulrike Guerot besetzt und habe zahlreiche Implikationen, wie z.B. die Aufhebung der Verfassungen der Nationalstaaten und die Übertragung deren Kompetenzen an europäische Institutionen. Vor allem knüpfe diese Idee nicht an den real existierenden Problemen und Kämpfen an. Wenn denn über die Vision eines vereinigten Europas diskutiert werde, dann solle über ein vereinigtes, sozialistisches Europa gesprochen werden.

 

Mit jedem Ertrinkenden im Mittelmeer stirbt die Würde der Europäer.

Die Kapitänin der Rettungsschiffe "Juventa" und "Sea Watch III", Pia Klemp, war Gast beim Parteitag der LINKEN und hielt eine bewegende Rede. Sie berichtet über die Seenotrettung und darüber wie diese kriminalisiert wird. Von der LINKEN erhofft sie sich, konsequenten Einsatz für Menschenrechte und sichere Fluchtrouten. Sie erhielt den stärksten Applaus bei diesem Parteitag.
"Tagelang fuhr ich mit einem zweijährigen toten Kind in der Tiefkühltruhe in internationalen Gewässern auf und ab, weil kein europäisches Land ihn retten wollte, als es noch möglich war und sie uns dazu einen Hafen verwehrten. Seine Mutter war auch bei uns an Bord - lebendig. Was sag ich einer traumatisierten Frau, deren Kind in meinem Gefrierschrank liegt, über den Friedensnobelpreisträger EU? … Wenn ich einen Menschen im Mittelmeer rette droht mir Gefängnis, wenn er einen EU Pass hätte, würde mir nichts passieren. … Mit jedem Ertrinkenden im Mittelmeer stirbt die Würde der Europäer. Die Rettung der Menschen auf See ist eine Pflicht. … Eigentlich ist es ganz einfach: Entweder man ist für die Menschenrechte oder nicht."

    

 

 

Gabi Zimmer: "Europa ist eigentlich ein linkes Projekt."

Gabi ZimmerVorher hatte Gabi Zimmer, Vorsitzende der Fraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament, an das von italienischen Kommunisten im Jahr 1941 im Straflager verfasste Manifest von Ventotene erinnert. In diesem Manifest wird für die Zeit nach der Niederschlagung des Faschismus und dem Ende des Zweiten Weltkrieges die "endgültige Beseitigung der Grenzen, die Europa in souveräne Staaten aufteilen" gefordert. Gabi Zimmer zitierte aus diesem Manifest einen entscheidenden Satz, der häufig weggelassen wird: "Die europäische Revolution muss sozialistisch sein, um unseren Bedürfnissen gerecht zu werden: sie muss sich für die Emanzipation der Arbeiterklasse und die Schaffung menschlicherer Lebensbedingungen einsetzen." Ihre Schlussfolgerung: "Europa ist eigentlich ein linkes Projekt."

Für das Verhältnis zur EU zitierte sie den französischen Philosophen Etienne Balibar: " Unser Verhältnis als Linke zur EU wird durch zwei Grundsätze bestimmt, die Etienne Balibar, französischer Philosoph, auf den Punkt brachte:

  • wir wissen, dass die europäische Integration unverzichtbar ist, und wir wissen, dass die EU so wie sie heute ist, diese nicht leistet.
  • wir wissen auch, dass es zwischen der neoliberalen und der sozialistischen Orientierung für die Zukunft Europas keinen Mittelweg geben kann. "

Gabi Zimmer plädiert dafür, die Kämpfe auf den verschiedenen Ebenen zusammenzuführen. "Zu den Lehren des Brexits sollte für die Linke in Europa, in der EU zählen, dass die Kämpfe um soziale Gerechtigkeit, gute Arbeit, für ein Leben ohne Armut, für intakte Gesundheits- und Bildungssysteme, kulturelle und soziale Dienstleistungen nicht getrennt von der europäischen, EU- und der nationalen Ebene geführt werden können."
Sie fordert unter anderem auch für eine gesetzliche Fortschrittsklausel für demokratische, soziale und ökologische Standards zu kämpfen. D.h., dass im EU-Recht festgeschriebene demokratische und soziale Rechte sowie ökologische Kriterien nicht mehr abgesenkt, sondern nur noch angehoben werden können. (Rede von Gabi Zimmer)

Haende weg von Venezuela      

Solidaritätsaktion während der Beratung des Wahlprogramms

Ein zwischen der AG Cuba Si und dem Parteivorstand abgesprochener Antrag zur Solidarität mit Venezuela und gegen die imperialistische Einmischung in Lateinamerika wurde von der Parteitagsleitung allerdings abgewiegelt und an den Parteivorstand überwiesen. Angeblich aus Zeitgründen. Die Geschäftsordnungsdiskussion dauerte aber länger, als es wahrscheinlich gedauert hätte, über den Antrag - mit voraussichtlich deutlicher Mehrheit - zu beschließen.

 


Wahlprogramm beschlossen

Am Schluss dieser Debatte über die Präambel entschieden sich die 580 Delegierten mit knapper Mehrheit dafür, die vom Parteivorstand vorgeschlagene Version zu akzeptieren. Die Debatte über die Präambel des Wahlprogramms wurde streitbar, aber erstaunlich sachlich, ohne große Eskalation geführt, und nachher ging es nahezu harmonisch weiter.

So wurde der Vorschlag, dass spekulativem Leerstand von Wohnungen durch Enteignung begegnet werden soll, einstimmig beschlossen.

Hitziger wurde es nur noch bei der Frage, ob DIE LINKE sich für einen Kohleausstieg im Jahr 2030 oder 2035 einsetzt. Eine Rolle spielt dabei, dass die Linkspartei in Brandenburg mitregiert. Eine Rednerin aus der Lausitz erklärte, den Menschen dort sei der Klimaschutz auch wichtig, aber die Region drohe weiter abgehängt zu werden, wenn der Ausstieg zu früh kommt. Die Lausitzerin verteidigte den Kompromiss der Kohlekommission und nannte das Jahr 2033 als Ende der Kohleverstromung in der Lausitz. In einer Gegenrede erklärt Lorenz Gösta Beutin, das Ergebnis der Kohlekommission sei kein Kompromiss. Um das Pariser Klimaschutzabkommen umzusetzen, müsse bis spätestens 2030 ausgestiegen werden. Allein dies sei auch zukunftsfähig für kommende Generationen. Schließlich sprachen sich die Delegierten mit großer Mehrheit für einen europaweiten Kohleausstieg im Jahr 2030 aus.

Nach über neun Stunden Debatte hatte DIE LINKE dann ein Programm für die kommende Europawahl. Viele strittige Punkte konnten im Vorfeld durch Kompromisse gelöst werden. An strittigen Stellen setzte sich in den meisten Fällen der Vorschlag des Parteivorstands durch. Dass die Debatte ohne große Zuspitzungen über die Bühne ging, mag auch damit zusammenhängen, dass die Fraktionschefin im Bundestag, Sahra Wagenknecht, ihre Teilnahme wegen einer Erkrankung abgesagt hatte. Auch Oskar Lafontaine war nicht anwesend.

Aber an der Frage, wie mit der real existierenden EU umzugehen ist, scheiden sich in der LINKEN nach wie vor die Geister. Der Begriff des Neustarts wird sehr unterschiedlich ausgelegt: von der vollständigen Beseitigung der EU-Grundlagenverträge über deren Reformierung bis hin zum Ziel einer europäischen Republik. Gemeinsam ist, dass jenseits von abstrakten Formulierungen an den bestehenden Kämpfen angeknüpft werden muss, dass in den Bewegungen für soziale Rechte und für Frauenrechte, der Rettung und Unterstützung von Geflüchteten, grenzüberschreitenden gewerkschaftlichen Kämpfen, der Bewegung der Schüler*innen zur Rettung des Klimas, … das andere Europa sichtbar wird.

Katja Kipping: Wir wollen kein Auseinanderbrechen der EU

Zum Auftakt des Parteitags hatte die Ko-Parteivorsitzende Katja Kipping am Freitagnachmittag ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union abgegeben. "Wir wollen kein Auseinanderbrechen der EU", sagte sie. "Wenn wir die konkrete EU-Politik kritisieren, dann niemals mit dem Ziel, dass es zurück in das Nebeneinanderher von Nationalstaaten geht." Kipping weiter: "Rechte wie Neoliberale haben nichts zu bieten für die Zukunft auf diesem Kontinent. Es sind vielmehr die Kräfte der Solidarität, die Mut machen auf ein anderes Europa. So retten engagierte Aktivistinnen und Aktivisten z.B. von Seawatch Flüchtende vorm Ertrinken. Fortschrittliche Stadtregierungen, darunter Berlin, haben ein Netzwerk der solidarischen Städte gegründet, um sich für die Aufnahme der Geretteten einzusetzen. Sie beweisen, es ist nicht egal, wer regiert. Ein anderes Europa ist möglich, wenn in Rathäusern und Parlamenten andere Mehrheiten herrschen und wenn sich deren Arbeit verbindet mit dem Einsatz der Vielen, die schon in Bewegung sind."

Sie warnte, dass 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg die Welt am Beginn eines neuen atomaren Wettrüstens steht. "Mit der Aufkündigung des INF-Vertrages ist die gesamte Architektur der atomaren Rüstungskontrolle in Gefahr." Anstelle einer Militärmacht Europa und intensivierter Aufrüstung in Deutschland sei eine Sicherheitspartnerschaft notwendig, so Kipping. "Wir streiten für eine EU der Abrüstung, die souverän ihr Verhältnis zur USA und zu Russland bestimmt. … Wir brauchen vielmehr eine europäische Sicherheitspartnerschaft, die Russland nicht provoziert, sondern versucht einzubinden."
(Rede von Katja Kipping)

 

Bernd Riexinger: Für eine starke Linke in ganz Europa!

Ko-Vorsitzender Bernd Riexinger betonte, dass es bei der bevorstehenden EU-Wahl um eine Richtungsentscheidung geht.

"Werden Merkel, Macron und Junker bestätigt, die verantwortlich sind für ein Europa der sozialen Spaltung? Ein Europa, in dem Wettbewerb, Profit und Konzerninteressen mehr zählen als die sozialen Interessen der Vielen, die jeden Tag arbeiten, um über die Runden zu kommen?
Oder kommt es zu einem Rechtsruck. Werden LePen, Orban, Kurz, Salvini oder die AfD gestärkt und damit ihr Kurs einer migrationsfeindlichen und zugleich unsozialen Politik.
Oder gibt es eine starke Linke, die den klaren Gegenpool zu beidem bildet. Wir stehen für internationale Solidarität und für ein soziales Europa. Wir, liebe Genossinnen und Genossen ergreifen Partei: Für alle, die für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen kämpfen. Für alle, die nicht ertragen, dass Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. Für alle, die nicht länger akzeptieren wollen, dass Profitgier die Umwelt und das Klima zerstört. Für alle, die dagegen kämpfen, dass mit Wohnen, Wasser, Gesundheit und Pflege spekuliert wird.
Gerade in dieser Zeit brauchen wir eine starke Linke, die dem Europa der Banken und Konzerne den Kampf ansagt. Die Hoffnungsträger ist für alle, die für ein soziales, gerechtes, friedliches und demokratisches Europa stehen. Wir wollen die politischen Kräfteverhältnisse nach links rücken", so Riexinger. Die LINKE setze sich für ein Europa ein, in dem alle Lohnabhängigen gut leben können.

Riexinger zog eine Linie von europaweiten Arbeitskämpfen über das Gender Pay Gap bis zur Kriminalisierung von Schwarzfahrern; Steuerschlupflöcher und Steueroasen müssten geschlossen werden, dann wäre genug Geld für eine vernünftige Bildungs- und Sozialpolitik da. Deutschland solle nicht Exportweltmeister, sondern Weltmeister des Mindestlohns werden. "Die Kluft zwischen Armen und Reichen schließen, das ist die Politik der LINKEN in Europa!", sagte Bernd Riexinger. Er zitiert Norbert Blüm, der sagte: "Wenn 500 Millionen Europäer nicht 5 Millionen oder mehr verzweifelte Flüchtlinge aufnehmen können, dann schließen wir am besten den Laden Europa wegen moralischer Insolvenz". Er mahnt zur konsequenten Friedenspolitik.

Eine zentrale Rolle in Riexingers Rede nahm die Wohnraumpolitik ein. Egal ob in Paris, München oder Brüssel, die Innenstädte könnten sich nur noch Reiche leisten. Ein positives Beispiel sei Wien, wo es viel sozialen Wohnraum gibt. Riexinger fordert die Enteignung großer Immobilienkonzerne und bekundet, dass die LINKE an der Seite von »Recht auf Stadt« Initiativen steht.

Riexinger: "Wir machen Hoffnung auf ein Europa, das Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammenbringt! Junker, Merkel und Macron werden ein solches Europa nicht schaffen. Vielmehr sind es die Schülerinnen und Schüler, die europaweit für Klimaschutz kämpfen, die Gewerkschaften, mit und ohne gelbe Westen, die für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Es sind die Bürgerinitiativen, die gegen Privatisierung kämpfen. Wir setzen auf diejenigen, die Flüchtlinge retten und nicht ertrinken lassen. Wir setzen auf alle, die sich unermüdlich und unerschrocken für eine bessere Gesellschaft, für ein soziales und demokratisches Europa einsetzen. Für die Solidarität der Vielen gegen die Herrschaft der Wenigen. Für eine starke Linke in ganz Europa!"
(Rede von Bernd Riexinger)

 

Gregor Gysi: Wir wollen die europäische Integration

Gregor Gysi, Vorsitzender der Partei der Europäischen Linken plädierte leidenschaftlich für eine "europäische Integration an, in der Menschen solidarisch und friedlich zusammenleben, in der für alle demokratische und einklagbare soziale Grundrechte gelten und die uns ermöglicht, im Einklang mit Natur und Umwelt arbeiten und leben zu können".
Er forderte DIE LINKE auf, sowohl für die europäische Integration einzutreten wie auch für deren grundlegende Reform. "Für Beides müssen wir leidenschaftlich streiten – für die europäische Integration und für die dringend notwendige Reform der EU! Linke Kritik an Herrschaftsverhältnissen ist üblich. Wir kritisieren ja nun mal die Herrschaftsverhältnisse im Kapitalismus. Und da wir die Herrschaftsverhältnisse kritisieren, senden wir überwiegend negative Botschaften aus. Ich glaube aber, dass die Menschen auch Aussichten brauchen, Hoffnungen, Perspektiven. Deshalb sollten wir nicht immer negativ formulieren, sondern positiv aufzeigen, was wir verändern wollen und was auch erreicht werden kann", so Gysi.
(Rede von Gregor Gysi)

 


Dietmar Bartsch: Die Zeichen auf Links drehen

Vor der Abstimmung über die Präambel des Wahlprogramms hielt Dietmar Bartsch den Bericht der Bundestagsfraktion. Er befasste sich mit der "Charmeoffensive" der SPD und bot Sozialdemokraten, den Gewerkschaften und den Sozialverbänden einen "Sozialstaatsdialog" an.

"Ja, es gibt bei der SPD eine neue Charmeoffensive, eine soziale Charmeoffensive. Wir müssen das auch ernst nehmen, wenn der Kollege Heil Vorschläge zur Rente macht und damit anerkennt, dass es ein Problem bei dem Thema Altersarmut gibt. Ich will im Übrigen mal festhalten, dass es Matthias W. Birkwald, der bei uns Rentenpolitik macht, war, der die Bundesregierung zu der Bestätigung gebracht hat, dass die Zahl der armen Rentner in den letzten 10 Jahren von 14,0 auf 19,5 Prozent gestiegen ist. Deswegen ist es richtig, dass dieses Thema endlich in den Fokus gerät und selbstverständlich sind wir bereit, uns für das Thema weiter zu engagieren.
Neulich wurde ich auf einer Pressekonferenz gefragt, ob das denn jetzt so wäre, dass uns mit den neuen Vorschlägen der SPD die Butter vom Brot genommen wird. Nein, gegenteilig, wir bekommen Butter auf’s Brot. Das sind unsere Themen! Wenn 12 Euro Mindestlohn realisiert werden, dann ist das eine gute Sache. Wenn endlich der Kampf gegen Altersarmut aufgenommen wird, dann ist das eine gute Sache. Und wenn der Kampf gegen Kinderarmut wirklich realisiert wird, dann ist das eine vernünftige Sache. Wir sind da um Bewegungen hinzukriegen für die Menschen. Da machen wir jeden Schritt, der positiv ist, selbstverständlich mit.
Deswegen nochmal das Angebot an die Sozialdemokraten, an die Gewerkschaften, an die Sozialverbände: Wir wollen einen Sozialstaatsdialog, der die Frage beantwortet, was Sozialstaat im 21. Jahrhundert unter den Bedingungen von Globalisierung, Digitalisierung und Veränderung der Arbeitswelt ist. Dazu sind wir bereit. Also: Kommt her, lasst uns reden, lasst uns streiten. Wir brauchen gesellschaftlichen Druck, weil die mitte-links Mehrheiten im Parlament leider nicht mehr da sind. Das hat auch mit der Sozialdemokratie zu tun. Wir sind die Partei der Veränderungen und nur wir sind ein Bündnispartner, wenn man wirklich korrigieren will. Nicht Union und FDP, sondern DIE LINKE."
(Rede Dietmar Bartsch)

 

Ziel 10 Prozent

Die LINKE hat nun für die kommende Wahl ein Programm mit dem Titel »Für ein solidarisches Europa der Millionen, gegen eine Europäische Union der Millionäre« und ein Kandidat*innenliste. Jetzt kommt es darauf an, was sie daraus macht. Linken-Chef Bernd Riexinger hat für die Europawahl im Mai mindestens zehn Prozent der Stimmen als Ziel ausgegeben. Dazu muss die Partei jetzt an einem Strang ziehen

Lucy Redler kritisiert zwar nach dem Parteitag, dass nicht EU-kritischer Positionen bezogen worden sind, orientiert aber auf einen Wahlkampf, der soziale Themen und Kämpfe in das Zentrum rückt. "Es wäre besser gewesen, wenn die Linke eine deutlich EU-kritischere Position bezogen hätte, ohne den Eindruck zu erwecken, dass wir zurück zum Nationalstaat wollen. Unsere Alternative ist der europaweite Kampf gegen Rassismus und für ein sozialistisches Europa…. Wir müssen im Europawahlkampf soziale Themen und Kämpfe stark machen, die die Menschen vor Ort betreffen."

Demgegenüber sagte der Bundestagsabgeordnete Alexander Neu der Deutschen Presse-Agentur: "Das war ein politisch entkernter Parteitag. Mit so wenig Profil wird es schwer mit der Daseinsberechtigung. Da reichen Grüne und SPD aus."

Die Spitzenkandidatin Özlem Demirel betont die Gemeinsamkeiten: "In der Zielsetzung gegen Austeritätspolitik, gegen eine weitere Aufrüstung und für den Erhalt unserer Umwelt sind wir uns einig. Selbstverständlich diskutieren wir als Linkspartei über den Weg, wie wir zu einer friedlicheren, solidarischeren und sozialen Gesellschaft kommen können. Es ist auch normal, dass es in einer Partei, die in Bewegung ist, dazu verschiedene Vorstellungen gibt. … In einer Zeit, in der zum Teil faschistische Kräfte oder rechtspopulistische Kräfte stärker werden, darf es sich die politische Linke nicht erlauben, sich jetzt selber zu spalten. Da muss man sich auch mal zusammenreißen. Man muss die Punkte genau herausarbeiten, an denen es Konsens gibt." (Interview mit Özlem Demirel)

Özlem Demirel: Europa ist für mich die Seebrücken-Bewegung

Auf dem Parteitag hatte Özlem Demirel mit einer begeisternden Rede die Delegierten zu Beifallstürmen hingerissen. "Europa ist für mich die Seebrücken-Bewegung! Europa sind für mich die Kollegen von Amazon, von Ryanair, die für gute Arbeit, für gute Löhne kämpfen! Europa, das ist für mich die Mieter*innenbewegung in Deutschland, in Spanien, in verschiedenen Ländern Europas! Europa, das sind für mich die Schülerinnen und Schüler, die jeden Freitag auf die Straße gehen für eine gerechte und nachhaltige Umweltpolitik! … Lasst uns nach diesem Parteitag die Ärmel hochkrempeln und deutlich machen, dass wir – egal ob in Rostock oder in Freiburg – im Bund oder im Europaparlament gegen Privatisierungen und für Investitionen in eine gute Infrastruktur streiten."


 

Für die, die nur wenig Zeit haben: Drei Tage in drei Minuten



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