Meinungen

Alexis_Tsipras_syriza_oneiros24.05.2012  In einem Interview mit der britischen Zeitung The Guardian erklärt Alexis Tsipras, Vorsitzende der Allianz der Radikalen Linken (SYRIZA): “Griechenland ist für das Experiment zur Umsetzung der neoliberalen Schock-Politik ausgewählt worden und die Griechen waren die Versuchstiere. Wenn das Experiment fortgesetzt wird, wird es als geglückt betrachtet und diese Politik dann auch in anderen Ländern angewendet werden. Deswegen ist es so wichtig, dass das Experiment gestoppt wird. Dies wird ein Sieg nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Europa sein.“ Und er fordert:“Das Experiment der im Namen der Lösung der Krise verfolgten Sparpolitiken muss beendet werden“. Griechenland hat eine starke kommunistische Partei, die 8.5% der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte. Andere linke Kräfte erreichten 27 %, (das Wahlbündnis Syriza 16,8%, die Demokratische Linke DIMAR 6,1%,die antikapitalistische linke Partei ANTARSYA 1,2% die griechischen Grünen 2,9%). Damit haben die Linken Parteien ihr Wählerpotential verdoppeln können. Allerdings hat sich das Wählerpotential der neo-faschistischen Parteien verdreifacht. Sie erhielten 20,5 der Wählerstimmen.

Bevor Syriza als zweitstärkste Fraktion nach den Wahlen vom griechischen Staatspräsidenten Papoulias beauftragt wurde, eine Regierung zu bilden, traf sich  Alexis Tsipiras unter anderem auch mit Mikis Theodorakis. Der gab danach folgende Erklärung ab: “Ich unterstütze mit allen meinen Kräften die Bemühung des Alexis Tsipras zur Bildung einer Regierung, die das Memorandum aufkündigen und die Wiedererlangung der nationalen Souveränität  unseres Vaterlandes verfolgen wird. Ich rufe alle Patrioten und kreativen Griechen auf, zu helfen, damit Griechenland auf den Weg der Unabhängigkeit, des Fortschritts und der Renaissance geführt wird.“

Syriza ist ein Bündnis von verschiedenen linken Gruppierungen. Initiator und Kern des Wahlbündnisses war die Linkspartei Synaspismos („Koalition der Linken, der Bewegungen und der Ökologie“), die 1992 von Aktivisten der sogenannten Inlands-Kommunisten gegründet wurde. 2010 spaltete sich der gemäßigte Flügel des Synaspismos ab und gründete die DIMAR (Demokratische Linke). Syriza blieb immer ein Bündnis der verschiedenen Gruppen, doch nun zwingt das griechische Wahlgesetz Syriza zur Umstrukturierung zu einer Partei, um im Fall eines Wahlsiegs am 17. Juni den Bonus der 50 Mandate zu erhalten, der nur Einzelparteien, jedoch nicht Wahl- oder Parteienbündnissen zugestanden wird. Das SYRIZA - Bündnis hat deshalb bei der Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtshofs die Gründung als politische Partei anstatt eines Parteibündnisses deklariert. Die neue Partei hat den Namen “SYRIZA Soziales Unionsbündnis” und soll von einem 19-köpfigen Präsidium geleitet und vertreten werden. Alexis Tsipras bleibt Vorsitzender der Partei und des Präsidiums.

Die Vorsitzende der DKP, Bettina Jürgensen, hat nach den Wahlen nicht nur der Griechischen Kommunistischen Partei KKE zu ihrem Erfolg gratuliert, sondern auch der Partei Synaspimos (siehe Anlagen). Das entspricht der politischen Orientierung der DKP, wie sie gerade auf der letzten PV-Tagung noch einmal bestätigt wurde. Doch nun entbrennt in der DKP ein heftiger Streit, ob die DKP sich über den Wahlerfolg von Syriza freuen darf, ob Kommunisten dem Linken Wahlbündnis gratulieren dürfen. Die Redaktion von kommunisten.de erhielt folgende Mail:


Liebe Genossinnen und Genossen,

auf Kommunisten.eu wird in dem Artikel „Neuwahl in Griechenland – Syriza im Aufwind“ im letzten Absatz darauf hingwiesen, dass die DKP-Vorsitzende Bettina Jürgensen in einem Schreiben an Synaspismos erklärt: "Ihr gebt der Vorstellung, dass ein anderes Europa möglich ist, neue Impulse. Diese Entwicklungen sind inspirierend und bestärken unser Engagement, für eine alternative Perspektive zusammenzuarbeiten. Für die Neuwahlen wünschen wir viel Erfolg, um eine linke Regierung zu bilden."

Mit dieser Erklärung solidarisiert sich die DKP-Vorsitzende und der Autor des Artikels lm mit den Zielen von Syriza:

„Syriza hat vorgeschlagen, eine gemeinsame Regierung aller linken Kräfte zu bilden. Diese solle auf der Grundlage eines 5-Punkte-Plans arbeiten. Dieser 5-Punkte-Plan beinhaltet unter anderem Folgendes: Den Verbleib Griechenlands in der Eurozone, die Kündigung aller Austeritätsverträge mit der EU, der Troika und der EZB, die staatliche Kontrolle über alle Banken, die Rücknahme aller Lohnkürzungen und Einschränkungen des Tarifrechts. Offensichtlich entspricht dies, und das zeigt die Dynamik der Wahlumfragen, dem Wunsch von über 70% der Griechinnen und Griechen.“

Dies ist ein Zugeständnis illusionärer Vorstellungen und deren Verstärkung, dass es eine Lösung innerhalb des kapitalistischen Systems bzw. des kapitalistischen Europas durch Reformen gäbe.

Im Namen des DKP-Vorstandes Mitte-Pankow solidarisieren wir uns mit den klaren Positionen und Analysen der KKE. Mit Empörung nehmen wir zur Kenntnis, dass ein Schreiben zur Unterstützung der Syriza von Seiten der Vorsitzenden und eines Stellvertreters der DKP (Autor des Artikels lm), dessen Inhalt bisher nicht parteiöffentlich ist und in dem konträr zu unserer und unserer Schwesterpartei KKE eine Position vertreten wird, die auf keiner marxistischen Grundlage basiert.

Mit kommunistischen Grüßen
Vorstand der DKP-Mitte-Pankow

Es ist offensichtlich. Es geht hier um mehr als nur um das Grußschreiben. Da wird schon wieder die Keule geschwungen, „dass dies auf keiner marxistischen Grundlage basiert“. Die Folgen dieser Argumentation bekomme ich persönlich auf meinem Gruppenabend in Berlin zu spüren. Bei der Auswertung der 8. PV-Tagung in unserer Gruppe habe ich das Referat von Bettina verteidigt und mich auch kritisch mit der Politik der KKE auseinandergesetzt. Der Gruppenvorsitzende beendete die Diskussion mit dem Hinweis, für Leute wie mich sei kein Platz mehr in der DKP. Und der anwesende Landesvorsitzende der DKP Berlin unterstützte ihn mit der Aussage, dass auch er der Meinung sei, das bestimmte Kräfte im Parteivorstand nicht mehr in diese Partei gehören.

Es geht also nicht nur um die Einschätzung der Situation in Griechenland, sonder auch um die politische Orientierung der DKP, um die Frage, was heute revolutionäre Politik ist, um die Fragen von Reform und Revolution. „Wege aus der Krise“, so heißt der Arbeitstitel für einen Antrag an den kommenden Parteitag, der vom Parteivorstand auf seiner nächsten Sitzung verabschiedet werden soll, damit er dann in der Gesamtpartei diskutiert werden kann. Es könnte eine Richtungsdiskussion werden, ob die DKP ihre bisherige politische Orientierung beibehält oder auf den Kurs der Kommunistischen Partei Griechenlands einschwenkt.

Im Mai-Aufruf der Parteiorganisation der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) in Deutschland heisst es: „Die Einheit der sogenannten „linken Kräfte“, wie sie auch bei den Wahlen in Frankreich zu beobachten ist, erweist sich immer wieder als Instrument des Kapitals zur Unterordnung der arbeitenden Menschen in die Strategie der Sozialdemokratie, um eine Radikalisierung der Massen zu verhindern und konservative Haltungen zu fördern. Eine wichtige Mitverantwortung an diesem Zustand tragen auch die Führungen von DGB, IG Metall und ver.di sowie der internationale Gewerkschaftsverband ITUC, als Verteidiger der Europäischen Union und Verfechter der Klassenzusammenarbeit mit dem Kapital.“

Die hier erkennbare Absage an die „Einheit der Linkskräfte“ ist das Gegenteil dessen, worauf die DKP in ihrem Parteiprogramm orientiert. Sowohl sinngemäß als auch wörtlich orientiert die DKP auf eine breite Zusammenarbeit der Linkskräfte und weitergehend um die Bündelung der Widerstandskräfte weit übe die Linke hinaus und fordert die Diskussion so zu führen, dass gemeinsames Handeln gefördert und nicht erschwert wird. Die Einheit der Linkskräfte als Instrument des Kapitals zu werten ist auch dann kaum nachvollziehbar, wenn diese als „sogenannte linke Kräfte“ bezeichnet werden.

Am Wochenende haben Kommunisten gemeinsam mit über 25.000 Teilnehmern der Qccupoy-Bewegung in Frankfurt demonstriert. Nach Lesart der KKE müsste dies ein Fehler gewesen sein. Hatte sie doch die Bewegung der Empörten in Spanien und Griechenland genau so beurteilt wie heute die Syriza: Als eine vom Klassengegner organisierte Bewegung, die die Massen abhalten soll, sich in der KKE zu organisieren. Unsere Orientierung auf Aktionseinheit und Bündnispolitik ist keine taktische Orientierung, weil wir als DKP nicht den Masseneinfluss haben, wie ihn die KKE in Griechenland hat.


In der Präambel des Parteiprogramms der DKP heißt es auf Seite 3:

„…Gegen diese vom Imperialismus ausgehenden Bedrohungen formiert sich Widerstand: in der Arbeiterbewegung, in der Friedens und Antiglobalisierungsbewegung, im Protest der Völker in den Entwicklungsländern. „Eine andere Welt ist möglich“, diese Losung mobilisiert Menschen unterschiedlicher parteipolitischer und weltanschaulicher Orientierung überall auf der Welt. Die Kommunistinnen und Kommunisten der Deutschen Kommunistischen Partei sind konsequente Streiter und Mitstreiter in diesen Bewegungen. Sie wirken aktiv für deren unmittelbare Anliegen. Sie wirken für die Vereinigung der vielfältigen Kräfte. Sie wirken dafür, dass der Widerstand und die Abwehrkämpfe in eine gemeinsame Offensive für die Interessen und Bedürfnisse all jener münden können, die vom Monopolkapitalismus ausgebeutet und unterdrückt werden. Eine andere Gesellschaft ist notwendig und möglich….“

Im Abschnitt IV. „Unser Weg zum Sozialismus“ heißt es auf Seite 31:

„…In der vor uns liegenden Etappe kommt es darauf an, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln. Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte, die sich an verschiedenen Fragen immer wieder neu bilden und in denen die Arbeiterklasse die entscheidende Kraft sein muss, sind die Voraussetzung, um die Rechtsentwicklung und den neoliberalen Umbau der Gesellschaft zu stoppen. Wenn aus diesen Allianzen stabile Bündnisbeziehungen und ein fester gesellschaftlicher und politischer Block gegen den Neoliberalismus entwickelt wird, dann können die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommt…“

Im selben Abschnitt wird auf Seite 32 des Programms auf die Notwendigkeit eines „antimonopolistischen Blockes“ hingewiesen als Voraussetzung für antimonopolitische Übergangsprozesse

Im Abschnitt V. „Die Kräfte des Widerstandes“ heißt es auf Seite 33:

„…Eine große Vielfalt neuer sozialer Akteure entsteht und entwickelt sich. Mit der antirassistischen Bewegung, in der Geschlechterfrage, zu Umwelt und Frieden und zu vielen anderen Fragen agieren neue Kräfte autonom. Die Existenz einer breiten Schicht von Ausgebeuteten und Ausgegrenzten eröffnet die Möglichkeit und die Notwendigkeit, alle Betroffenen in einem alternativen politischen und sozialen Projekt zusammenzuführen, sie als Gesamtheit in ihrer Vielfalt und Autonomie zu vereinen…“

Im selben Abschnitt heißt es im Kapitel „Zusammenarbeit mit anderen linken Parteien“ auf Seite 39:

„…Die DKP beteiligt sich an der weiteren Entwicklung der Diskussionsprozesse zwischen linken Parteien und Organisationen und anderen antikapitalistischen Linken. Es geht ihr darum, die Diskussion so zu führen, dass gemeinsames Handeln gefördert und nicht erschwert wird..“

Text: Michael Maercks, verantw. Redakteur für kommunisten.de
Foto: Oneiros