Der Kommentar

17.10.2012: Mit der Kriegsermächtigung der Türkei ist es nun vollkommen offensichtlich, dass der Bürgerkrieg in Syrien ein internationaler Konflikt ist. Wie so oft schon, spielt die Türkei die Rolle des Handlangers der US-Interessen in der Region. Es wäre allerdings falsch, sie als reine Marionette imperialistischer Interessen zu bezeichnen. Es ist ein schwer zu trennendes Geflecht aus Regionalmachtsambitionen und ausländischer Unterstützung, das die Türkei zu dieser kriegerischen Politik veranlasst. Wirtschaftspolitisch braucht sie dringend den Sturz des syrischen Regimes.

Seit der Eskalation des Bürgerkrieges und der Unterstützung und Ausbildung der so genannten Freien Syrischen Armee durch die Türkei, ist für die türkische Wirtschaft der arabische Markt weggebrochen. Zum einen laufen wichtige Handelsrouten über Syrien und zum anderen wird für viele Menschen in der Region immer offensichtlicher, welche neo-osmanischen Ambitionen hinter der Politik der AKP-Regierung stecken. Außerdem ist die AKP innenpolitisch durch die immer schwerer zu verheimlichenden Erfolge der kurdischen Guerilla PKK im Osten des Landes unter Zugzwang gesetzt. Ein Angriff auf Syrien stellt somit gleichzeitig eine willkommene Ablenkung dar.

Doch diese Politik stellt keinen Widerspruch zu US-Interessen in der Region dar, hat die USA und die NATO schon seit langem den von der AKP propagierten politischen gemäßigten Islam zur Aufrechterhaltung der eigenen Hegemonie benutzt.

So ist der Sturz Assads im Interesse beider Länder. Lediglich über die Geschwindigkeit und die dabei anzuwenden Mittel bestehen kleinere Differenzen. Während die USA bislang auf den inländischen Widerstand setzte, scheint die Türkei nun die Karte der offenen Intervention zu spielen, auch wenn sich nach aktuellen Umfragen mehr als zwei Drittel der türkischen Bevölkerung gegen einen Krieg aussprechen.

Einen kompletten Strich durch die Rechnung haben die in Syrien, besser gesagt in Westkurdistan lebenden KurdInnen gemacht. Sie propagieren einen dritten Weg, jenseits von ausländischer Intervention und Unterstützung des Assad Regimes und zwar die von der PKK vorgeschlagene demokratischen Autonomie innerhalb der syrischen Staatsgrenzen. In fast allen kurdischen Städten hat die Bevölkerung die Macht übernommen und begonnen sich in Form eines demokratischen Rätesystems sowie der Partei PYD (Partei der demokratischen Einheit) zu organisieren.

Dabei fürchten die USA und die Türkei in der Region nichts mehr, als die Emanzipation der KurdInnen, die sich auf die PKK und Abdullah Öcalan berufen, zu sozialistisch und antimonopolistisch sind deren Vorstellungen einer freien Gesellschaft. Deshalb überrascht es nicht, dass die Türkei genau zum jetzigen Zeitpunkt die Grenzgebiete Syriens bombardiert und sich zum Einmarsch bereit macht, um eine Puffer-Zone, die auf kurdischem Gebiet liegt, zu errichten. Ein primäres Ziel wird dabei sein, die Autonomie der KurdInnen zu zerschlagen, denn ein Naher Osten mit einem freien Kurdistan ist weder im Interesse der Türkei noch der USA

Kommentar von Kerem Schamberger (aus der UZ vom 19.10.2012)