Der Kommentar

07.12.2011: Ohne Zweifel wussten der Freiherr und seine Freunde schon vor dem 19. November, dem Tag von Guttenbergs Auftritt in Halifax (Kanada), dass der Ex-Bundesverteidigungs-minister wegen seiner Copy-and-Paste-Doktorarbeit nicht vor Gericht muss. Die deutsche Justiz stellte das Verfahren ein. Gegen Zahlung von lächerlichen 20 000 Euro. Die zuständige Staatsanwaltschaft Hof hatte zuvor mitgeteilt, der entstandene Schaden für die eigentlichen Urheber der Passagen sei „marginal“, also „unbedeutend“. Zu Guttenberg habe keine wirtschaftlichen Vorteile aus seiner Dissertation gezogen!

Witzig. Und angesichts der Karriere des Herrn „völlig zutreffend“. Und irgendwann ist damit dann die ganze Sache „vergessen“.

Guttenberg ist jedenfalls irgendwie wieder da. Mit dem Vortrag in Kanada am 19. November – ohne Brille, mit neuer Frisur und, als „angesehener Staatsmann“ – setzte er ein Zeichen. Er kritisierte die EU-Politik in der Krise. Der Mann ist jetzt „gelfrei“, wirkt insgesamt entschlossener und härter, zugleich „moderner“. Er hat gelernt, wie man sich besser verkauft, aber wohl auch, wie man noch dreister lügt.

Und obgleich er sich offenbar noch nicht wieder sofort in das Land seiner Betrügereien zurücktraut: CSU-Chef Seehofer konnte sich nach Guttenbergs Auftritt in Halifax zunächst noch vorstellen, dass der auch hier wieder – wenn auch noch nicht in der nächsten Zeit – ins politische Geschäft eingreift: „Er gehört zu uns, wir wollen ihn.“

Doch jetzt gibt es Konflikte mit der CSU-Führung. Denn der Freiherr hatte kurz danach in einem Interview mit der „Zeit“, einem Auszug aus seinem gemeinsam mit „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo entstandenen Gesprächsband, erklärt: Wenn sich die CSU noch als Volkspartei bezeichne, wirke dies „nur noch wie die Verhöhnung früherer Träume“.

Das regt nun wieder die CSU-Spitze auf. Ist die Ära Guttenberg vorbei? Skrupellose Leute wie der werden auch hierzulande angesichts der ökonomischen und zunehmenden politischen Krise des Systems gebraucht. Kehrt der ins Land zurück, könnte dies wieder in die Arme der CSU führen, aber auch ganz anders aussehen.

Noch wird hier im Lande darüber spekuliert, welche Chancen eine rechtspopulistische und deutschnationale Partei mit namhaftem reaktionärem Potential (da gibt es ja neben März/Koch auch noch Hans-Olaf Henkel, Thilo Sarrazin und manch andere) jenseits von der CDU/CSU – ähnlich wie in den Niederlanden, in der Schweiz, in Österreich, in Finnland, Italien, Griechenland und anderen Ländern – hätte, wenn CDU/CSU nicht selbst ... Guttenberg wird von Parteienforschern derzeit nicht als Macher, sehr wohl aber als möglicher „Katalysator“ für eine solche Neugründung, die gewiss nicht am Hungertuche nagen müsste, gesehen.

Also: Obacht!

Kolumne von Nina Hager (Vorabdruck aus der UZ vom 09.12.11)