Wirtschaft

Russ Rubel Dollar01.04.2022: Kein Aprilscherz: Ab heute müssen russische Gaslieferungen mit Rubel bezahlt werden ++ Teil der Maßnahmen, mit denen sich der Kreml gegen den Wirtschaftskrieg zur Wehr setzt ++ Selbst inmitten der militärischen Invasion bezahlt Russland an die Ukraine für den Gastransit ++ Wirtschaftsweise senken Wachstumsprognose auf 1,8 Prozent ++ Medwedew: "Sehr bald wird eine neue Weltfinanzordnung ausgehandelt werden müssen."

 

Wer meinte, dass Moskau nicht bereit sei, den Euro und den US-Dollar für Gaszahlungen aufzugeben, wird eines Besseren belehrt. "Die Zentralbank entwickelt den Mechanismus", erklärte der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, noch am Mittwoch und sagte damit den für Donnerstag angesetzten Termin für die Bezahlung von Gaslieferungen in Rubel ab.

Doch am Donnerstag folgte der Paukenschlag: "Unfreundlichen Staaten" müssen nach den Worten von Präsident Wladimir Putin ab Freitag, den 1. April, Gaslieferungen in Rubel bezahlen. Das russische Staatsoberhaupt erklärte, er habe ein entsprechendes Dekret unterzeichnet. "Wir bieten unseren Vertragspartnern aus solchen Ländern ein verständliches und transparentes Schema an. Um Erdgas aus Russland zu beziehen, müssen sie Rubelkonten in russischen Banken eröffnen. Die Bezahlung von Gaslieferungen soll über diese Konten abgewickelt werden."

In dem Dekret wird die Gazprom-Bank genannt, über die die Zahlungen für Gaslieferungen nach Deutschland abgewickelt werden müssen. Die Gazprom-Bank ist nicht von den westlichen Sanktionen betroffen.

"Wenn solche Zahlungen nicht geleistet werden, betrachten wir dies als Verzug der Käufer mit allen daraus resultierenden Konsequenzen", erklärte Putin. "Niemand verkauft uns etwas umsonst. Und wir werden auch nicht aus Nächstenliebe handeln, d. h., bestehende Verträge werden beendet."

Putin begründete die Umstellungen der Zahlungen von Euro oder Dollar auf Rubel damit, "dass unter Verstoß gegen die Normen des internationalen Rechts die Devisenreserven der Bank Russlands von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingefroren wurden". Er bezeichnete diese Entscheidung als einen Schritt in Richtung finanzieller Souveränität Russlands.

Dieser Schritt ist Teil der Maßnahmen, mit denen sich das Wirtschaftsteam des Kremls gegen den von den NATO-Staaten geführten Wirtschaftskrieg zur Wehr setzt. Und sie entspricht auch einem Konzept, das entwickelt wurde, als die russischen Devisenreserven auf den Auslandskonten eingefroren und der russische Finanzmarkt zumindest teilweise vom internationalen Finanzmarkt ausgeschlossen wurde.

Scholz: Deutschland wird weiter in Euro bezahlen

Putin selbst erörterte die Angelegenheit am Mittwoch telefonisch mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi und anschließend mit Bundeskanzler Olaf Scholz. In seinem Gespräch mit letzterem sagte er, dass die Umstellung auf den Rubel "nicht zu schlechteren Vertragsbedingungen" für europäische Kunden führen solle. Das Dekret sieht auch vor, dass Käufer mit dem Segen einer russischen Regierungskommission von der Prozedur befreit werden. Der Kreml hält sich also alle Möglichkeiten offen.

 


Gas RubelSo ist das Zahlungsmodell: Ausländische Unternehmen, die russisches Gas kaufen, müssen ein Konto in zwei Währungen bei der Gazprombank haben, dem Institut, das mit dem Energieriesen verbunden ist und im Ausland weiterhin frei agieren kann. Sie sollten Euro oder Dollar auf das Konto einzahlen. Zu diesem Zeitpunkt würde die Gazprombank intervenieren, um die Summe nach einem von der russischen Zentralbank festgelegten Kurs in Rubel umzurechnen. Die Maßnahme ist seit heute in Kraft. Das Dekret ermächtigt die Regierungskommission für ausländische Investitionen, Ausnahmen festzulegen.

 

 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte nach dem Gespräch mit Wladimir Putin, dass Deutschland die Gaslieferungen aus Russland wie in den Verträgen vorgesehen weiter in Euro oder Dollar bezahlen werde. Scholz habe diesem Verfahren nicht zugestimmt, sondern nur um schriftliche Informationen dazu gebeten, betonte Regierungssprecher Hebestreit.

"Die Lieferung von Gas und die Bezahlung sind getrennte Prozesse"
Dmitri Peskow, Pressesprecher von Wladimir Putin

Die Lieferung von Gas und die Bezahlung seien getrennte Prozesse, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die Bezahlung von russischem Gas in Rubel werde nicht direkt am 31. März beginnen. Dies sei ein langwieriger Prozess, sagte er. "Wir haben doch bereits besprochen, dass Zahlung und Lieferung ein zeitlich gestreckter Prozess sind. Es geht nicht um etwas, das morgen geliefert wird und bezahlt werden muss."

Dies wird zumindest vorerst dadurch bestätigt, dass bisher die Gasversorgung reibungslos funktioniert. Nach Angaben der Agentur Reuters war der Durchfluss in der Jamal-Pipeline am MIttwoch zwar gleich Null; Nord Stream 1 arbeitet aber normal. Das gilt auch für das Netz, das durch die Ukraine verläuft.

"Gazprom liefert russisches Gas für den Transit durch das Gebiet der Ukraine im regulären Modus und gemäß den Anforderungen europäischer Verbraucher. Am 30. März haben wir 109,5 Millionen Kubikmeter Gas geliefert", sagte ein Gazprom-Sprecher und bestätigte damit eine kuriose Tatsache: Selbst inmitten der militärischen Invasion erhält die Ukraine von Russland eine Entschädigung für Transitrechte. Für die Ukraine sind die Transitgebühren eine wichtige Einnahmequelle. Im Jahr 2021 flossen Transiteinnahmen für Erdgas in Höhe von rund 1,3 Milliarden US-Dollar in die ukrainische Staatskasse.

Wirtschaftsweise senken Wachstumsprognose auf 1,8 Prozent

Die Auswirkungen der Gas-gegen-Rubel-Strategie sind noch nicht absehbar. Der Wirtschaftsrat der Bundesregierung hat seine Wachstumsprognose für 2022 um fast zwei Drittel von 4,6 % auf 1,8 % gesenkt. Einer der "Wirtschaftsweisen", Volker Wieland, sprach von einer "erheblichen Rezessionsgefahr" und schlug vor, die Energieabhängigkeit von Russland zu verringern, nicht zuletzt durch eine Rückkehr zur Atomenergie.

Die Bundesregierung hat die erste Phase eines Plans eingeleitet, der zu einer Rationierung von Gas führen könnte. "Jetzt zählt jede Kilowattstunde", sagte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Habeck sieht Deutschland für eine weitere Eskalation des Gasstreits mit Russland gerüstet. "Wir sind auf alles das, was Putin entscheidet, gut vorbereitet", sagte Habeck. Es sei "entscheidend, dass die Verträge eingehalten" werden. Sie sehen eine Bezahlung in Euro oder Dollar vor.

Neue Weltfinanzordnung?

Für Russland ist das Gas jedoch nur ein Teil der Geschichte. Der Verband der landwirtschaftlichen Erzeuger hat die Zentralbank gebeten zu intervenieren, um sicherzustellen, dass einige wichtige Partner wie Ägypten, Iran, die Türkei und Saudi-Arabien Zahlungen in Rubel leisten. Die russischen Getreideexporte spielen eine entscheidende Rolle für die innere Stabilität vieler Länder des Mittleren Ostens, aber seit dem Beginn des Krieges um die Ukraine stoßen sie auf zwei grundlegende Hindernisse.

Eine davon ist finanzieller Natur: Für Banken ist es schwieriger, Überweisungen in Dollar und Euro nach Russland zu tätigen. Der zweite Grund ist logistischer Natur: Aus Angst vor Beschlagnahme werden die Waren nicht mehr im Abgangshafen, sondern im Ankunftshafen bezahlt.

Der Präsident der Duma, Wjatscheslaw Wolodyn, hat das Thema bereits auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt. "Die Abgeordneten halten nicht nur Putins Entscheidung in der Gasfrage für richtig, sondern auch die Erweiterung der Liste der Rubel-Exporte für angemessen", schrieb er am MIttwoch auf Telegram.

Für Russland geht es bei der Währungsfrage aber noch um mehr: Der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew, heute die Nummer zwei im russischen Sicherheitsrat, machte am Mittwoch die interessante Aussagen zu einer "neuen Logik", die sich im Welthandel abzeichnen würde.

"Das Vertrauen in die Reservewährung [Anm.: die typische Reserve- bzw. Leitwährung ist der US-Dollar] löst sich auf wie ein Morgennebel", sagte Medwedew, dem zufolge "die Ära der Regionalwährungen kommt, und es spielt keine Rolle, ob einige Länder das wollen oder nicht. Sehr bald wird eine neue Weltfinanzordnung ausgehandelt werden müssen. Das letzte Wort werden die Länder haben, die über eine starke, fortschrittliche Wirtschaft, gesunde öffentliche Finanzen und ein zuverlässiges Währungssystem verfügen."

Es gibt Berichte, wonach Moskau und Neu-Delhi derzeit ein Rupien-Rubel-Zahlungssystem ausarbeiten, das es beiden Ländern ermöglichen würde, den bilateralen Handel in der Währung des jeweils anderen Landes abzuwickeln. Indien hat sich außerdem vor kurzem bereit erklärt, eine bestimmte Menge Rohöl aus Russland zu einem vergünstigten Preis zu kaufen. Diese Entscheidung ist in Washington und dessen Verbündeten nicht gut angekommen, da man derzeit eine Sanktionskampagne gegen Moskau führt, um die russische Wirtschaft zu isolieren und den Rubel zu schwächen.