Wirtschaft

dgb_michael_sommer_2010_Stephan_Roehl02.08.2012: „Der Fiskalpakt widerspricht unveränderbaren Verfassungsgrundsätzen“. Dies stellte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer in einem am Montag (30.7.) veröffentlichten Interview im „Spiegel“ fest. Die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung und des Parlaments sei „nicht mehr durch das Grundgesetz gedeckt, weil sie demokratische Rechte aushebelt, konkret das wichtigste Recht des Parlaments, die Budgethoheit“. Diese Euro-Rettungspolitik sei „zutiefst undemokratisch“, weil damit „die schleichende Abschaffung nationaler Staatlichkeit und Demokratie“ verbunden ist.

Mit diesen Äußerungen bezog der führende Mann des DGB in begrüßenswert deutlichen Worten gegen die von der schwarz-gelben Regierung praktizierte EU-Politik Stellung. Zugleich ging er aber auch zur Mehrheit der SPD- und Grünen-Parlamentarier auf Distanz, die am 29. Juni im Bundestag zusammen mit den Regierungsparteien dem „Fiskalpakt“ und dem „Euro-Rettungsschirm“ zugestimmt haben. „Ich verstehe die Opposition nicht“, sagte Sommer in dem Interview.

In dem längeren Spiegel-Interview wird allerdings auch deutlich, dass sich Sommer damit nicht auf die Seite der „radikalen“ Kritiker der EU-Politik stellt. Durchaus im Gleichklang mit der SPD beschränkte er sich darauf, die Einführung von „Euro- Bonds“, eine „Banklizenz“ für die Euro- Rettungsschirme und eine stärkere Regulierung des Finanzsektors sowie die Einberufung eines „europäischen Verfassungskonvents“ zu befürworten. Immerhin stellte der DGB-Chef aber fest, dass die bisherigen „Troika- Rezepte“ zur Euro-Stabilisierung „Arme noch ärmer machen und die Verursacher ungeschoren lassen“. Daher seien sie „unsozial und zum Scheitern verurteilt“. Es müsse darum gehen, die Verursacher an den Kosten der Krisen zu beteiligen. Dazu befürwortete er die schnelle Einführung einer Finanztransaktionssteuer und eine „Pflichtanleihe“ von 3 Prozent für Vermögen ab einer Million Euro bei Verheirateten. Es gehe ihm dabei nicht um „Enteignung“, sondern „um eine ordentlich verzinste Anleihe“.

Ungeachtet der eher „zahmen“ und widersprüchlichen Vorstellungen zur Krisenbekämpfung verdienen die Äußerungen des DGB-Vorsitzenden, insbesondere die bezüglich verfassungswidrigen Charakters des Fiskalpakts, jedoch die volle Beachtung und die Unterstützung aller Gewerkschaftsmitglieder. Wenn die derzeitige Euro- Rettungspolitik Demokratie und Verfassung untergräbt, wie Sommer feststellt - stellt sich dann nicht die Frage, ob es nicht an der Zeit ist, dass der DGB und seine Mitgliedsverbände wesentlich stärker aktiv werden, um diesen Anschlag auf das Grundgesetz abzuwehren - wie es einst bei den Notstandsgesetzen der Fall war?

Text: G.Polikeit (Vorabdruck aus der UZ vom 03.08.12)   Foto: Stephan Röhl