Wirtschaft

29.02.2012: Mehrere Tausend Beschäftigte von Nokia Siemens Networks (NSN) versammelten sich am Dienstag vor der Zentrale des Siemens Konzerns. Neben den Münchner NSN-Beschäftigten waren Delegationen aus NSN-Betrieben in allen Teilen der Republik zu der Kundgebung gekommen. Dies sei nur das erste "Vorstellungsgespräch" bei Konzernchef Peter Löscher, kündigte Michael Leppek von der IG Metall an. Weitere würden folgen. So lange bis sich Siemens bewege und einen Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze bei NSN leiste. Löscher hatte der Presse gegenüber mitgeteilt, dass sich die NSN-Mitarbeiter bei Siemens auf freie Arbeitsplätze bewerben könnten. Wenn sie geeignet wären, dann würden sie auch zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden. Das ist den KollegInnen aber entschieden zu wenig. Sie ließen Tausende Luftballons gleichzeitig platzen - weil so auch die Entlassungspläne von NSN platzen würden.

"Das Management hat sich die Mitarbeiter zum Feind gemacht", rief der Betriebsratsvorsitzende von NSN München. "Und sie haben einen zweiten Fehler gemacht. Sie haben uns unterschätzt." Wenn NSN jetzt schon beklage, dass Betriebsrat und IG Metall den Zeitplan für die Restrukturierung durcheinander gebracht hätten, dann sollten sie sich auf einen langanhaltenden Widerstand gegen die Schließungsabsichten einstellen. Seit vier Wochen wird jeden Tag mit verschiedenen Aktionen gegen die Entlassungspläne protestieren, aber die Ideen für Aktions- und Protestformen seien noch lange nicht erschöpft.

Die Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche ermutigten in ihren Reden die kämpfenden KollegInnen, in ihrem Protest nicht nachzulassen. "Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen, und nicht umgekehrt", sagten sie übereinstimmend. Siemens und Nokia haben Wind gesät und müssten nun Sturm ernten.

Betriebsräte und IG Metall drängen darauf, dass Siemens in die Verantwortung für die Sicherung der Standorte und der Arbeitsplätze genommen werden. Das NSN-Management sei unfähig und Siemens als Miteigner an NSN müsse ein besseres Management einsetzen, damit das Unternehmen und die Beschäftigten eine Perspektive in Deutschland erhalten. "Siemens nimm uns an die Hand, Nokia fährt uns an die Wand", "Siemens- lass uns nicht im Stich" hieß es auf Transparenten und Schildern. Diese Appelle an "Vernunft und Moral" bei der Siemens-Führung stoßen aber auch auf Skepsis. "Das NSN-Management, das sind doch nur »Durchlauferhitzer«, die die Richtlinie des Spitzenmanagements von Siemens und Nokia umsetzen", meinte ein Kollege. "Bei einem Auftragskiller frage ich doch auch, von wem der Auftrag kommt", sagte ein anderer.

Nicht betteln, nicht bitten, sondern mutig gestritten!
Auch Leo Mayer, Sprecher der DKP München, setzt den Akzent in einem Gespräch anders. Dass Siemens in die Verantwortung genommen werden muss, das sei für ihn auch klar. "Aber das wird nicht durch Appelle und Bitten an die Konzernleitung erreicht", meint der ehemalige Vize-Betriebsratsvorsitzende des Siemens Betriebes München Hofmannstraße.

"Spätestens seit der großen Auseinandersetzung im Telekommunikationsbereich in den Jahren 2002 bis 2004 in der Hofmannstraße können wir gelernt haben, dass die Konzernleitung nur eine einzige Verantwortung kennt: die Verantwortung gegenüber den Finanzinvestoren für den Maximalprofit. Dafür wurde der Kommunikationsbereich ausgegliedert. Dafür werden Arbeitsplätze hierzulande vernichtet, jagt eine Kostensenkungsprogramm und eine Umstrukturierung die andere, werden Entwicklung und Produktion in Niedriglohnländer verlagert.

Die Investoren interessieren sich nicht für innovative, langfristige Technologieentwicklung, sondern nur für den schnellen Höchstprofit. Wird er nicht erreicht, dann wird saniert, ausgegliedert, verkauft und ausgeschlachtet und die Investoren wechseln in den nächsten Konzern bzw. die nächste Geldanlage. Eine Bindung an Technologieperspektive, an die Beschäftigten oder den Standort existiert nicht. Die Finanzmärkte entscheiden über Existenz oder Nichtexistenz. Sie werden zum höchsten Richter über Unternehmen und Politik. Für die Topmanager ist dieses Gebot des Finanzmarktes, der über ihre Weiterbeschäftigung entscheidet, oberstes Gesetz. Jetzt soll NSN auf Rentabilität getrimmt und fit für den Börsengang gemacht werden. Soziale Verantwortung ist da nicht zu erwarten. Da gilt nur die alte Regel der Arbeiterbewegung: Nicht betteln, nicht bitten, sondern mutig gestritten!", sagt er.

Es gelte Widerstand gegen diese Logik des Kapitals und der Finanzmärkte zu entwickeln und für eine andere Logik, eine Logik der menschlichen Entwicklung und Würde, zu streiten. Nur betrieblicher Kampf, öffentliche Aktionen und breite Solidarität kann Siemens in die Verantwortung zwingen.

In dem Flugblatt der DKP (Anlage), das auf der Kundgebung verteilt wurde, heißt es:
Gegen diese Logik, die nur 1 Prozent der Bevölkerung immer reicher macht, aber der Mehrheit Zukunft und Würde raubt, regt sich Protest. Millionenfach. Weltweit. »Wir sind 99 Prozent«, schallt es an der Wall Street, auf der Puerta del Sol in Madrid und in Athen. Denn immer offensichtlicher wird die Kluft zwischen der Antriebskraft dieses kapitalistischen Systems, der hemmungslosen Jagd nach Profit, und all dem was das Leben der Menschen ausmacht: Arbeit, Bildung, soziale Sicherheit, Umwelt, Demokratie, Solidarität, Entfaltung der Persönlichkeit.

Der Widerstand gegen die Entlassungen bei Nokia Siemens Networks ist ein Steinchen in dem Mosaik, an dem weltweit gearbeitet wird: Eine Gesellschaft, die nicht mehr von der Logik des Profits, sondern von den Bedürfnissen der Menschen geleitet wird.

* Der Mensch geht vor Profit!
* Nokia Siemens muss bleiben!
* Siemens muss in die Verantwortung gezwungen werden!

Solidarität aus Finnland
Die Kommunistische Partei Finnlands drückt in einem Schreiben an die NSN-KollegInnen ihre Solidarität mit den Beschäftigten der Unternehmen Nokia und Nokia Siemens Networks aus, die sich im Kampf um ihre Arbeitsplätze, ihre Lebensgrundlage und die Zukunft der Städte und Regionen befinden, in denen diese Unternehmen angesiedelt sind. Weiter heißt es: "Die Arbeiter, die über viele Jahre hinweg für die Besitzer und Manager von Nokia die riesigen Profite und Optionen an den Aktienmärkten erwirtschaftet haben, werden skrupellos geopfert wegen des Verlangens von Microsoft und den großen internationalen Investoren nach noch höheren Profiten.
(..)
Die Massenentlassungen bei Nokia und anderen Unternehmen unterstreichen die Verantwortung der Regierung für die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Anstatt Arbeitsplätze abzubauen müssen zentrale und örtliche Verwaltungen neue öffentliche industrielle Aktivitäten entwickeln, die kommunalen Dienstleistungen erweitern und in die Entwicklung neuer Produktbereiche investieren."

txt: ak

siehe auch:

Nokia Siemens: Streikfähig werden

Proteste gegen Stellenabbau bei NSN

IG Metall - NSN

facebook Perspektive NSN


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