Wirtschaft

ibm_screen_p_a_h03.02.2012: „Liquid“ , zu deutsch „flüssig“, nennt sich das neue Arbeitsorganisations-Programm von IBM, das zuvorderst in der deutschen Landesgesellschaft von IBM getestet werden soll. Wie das Handelsblatt berichtet, sollen dadurch mittelfristig tausende von Arbeitsplätzen in Deutschland liquidiert (verflüssigt) werden. Einige IBM-Führungsmitglieder erwarten einen regelrechten Kahlschlag. „Am Ende kann es sein, dass nur noch 12.000 der derzeit 20.000 Jobs in der Landesgesellschaft übrig bleiben“, so ein Mitglied der IBM-Führungsmannschaft (zitiert nach HB). Die Firmenleitung gab dazu keinen Kommentar ab, man diskutiere die „Beschäftigungsplanung nicht öffentlich“.

Teil des genannten Programms ist ein Outsourcing von Mitarbeitern. Kundenprojekte wie etwa die Beratung bei der Modernisierung von Unternehmenssoftware sollen verstärkt von freien anstelle der bisher fest angestellten Mitarbeiter durchgeführt werden. IBM will solche Projekte auf Internet-Plattformen ausschreiben, worum sich dann auch die bis dato festangestellten IT-Entwickler bewerben können.

Aber auch die Verwaltung wird daraufhin untersucht, welche Aufgaben, wie z.B. Schreiben von Rechnungen, Buchhaltung, Bereiche des Personalwesens, ausgelagert werden können. Aus diesem Outsourcing ergibt sich wohl auch der Name des Programms „Liquid“, weil hier klassische Unternehmensgrenzen zerfließen, Kundenprojekte künftig stärker extern ausgeschrieben werden – zu Lasten der internen Mitarbeiter. Bei diesen grassiert die Angst – die Angst, dass der eigene Arbeitsplatz wegfließt.

Ziel des Liquid-Programms für den gesamten Konzern ist es, die Produktionskosten rigoros zu senken und die Profite ebenso radikal in die Höhe zu treiben. Der Gewinn pro Aktie soll sich von gut zehn Dollar im Jahr 2010 auf 20 Dollar im Jahr 2015 fast verdoppeln. Dabei erwies sich IBM bereits in den vergangenen Jahren als wahre Gewinnmaschine. Der Gewinn nach Steuern (!) stieg von 10,2 Milliarden Dollar im Jahr 2007 kontinuierlich – auch über die Krisenjahre – um 56% auf 15,9 Milliarden Dollar in 2011.

Für das Ziel, den Gewinn pro Aktie in fünf Jahren zu verdoppeln, setzt IBM noch ein weiteres Mittel ein, das die ganze Perversität des Profit-Systems offenbart. Es verwendet einen erheblichen Teil des erzielten Profits für den Rückkauf eigener Aktien. Im Geschäftsjahr 2011 verwendete IBM sage und schreibe sieben Milliarden Dollar seines Gewinns – 44% des Netto-Profits – um eigene Aktien vom Markt zu nehmen. Weniger Aktien verknappen das Angebot und erhöhen den Gewinn  pro verbliebener Aktie – beides treibt den Kurs in die Höhe.

Mit anderen Worten: Arbeitsplätze werden liquidiert, die verbleibenden Mitarbeiter zu erhöhter Flexibilität vergattert, um den Gewinn noch stärker in die Höhe zu katapultieren. Der gesteigerte Profit aber wird nicht primär für Investitionen verwendet, sondern in Form von Dividenden direkt an die Aktionäre ausgeschüttet und indirekt über Aktienrückkäufe zur Steigerung des Gewinns je Aktionär und für dessen Kursgewinne eingesetzt. Shareholder Value über alles.

Text: Fred Schmid, isw   Foto: p_a_h