Wirtschaft

schlecker_xl_nicor22.01.2012: Am Freitagabend ging die Pleite-Meldung durch die Tagesschau: Die Drogeriekette Schlecker will für die insgesamt rund 7200 Filialen Insolvenz anmelden. 30.000 Arbeitsplätze sind gefährdet. Schlecker ist der Inbegriff für Ausbeutung und prekäre Arbeitsverhältnisse im Einzelhandel. Schlecker machte viele Fehler. Das Image des Unternehmens war ramponiert: Alle Kunden wussten: “Billig” geht hier auf Knochen der beschäftigten Frauen. Erst 1996 wurden Betriebsräte zugelassen. 1998 gab es Bewährungsstrafen für Anton und Christa Schlecker. Grund: Verstoß gegen den Manteltarifvertrag. Zwei Millionen D-Mark mussten für gemeinnützige Zwecke gezahlt werden.

Schlecker ist ein Musterbeispiel für die Unfähigkeit und das Versagen des Kapitalismus: Auf Teufel komm raus immer mehr Profit. Und das zum Schaden der Beschäftigten. Selbst die Süddeutsche Zeitung schreibt in ihrem Kommentar vom 21.01.12: „Es hat hier ein tatkräftiges Gründerpaar den Profit absolut und einseitig über die Moral gestellt.“ 2009 versuchte Schlecker weit reichende Änderungen in ihrem Filialsystem durchzusetzen. Schlecker schloss kleinere Filialen und gründete in unmittelbarer Nähe so genannte XL-Filialen. Die betroffenen Verkäuferinnen wurden kurzerhand auf die Straße gesetzt, oder es wurden ihnen neue Arbeitsverträge mit noch weniger Geld und zu noch schlechteren Bedingungen angeboten.

Als bekannt wurde, dass Arbeitgeber Daten über Ursachen von Krankheiten der Beschäftigten speicherten, dass sie die neuen Technologien nutzten, um zu erfahren, wo sich die Mitarbeiter aufhalten, mit wem sie reden, mit wem sie telefonieren, mit wem sie eMails austauschen, was sie denken, ob und wie sie sich gewerkschaftlich engagieren, da gehörte zu den angeschuldigten Unternehmen auch Schlecker.

Schlecker versuchte, sich von der Tarifbindung zu verabschieden. Schlecker forderte Verkäuferinnen gezielt dazu auf, ihr bestehendes Arbeitsverhältnis aufzugeben und Arbeitsverträge mit der Zeitarbeitsfirma Meniar abzuschließen. Freilich unter schlechteren Bedingungen als das vorher der Fall war. Schlecker Beauftragte drohten mit Entlassung, sollten die Verkäuferinnen die neuen Verträge nicht akzeptieren.

schlecker_for_you_for_ort_mami_3163Der lange gewerkschaftliche Kampf gegen Schlecker war nicht erfolglos. Zuletzt musste Schlecker einen Tarifvertrag akzeptieren, der einen Mindestlohn von 9,07 Euro für ungelernte Kräfte vorsieht. 2010 versuchte Schlecker einen Strategiewechsel. Es begann eine Restrukturierung, es gab ein neues Logo und ein neues Motto: „For You. For Ort“.

Jetzt will Schlecker eine „geplante Insolvenz“ beim Amtsgericht anmelden. Das Insolvenzplanverfahren ist eine vom Gesetzgeber mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung geschaffene Möglichkeit zur Sanierung in der Insolvenz. Dabei wird der Antrag auf Insolvenz mit einem bereits erstellten Insolvenzplan verbunden, um die geplante Sanierung und Modernisierung fortzusetzen.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordert vom Eigentümer Anton Schlecker volles Engagement bei der Rettung der Arbeitsplätze.

„Anton Schlecker trägt als Eigentümer persönlich die Verantwortung für seine Beschäftigten. Besonders in einem solchen Falle gilt: Eigentum verpflichtet“, betonte Stefanie Nutzenberger, ver.di-Vorstandsmitglied für den Handel.

Nun komme es darauf an, in einem eventuell bevorstehenden Insolvenzprozess einen gangbaren Weg zu finden, um die mehr als 30.000 Arbeitsplätze bei Schlecker zu retten. „Gemeinsam mit den Betriebsräten und den Betroffenen werden wir intensiv beraten, welche konkreten Schritte kurzfristig eingeleitet werden müssen“, so Stefanie Nutzenberger, und weiter: „Die Beschäftigten haben sich auch in den vergangenen schwierigen Jahren mit voller Kraft und großem Engagement für ihr Unternehmen eingesetzt und den Laden am Laufen gehalten. Auch deshalb haben sie einen Anspruch darauf, dass sich jetzt Schlecker im Gegenzug mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für den Erhalt der Arbeitsplätze einsetzt.“(Quelle: verdi/pressemitteilungen)

Vom “manager magazin” wurde das Vermögen der Familie im vergangenen Jahr auf 1,95  Millarden Euro geschätzt. Noch 2010 machte Schlecker einen Umsatz von etwa 6,5 Milliarden Euro und nannte sich mit den damals 11000 Filialen Deutschlands größte Drogeriemarktkette.

Die Beschäftigten bei Schlecker müssen jetzt damit rechnen, dass sie keinen Lohn bekommen, sondern Insolvenz-Ausfallgeld. Begrenzt auf drei Monate. Das Geld kommt von der “Agentur für Arbeit”. Den Antrag müssen die Beschäftigten stellen. Dabei sind auch Fristen zu beachten. Die DKP-Gerresheim hat ein Flugblatt erstellt und ruft auf zur Solidarität mit den beschäftigten Kolleginnen.(Anlage)

Text: mami     Fotos: nicor/mami