Wirtschaft

bruederle06.07.2010: „Deutschland ist wieder da! Nicht nur sportlich. Auch wirtschaftlich. Und politisch.“ Wer sich vor den Untiefen regierungsamtlicher Aufschwungslyrik nicht scheut, („DieWachstumsbeschleunigung findet statt, so wie wir sie im gleichnamigen Gesetz vom Jahresanfang angedacht haben“) sollte die Regierungserklärung von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle lesen.

„Die Auftragsbücher der Industrie haben sich im Frühjahr deutlich gefüllt. Die Produktionstätigkeit hat sich kräftig belebt und die Auslastung der Kapazitäten steigt wieder an.“ Trotz Brüderles Schlichtfassung, hier ist das Krisenaktionsprogramm des deutschen Imperialismus griffig dargelegt: „Die Perspektiven für den Welthandel und die Weltwirtschaft haben sich deutlich aufgehellt. Der Internationale Währungsfonds rechnet mit einer Zunahme desWelthandelsvolumens von sieben Prozent in diesem Jahr und sechs Prozent im nächsten Jahr. Da müssen wir dabei sein. Und da werden wir dabei sein.“ Und zwar ohne Rücksicht auf Verluste, das hatte Brüderles Chefin schon auf dem G20-Gipfel deutlich gemacht.

„Wir sind eine exportorientierte Wirtschaft. Und darauf können wir stolz sein! Stolz darauf, dass die ganze Welt unsere hochwertigen Waren und Dienstleistungen nachfragt. Stolz darauf, dass wir in Deutschland hochqualifizierte und hochmotivierte Arbeitskräfte haben. Stolz darauf, dass wir die Konjunkturlokomotive für ganz Europa sind.“ So etwas ist, nachdem die zwar „hochqualifizierte und hochmotivierte“ aber schlecht bezahlte deutsche „Konjunkturlokomotive“ durch ihren extremen Exportüberhang gerade kräftig dabei geholfen hat, die europäische Wirtschaft an die Wand zu fahren, nur der bedenkenlosen FDP-Propagandalokomotive Brüderle möglich.

„Nun gibt es einige, die stellen unser erfolgreiches Exportmodell infrage. Die sagen: Erhöht drastisch die Löhne. Macht noch mehr Konjunkturprogramme. Meine Damen und Herren! Das ist der falsche Weg. Das wäre eine Art schleichende Griechenlandisierung der deutschenWirtschaftspolitik. Das machen wir nicht.“

Das hat auch niemand erwartet. Es wäre das erste Mal, dass das politische Spitzenpersonal (es fällt schon schwer, so etwas zu formulieren mit dem Bild von Rainer Brüderle vor Augen) sich aus eigener Kraft zu so etwas wie wirtschaftspolitischer Vernunft hätte durchringen können. Ohne Druck von unten passiert da gar nichts. „Die Märkte werden jetzt weltweit verteilt. Da muss Deutschland als Exportnation dabei sein.“

Das dürfte auch in einigen Staaten gelesen werden, denen Brüderle offenbar, im Gegensatz zur Bundesrepublik, einen Spitzenplatz bei der „Griechenlandisierung“ zugedacht hat. „Wir wollen durch Sanieren wachsen. “ Das „Sparprogramm“ der Bundesregierung dient dem Zweck, bei der weltweiten Verteilung der Märkte „dabei zu sein“. Lohndumping zugunsten der Exportfähigkeit. Konjunktur mit Hilfe der Konjunkturprogramme anderer. Sparen, indem sich andere verschulden. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) stiegen die deutschen Gesamtausfuhren im ersten Quartal 2010 (Q1/10) gegenüber Q1/09 um 10,3 Prozent auf 219,5 Mrd. Euro. „Deutschland ist wieder da! “ Markant die Zuwachsraten aus dem asiatischen Raum. Japan + 20,7 Prozent, Südkorea: + 38,5, China + 58,0 Prozent. Allerdings gingen in die Volksrepublik nur 5,46 Prozent der Exporte, nach Japan gerade 1,46 Prozent, nach Südkorea 1,0 Prozent. Der deutsche Hauptexportmarkt bleibt die EU-27 mit 61, 59 Prozent (+ 6,2 Prozent) und ihr Kern Euroland (EU-16) mit 42,2 Prozent (+ 5,0 Prozent).

In Euroland sieht der Zuwachs infolge der „Griechenlandisierung“ schon deutlich weniger eindrucksvoll aus. Einer der großen Verlierer waren die USA, in welche die deutsche Exportindustrie zwar 6,2 Prozent mehr Waren exportieren konnte, während die US-Exporte in Richtung Deutschland um 12,4 Prozent einbrachen. Die USA nehmen 6,65 Prozent der deutschen Exporte. Hier dürfte das Motiv für Timothy Geithners Unmut über den deutschen Exportüberhang auf dem letzten G20-Gipfel liegen. Laut europäischer Statistikbehörde, Eurostat, erzielte Irland in Q1/10 einen Handelsbilanzüberschuss von 9,4 Mrd., die Niederlande 12,0 Mrd. und Deutschland satte 37,4 Mrd. Euro. Die größten Defizite fuhren Frankreich mit - 14,4 Mrd. und Großbritannien mit stolzen - 24,9 Mrd. Euro ein. Mit Spanien (- 12,2 Mrd.), Griechenland (- 7,1 Mrd.) und Italien (- 6,9 Mrd.) wären die wichtigsten EU-Krisenstaaten benannt. Die Ungleichgewichte werden größer. Das Krisenpotential auch.

Doch auch schon jetzt sind die Ergebnisse nicht gerade erfreulich. Zumindest für den Teil der Menschen, die nicht vom Cupon-Schneiden leben können. Trotz der Exportsteigerung um 10,3 Prozent waren im April 2010 im verarbeitenden Gewerbe 3,7 Prozent (191 000 Menschen) weniger beschäftigt als vor einem Jahr. Die Umsätze im zulassungspflichtigen Handwerk lagen laut Destatis im ersten Quartal 2010 um 6,7 Prozent niedriger als im ersten Quartal 2009. Damit waren die Umsätze, verglichen mit dem jeweiligen Vorjahresquartal, zum sechsten Mal in Folge rückläufig. Ebenso rückläufig war der Umsatz im Einzelhandel. Im Mai 2010, real -2,4 Prozent zum Vorjahresmonat. In Q 1/10 wurden 8 230 Unternehmensinsolvenzen gemeldet. 6,7 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Die Verbraucherinsolvenzen nahmen im gleichen Zeitraum um 13,0 Prozent zu. Schon 2008 waren 27 Prozent der in Leipzig lebenden Menschen armutsgefährdet, in Hannover 22 Prozent, Bremen 22, Dresden 22 und Dortmund 21 Prozent (Destatis). Die öffentlichen Haushalte waren am 31. März 2010 mit insgesamt 1.711,3 Milliarden Euro verschuldet. Plus 19,4 Mrd. in Q1/10. Auch Brüderles Siegesfanfare, die Reallöhne lägen in Q1/10 satte 0,8 Prozent über denen des Vorjahresquartals, ist genauer betrachtet nicht viel wert. Destatis hat nur Vollzeit-Beschäftigte betrachtet. Teilzeitkräfte beeinflussten das Bild negativ, schon weil es proportional immer mehr von ihnen gäbe.
Nach dieser Logik kommen auch die Jubelmeldungen bei der Arbeitslosenstatistik zustande. Bekanntlich gibt es knapp 6 Mio. Arbeitslosengeldempfänger (SGB II und III) aber nur 3,15 Mio. gemeldete Arbeitslose. 12 Ausnahmetatbestände verhindern auch hier, dass die schöne Statistik des Herrn Weise durch nicht regelkonforme Arbeitssuchende höchst einseitig negativ beeinflusst wird. Laut Destatis würden 8,6 Mio. Menschen gern arbeiten oder mehr arbeiten. Der Wunsch ist die eine Sache, die Statistik die andere.
Bei dem regierungsamtlichen Stolz auf die deutsche Exportindustrie sollten zumindest die Arbeitslosenstatistiken der EU und der USA mitverkündet werden. Hier sollen schließlich die Produkte verkauft werden. Während in der EU-27 im Mai die Quote bei 10,0 Prozent (23,127 Mio. Menschen) lag, waren in den USA im Juni in der engen Abgrenzung 9,5 Prozent (14,88 Mio. Menschen) in der weiten Abgrenzung (plus Unterbeschäftigung) 16,5 Prozent (27,55 Mio. Menschen) arbeitslos. Zählt man die Unterbeschäftigung in der EU-27 dazu dürfte die Arbeitslosigkeit in beiden wirtschaftlichen Großräumen wohl die 60 Mio. Marke überschreiten. In etwa die Bevölkerung der ehemaligen Bundesrepublik. Während in der EU die Austeritätsprogramme der mühsamen, staatlich finanzierten, leichten Erholung die Luft abschneiden werden, sieht in den USA schon alles nach dem Beginn des "Double Dip" (an der Börse: Abtauchen ins Minus) aus.
Wenn nun noch die Volksrepublik vom Gas geht, dürfte erstmalig ein koordiniertes Bremsmanöver aller großen Wirtschaftszentren zu beobachten sein. Japan befindet sich seit Jahren in einer depressiven Deflationsfalle. Wie es aussieht, dürften sich die übrigen Zentren nun zielgerichtet ebenfalls dorthin bewegen.

Doch auch schon jetzt sind die Ergebnisse nicht gerade erfreulich. Zumindest für den Teil der Menschen, die nicht vom Cupon-Schneiden leben können. Trotz der Exportsteigerung um 10,3 Prozent waren im April 2010 im verarbeitenden Gewerbe 3,7 Prozent (191 000 Menschen) weniger beschäftigt als vor einem Jahr. Die Umsätze im zulassungspflichtigen Handwerk lagen laut Destatis im ersten Quartal 2010 um 6,7 Prozent niedriger als im ersten Quartal 2009. Damit waren die Umsätze, verglichen mit dem jeweiligen Vorjahresquartal, zum sechsten Mal in Folge rückläufig. Ebenso rückläufig war der Umsatz im Einzelhandel. Im Mai 2010, real -2,4 Prozent zum Vorjahresmonat. In Q 1/10 wurden 8 230 Unternehmensinsolvenzen gemeldet. 6,7 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Die Verbraucherinsolvenzen nahmen im gleichen Zeitraum um 13,0 Prozent zu. Schon 2008 waren 27 Prozent der in Leipzig lebenden Menschen armutsgefährdet, in Hannover 22 Prozent, Bremen 22, Dresden 22 und Dortmund 21 Prozent (Destatis). Die öffentlichen Haushalte waren am 31. März 2010 mit insgesamt 1.711,3 Milliarden Euro verschuldet. Plus 19,4 Mrd. in Q1/10. Auch Brüderles Siegesfanfare, die Reallöhne lägen in Q1/10 satte 0,8 Prozent über denen des Vorjahresquartals, ist genauer betrachtet nicht viel wert. Destatis hat nur Vollzeit-Beschäftigte betrachtet. Teilzeitkräfte beeinflussten das Bild negativ, schon weil es proportional immer mehr von ihnen gäbe.
Nach dieser Logik kommen auch die Jubelmeldungen bei der Arbeitslosenstatistik zustande. Bekanntlich gibt es knapp 6 Mio. Arbeitslosengeldempfänger (SGB II und III) aber nur 3,15 Mio. gemeldete Arbeitslose. 12 Ausnahmetatbestände verhindern auch hier, dass die schöne Statistik des Herrn Weise durch nicht regelkonforme Arbeitssuchende höchst einseitig negativ beeinflusst wird. Laut Destatis würden 8,6 Mio. Menschen gern arbeiten oder mehr arbeiten. Der Wunsch ist die eine Sache, die Statistik die andere.

Bei dem regierungsamtlichen Stolz auf die deutsche Exportindustrie sollten zumindest die Arbeitslosenstatistiken der EU und der USA mitverkündet werden. Hier sollen schließlich die Produkte verkauft werden. Während in der EU-27 im Mai die Quote bei 10,0 Prozent (23,127 Mio. Menschen) lag, waren in den USA im Juni in der engen Abgrenzung 9,5 Prozent (14,88 Mio. Menschen) in der weiten Abgrenzung (plus Unterbeschäftigung) 16,5 Prozent (27,55 Mio. Menschen) arbeitslos. Zählt man die Unterbeschäftigung in der EU-27 dazu dürfte die Arbeitslosigkeit in beiden wirtschaftlichen Großräumen wohl die 60 Mio. Marke überschreiten. In etwa die Bevölkerung der ehemaligen Bundesrepublik. Während in der EU die Austeritätsprogramme der mühsamen, staatlich finanzierten, leichten Erholung die Luft abschneiden werden, sieht in den USA schon alles nach dem Beginn des "Double Dip" (an der Börse: Abtauchen ins Minus) aus.

Wenn nun noch die Volksrepublik vom Gas geht, dürfte erstmalig ein koordiniertes Bremsmanöver aller großen Wirtschaftszentren zu beobachten sein. Japan befindet sich seit Jahren in einer depressiven Deflationsfalle. Wie es aussieht, dürften sich die übrigen Zentren nun zielgerichtet ebenfalls dorthin bewegen.

Text: Klaus Wagener