Internationales

Zerstoerung durch Bomben23.11.2022: Brutaler Bombenterror der Türkei gegen zivile Infrastruktur in Nord- und Ostsyrien ++ Bundesinnenministerin Faeser (SPD) zeitgleich zu Besuch bei ihrem türkischen Amtskollegen Süleyman Soylu ++ Faeser: Wir stehen an der Seite der Türkei ++ Bundesaußenministerium fordert Türkei zu "verhältnismäßigen" Bombardierungen auf ++ Khaled Davrisch, Deutschland-Vertreter der Autonomiegebiete von Nord- und Ostsyrien: "Die Ampelregierung gibt der Türkei grünes Licht für ihren Angriffskrieg" ++ Türkei plant "Bodenoffensive"

 

Am Samstagabend um 22.45 Uhr begann die Türkei mit Kampfflugzeugen und Drohnen die Bombardierung der nordostsyrischen Autonomiegebiete (AANES) von Kobane bis Darbasiyah, von Gire Spi bis Manbij. Mindestens 35 Zivilist:innen, darunter zwei Journalisten, und 13 syrische Soldaten wurden getötet. In denselben Stunden begannen verstärkte Bombardierungen in den nördlichen Bergen Iraks, der militärischen und ideologischen Basis der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Bombardierungen haben seit dem nicht aufgehört.

Der völkerrechtswidrige Angriff, der nach wiederholten Drohungen der türkischen Regierung seit Monaten befürchtet wurde, war nach dem Anschlag vom 13. November in Istanbul mit sechs Toten und dutzenden Verletzten nur eine Frage von Stunden: Auch wenn PKK und YPG, die von Ankara für das Attentat verantwortlich gemacht werden, die Anschuldigungen sofort entschieden zurückwiesen und von einem inszenierten Vorwand für eine weitere Invasion der Türkei in Nordsyrien und im Nordirak  sprachen, ließen die "Gewissheiten" Ankaras - "Der Befehl kam aus Kobane" - nichts anderes vermuten.

 

 Attentaeterin 2022 11 13

 

 

Bombe in Istanbul. Erdoğan spielt die PKK-Karte. PKK: eine Inszenierung

 

Zerstörung ziviler Infrastruktur

Im Fadenkreuz des erneuten türkischen Angriffskrieges gegen Rojava, die selbstverwaltete kurdische Region in Nordostsyrien, stehen zivile Infrastrukturen. In Belûniyê bei Tel Rifat wurde ein Auffanglager für Menschen aus Efrîn bombardiert, in der Gemeinde Zirgan eine Vertriebenensiedlung. In Kobanê wurde eine Covid-19-Klinik vollständig vernichtet und in der Ortschaft Dehril Ereb bei Dirbêsiyê zerstörten türkische Bomben ein Weizendepot. In Dêrik hat der türkische Staat ein Massaker verübt: Im Dorf Teqil Beqil wurden zunächst die Wachen eines Stromwerks angegriffen. Als Menschen aus der Bevölkerung ihnen zur Hilfe eilten, wurde derselbe Ort erneut bombardiert. Insgesamt elf Zivilist:innen, darunter auch ein Journalist, wurden getötet, sechs weitere Menschen wurden verletzt.

Türkei attackiert Kampf gegen den IS

Ziel der türkischen Angriffe wurde auch eine gemeinsame Basis der Antiterroreinheiten (YAT) der multiethnischen Syrisch Demokratischen Kräfte (SDF) und der internationalen Koalition im Norden von Hesekê. Die YAT führen gemeinsam mit der von den USA dominierten Koalition Operationen gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) in Nordostsyrien durch und befinden sich immer wieder im Visier der türkischen Armee. Bei dem jüngsten Angriff wurden zwei Mitglieder der YAT ermordet und drei weitere schwer verletzt.

Der Terror des türkischen Staates geschieht mit Genehmigung der Großmächte, da die Bombardements in Nord- und Ostsyrien und im Nordirak ohne die Freigabe des Luftraums durch die USA beziehungsweise NATO und Russlands nicht möglich wären, sagt die Sprecherin des Büros für internationale Angelegenheiten des Kurdischen Nationalkongresses KNK, Nilüfer Koç. "Die jüngsten Angriffe wurden von Russland und den USA genehmigt. Teile der bombardierten Gebiete stehen unter russischer und amerikanischer Kontrolle. Auf dem G20-Gipfel auf Bali hat Erdoğan auf jeden Fall grünes Licht bekommen", so Nilüfer Koç im Interview. (siehe Interview mit Nilüfer Koç: "Brutaler Bombenterror der Türkei gegen Rojava")

Deutsche Innenministerin Faeser: Wir stehen an der Seite der Türkei

Nancy Faeser tuerkischer Innenminister Soylu 2022 11 22

Ungeachtet des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges und zeitgleich zur Bombardierung ziviler Ziele in Nordostsyrien erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei ihrem Besuch in Ankara, dass Deutschland fest an der Seite der Türkei stehe.

Faeser traf sich am Montag (21.11.) mit ihrem türkischen Amtskollegen Süleyman Soylu, einem skrupellosen Hardliner bei der Unterdrückung der Opposition, um mit ihm "die deutsch-türkische Zusammenarbeit in der Migrationspolitik und bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität" zu besprechen, so das Bundesinnenministerium.

Bei der anschließenden Pressekonferenz äußerte Faeser denn auch keine Kritik an der türkischen "Antiterrorbekämpfung" und der Unterdrückung der Opposition, sondern hob die gute Zusammenarbeit deutscher und türkischer Sicherheitsbehörden hervor. Faeser erklärte, Deutschland stehe an der Seite der Türkei im Kampf gegen den Terrorismus. Bei der Frage, ob die Bundesregierung wie die türkische Regierung die syrisch-kurdischen Volksverteidigungskräfte YPG als Terrororganisation einstuft, legt sie sich nicht fest. Das würde nach "Recht und Gesetz entschieden", so Faeser.

Sie sprach der Türkei ihr Beileid zum Tod von sechs Menschen bei dem Bombenanschlag in Istanbul vom 13. November aus.

Faeser und Barbock: Türkei soll "verhältnismäßig" bombardieren

Mit Blick auf die Bombardierung von Dörfern und ziviler Infrastruktur in Nordsyrien seit Samstagnacht beschränkte sie sich auf den Hinweis, Terrorbekämpfung müsse immer "verhältnismäßig" bleiben und zivile Opfer sollten "auf jeden Fall vermieden" werden. Die völkerrechtswidrigen Angriffe verurteilte Faeser nicht ausdrücklich. Sie sprach auch den Angehörigen der Opfern der türkischen Angriffe auf Nord- und Ostsyrien kein Beileid aus.

Sie liegt damit auf der Linie des von Annalena Baerbock (Grüne) geführten Bundesaußenministeriums. Hatte Baerbock noch beim Parteitag der Grünen im Oktober 2022 mit dem Slogan der kurdischen Freiheitsbewegung "Frau, Leben, Freiheit" für ihre "feministische Außenpolitik" geworben - "Frau, Leben, Freiheit. Das ist der Maßstab unserer Politik, das muss der Maßstab für alle Regierungen weltweit sein." -, so ist jetzt nur noch eine erbärmliche Bitte an die Türkei um eine "verhältnismäßige" Bombardierungen übriggeblieben. "Wir fordern die Türkei auf, verhältnismäßig zu reagieren und dabei das Völkerrecht zu achten", sagte der Sprecher des Außenministeriums, Christofer Burger, und nannte Berichte über mögliche zivile Opfer türkischer Angriffe "extrem besorgniserregend".

"Die Ampelregierung gibt der Türkei grünes Licht für ihren Angriffskrieg", interpretierte Khaled Davrisch, Deutschland-Vertreter der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES).

Vorher hatte er den Abbruch des Türkeibesuches von Bundesinnenministerin Faeser gefordert. "Innenministerin Faeser muss ihren Staatsbesuch in der Türkei sofort abbrechen. Wir können nicht den IS und die Türkei zugleich bekämpfen. Deutschland, der Westen und die internationale Gemeinschaft müssen sich entscheiden. Wenn wir den IS unter Kontrolle behalten wollen, muss eine Flugverbotszone über Nord- und Ostsyrien eingerichtet werden", führt Davrisch aus.

Erdogan Hulusi AkarWährend Faeser, die auch Sportministerin ist, von Ankara nach Katar weiterreiste, um am ersten WM-Spiel der Fußball-Nationalmannschaft teilzunehmen, kündigte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan eine neue "Bodenoffensive" gegen die Autonomiegebiete von Nord- und Ostsyrien (AANES) und die Kurdistan-Region Irak (KRI) an. Man sei derzeit dabei zu entscheiden, nicht ob, sondern wie groß die Bodenoffensive ausfallen werde.

In einer Erklärung der AANES heißt es dazu: "Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, ihr Schweigen zu brechen und eine klare Haltung gegenüber dieser unverhohlenen und brutalen Aggression gegen unsere Regionen einzunehmen, insbesondere Russland und die USA. Jede weitere militärische Eskalation der türkischen Regierung könnte die Region in einen blutigen Krieg zurückführen. Das hätte ernste Folgen für die Region und die Welt und für die internationalen Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus."

Oezlem Demirel Erdogan bombardiert 2022 11 22


zum Thema