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Ruestung U Boot20.09.2021: USA, Großbritannnien und Australien legen Grundstein für ″NATO der Pazifik″ ++ China: eine Bedrohung für den "regionalen Frieden und die Stabilität" ++ USA und GB booten Frankreich aus, U-Boot-Deal geplatzt ++ Paris ruft Botschafter aus USA und Australien zurück ++ anglo-amerikanischer MIK schaltet auch die italienische Fincantieri aus: Mega-Vertrag Italiens mit Australien über neun Fregatten gestrichen ++ Botschaft der USA: Im Pazifik gibt es keinen Platz für die Europäische Union ++ Frankreich gegen neuen kalten Krieg mit China und für ″strategische Souveränität“ Europas

 

 

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die NATO schon einmal als ″hirntot″ bezeichnet. Es gebe "keinerlei Koordination bei strategischen Entscheidungen zwischen den USA und ihren NATO-Verbündeten", kritisierte er im November 2019 vor dem NATO-Jubiläumsgipfel zum 70-jährigen Bestehen.

Jetzt, am Freitag (17.9.), hat Macron die französischen Botschafter aus den USA und Australien zu Konsultationen nach Paris zurückberufen, nachdem Australien beschlossen hatte, seinen Vertrag mit Frankreich über den Kauf von 12 U-Booten zu kündigen. Hinter dem Schritt steckt mehr als die Empörung darüber, dass ein - wenn auch wichtiges - Geschäft des militärisch-industriellen Komplexes des drittgrößten Waffenexporteurs der Welt verloren gegangen ist. Die Entscheidung, den 2016 besiegelten Kauf französischer U-Boote zugunsten einer Partnerschaft mit den USA und Großbritannien zu verwerfen, stelle ein inakzeptables Verhalten zwischen Verbündeten und Partnern dar. Die Konsequenzen berührten den Kern der Allianzen und Partnerschaften Frankreichs sowie die Bedeutung des Indopazifiks für Europa, heißt es von französischer Seite. Der französische Außenminister Le Drian sprach er von einer ″brutalen“ Entscheidung Bidens nach dem Vorbild Donald Trumps, die die Notwendigkeit für mehr ″strategische Souveränität“ Europas aufzeige.

Was ist passiert?

Am Mittwoch (15.9.) hatten die USA, Großbritannien und Australien ein neues Militärbündnis mit dem Namen AUKUS (Australia-U.K.-U.S.) für den indopazifischen Raum angekündigt, in dessen Rahmen die Vereinigten Staaten und Großbritannien Australien mit atomgetriebenen U-Booten und Tomahawk-Marschflugkörpern ausstatten, die im Pazifik und im Indischen Ozean patrouillieren sollen. Die U-Boote sind nur der Beginn einer weitreichenden Zusammenarbeit. "Wir erwarten, dass wir die Entwicklung anderer fortschrittlicher Verteidigungssysteme in den Bereichen Cyberspace, künstliche Intelligenz, Quantencomputer und Unterwasserfähigkeiten beschleunigen werden", sagte der britische Premier Boris Johnson bei der Vorstellung des Militärbündnisses.

Der neue Kalte Krieg

Die VR China sieht sich als offensichtliches Ziel dieser ″NATO des Pazifiks″ und insbesondere der von den USA und Großbritannien gelieferten australischen Atomflotte und prangert dies als Bedrohung für den "regionalen Frieden und die Stabilität" an. Für China ist besonders besorgniserregend, dass mit Aukus Australien erstmals nuklear angetriebene U-Boote erhalten soll. Auch wenn diese nicht atomar bewaffnet werden sollen, ist damit eine neue Eskalationsstufe im zentralen geopolitischen Konflikt des 21. Jahrhunderts erreicht. Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, sagte am Donnerstag, dass der Pakt zwischen den drei Ländern ein sich verschärfendes Wettrüsten in der indo-pazifischen Region auslösen und den weltweiten Bemühungen um die Nichtverbreitung von Atomwaffen schweren Schaden zufügen werde.

Die Vereinbarung erfolgt vor dem Hintergrund einer jahrelangen militärischen Aufrüstung durch die USA, die von vielen Analyst*innen als Vorstufe eines neuen Kalten Krieges bezeichnet wird, mit dem Chinas wachsende Wirtschaft und sein internationaler Einfluss eingeschränkt werden sollen. "Wir stehen im Wettbewerb mit China und anderen Ländern um den Sieg im 21. Jahrhundert", erklärte Biden im April in einer Rede an den Kongress. Die Auseinandersetzung mit China sei ein Kampf , der nur einmal in einer Generation stattfindet. "Wir befinden uns an einem großen Wendepunkt der Geschichte.″ "Unter meiner Regierung", so sagte er anschließend vor Reportern, werde China sein Ziel nicht erreichen, "das führende Land der Welt, das reichste Land der Welt und das mächtigste Land der Welt zu werden."

Nachdem sich die Regierung Biden im ″Krieg gegen den Terror″ aus Afghanistan zurückgezogen hat, scheint sie nun wild entschlossen zu sein, die neue Kampffront ganz zu eröffnen und den "radikalen Islam" durch China, Sozialismus und vermeintlich autokratische Staaten zu ersetzen. In der heutigen Neuauflage des Kalten Krieges wird China als "existenzieller Konkurrent Amerikas, Russland als Störer und der Iran und Nordkorea als Verbreiter von Atomwaffen" angesehen, so die New York Times.

In dieser Auseinandersetzung werben die USA seit einiger Zeit eifrig um Australien. Australien ist nicht Mitglied der NATO, gilt aber als enger Partner der Organisation und hat seit jeher jedes us-amerikanische Kriegsabenteuer unterstützt - von Vietnam über Irak bis nach Afghanistan. Die USA und Australien sind neben dem bilateralen Verhältnis auch über die sogenannte ″five eyes″ (fünf Augen) Kooperation der Geheimdienste verbunden. Zu dem Bündnis gehören Australien, Neuseeland, Kanada, Großbritannien und die USA. Zudem Haben die USA Australien auch in eine andere militärische Vereinbarung eingebunden, den Quadrilateralen Sicherheitsdialog, kurz "Quad". Letzterer umfasst auch Indien und Japan und ist eine weitere Quasi-Allianz gegen China.

Alles deutet darauf hin, dass das U-Boot-Abkommen - zusammen mit den Quad-Kriegsübungen mit Japan und Indien und dem Drängen, dass Australien seinen Handel mit China einschränkt (China ist mit Abstand Australiens größter Handelspartner; Anfang 2021 entfielen fast 40 % aller australischen Exporte auf China.) - ein wichtiger Schritt zur Konsolidierung einer breiteren militärischen und wirtschaftlichen Allianz gegen China ist, in die so viele Staaten in der Region Asien-Indopazifik wie möglich eingebunden werden sollen. Das Vorgehen ähnelt in gewisser Weise den Bemühungen der USA, die Nordatlantikpakt-Organisation (NATO) als antikommunistischen Militärpakt gegen die UdSSR in den späten 1940er Jahren zu gründen.

Milliardendeal mit Frankreich geplatzt

Als Kollateralschaden des neuen Militärpaktes wird eine frühere Vereinbarung zwischen Frankreich und Australien über eine dieselbetriebene U-Boot-Flotte hinfällig. Australien hatte 2016 einen Vertrag mit Frankreich zum Bau von zwölf neuen U-Booten im Wert von mehr als 56 Milliarden Euro unterschrieben. Der Deal muss jetzt der neuen Initiative weichen. Kurz nach Bekanntgabe des neuen Militärabkommens mit den USA und Großbritannien kündigte Australien ohne vorherige Warnung den milliardenschweren U-Boot-Deal mit Frankreich auf, was in Paris große Empörung hervorrief.

Frankreich und EU besorgt

Frankreich geht es nicht nur um das entgangene Rüstungsgeschäft. Emmanuel Macron vertritt seit einiger Zeit eine von den USA abweichende politische Position im indopazifischen Raum und versucht einen "dritten Weg" zu gehen, als "autonomer Verbündeter", "verbündet, aber nicht gleichgeschaltet", der Washington nicht in den neuen kalten Krieg mit China folgt. Bereits auf dem NATO-Gipfel am 10. Juni hatte Macron betont, dass "China meiner Meinung nach nicht Teil der atlantischen Geographie ist, oder meine Karte ist falsch": Frankreich hält nichts von der Absicht der US-Regierung, die NATO in die Konfrontation mit China einzubeziehen.

Das Vorgehen der USA - ohne Paris zu informieren - zeigt nach Ansicht der französischen Regierung, dass Europa für die USA wenig oder gar nichts bedeutet.

Frankreich hat jedoch Schwierigkeiten, die großen europäischen Länder auf seine Seite zu ziehen. Am Donnerstagabend sprach Macron im Elysée-Palast mit Angela Merkel über den australischen Fall, aber diese blieb sehr zurückhaltend (zumal 2016 auch ThyssenKrupp im Rennen um den Verkauf von U-Booten an Australien war, aber gegen den französischen Rüstungskonzern Naval Group den Kürzeren zog).

Die EU schweigt, blickt aber mit Sorge auf die neue US-Strategie. Nach dem Jubel über Bidens Sieg, in der Annahme, dass damit die schwierige Trump-Ära abgeschlossen sei, gab es eine Reihe von Ereignissen, die die Alarmglocken läuten ließen: der chaotische Abzug aus Afghanistan, ohne die Europäer rechtzeitig zu informieren, die mit dem Chaos fertig werden mussten und nun in der ersten Reihe für die Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen stehen, und vorher das Tauziehen um die Covid-Impfstoffe, wo die USA Europa zunächst nicht zu Hilfe kamen und die Ausfuhren blockierten.

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen sind die EU-Partner verärgert, weil sie bei einer so wichtigen Entscheidung nicht konsultiert oder zumindest informiert worden waren. Brüssel ist auch unglücklich über den Zeitpunkt der Bekanntgabe des neuen Militärpaktes, genau am Vorabend der Vorstellung der EU-Strategie für den indopazifischen Raum, den ersten Teil eines Projekts namens ″Global Gateway″, mit dem die EU internationale Abkommen unterzeichnen will, die weit über den Handel hinausgehen, und zwar in den Bereichen Industrie, Digitaltechnik, Konnektivität und, wie der Zufall es will, "maritime Sicherheit".

anglo-amerikanischer Militär-Industrie-Komplex (MIK) schaltet auch die italienische Fincantieri aus

Wenn die französische Regierung von der Stornierung der 56 Milliarden Euro teuren Lieferung von Atom-U-Booten im Unklaren gelassen und überrascht wurde, so hat sie ein Alarmsignal zu Beginn des Sommers überhört.

Im Juni platzte der größte italienische Marineauftrag der letzten Jahrzehnte. Es ging um die Lieferung von neun Fregatten des Typs Fremm an die australische Marine durch die staatliche Fincantieri, ein Projekt, an dem auch die französische Naval Group beteiligt ist. Doch völlig überraschend stornierte Australien den Kauf der Fregatten im Gesamtwert von rund 23 Milliarden Euro. Den Zuschlag erhielt der Britische Rüstungskonzern Bae Systems.

Es war eher eine politische als eine technische Entscheidung, und aus diesem Grund war sie umso brisanter: Die britischen Fregatten befinden sich noch in der Entwurfsphase und werden erst Ende des nächsten Jahrzehnts zur Verfügung stehen, während die italienischen Fregatten bereits einsatzbereit und erprobt sind, was es Australien ermöglicht hätte, ihre ersten Schiffe in einigen Jahren zu bekommen. Australien setzt auf ein Schiff, das es bisher nur auf dem Papier gibt, anstatt auf eines, das bereits im Einsatz ist und wie das italienische IAI, das Institut für internationale Angelegenheiten betont, zu den modernsten Fregatten zählt, die weltweit im Einsatz sind.

Darüber hinaus hatte Fincantieri für den Bau der Schiffe Direktinvestitionen in Australien und eine umfassende Einbeziehung lokaler Zulieferer geplant.

Die Botschaft der USA ist klar: Im Pazifik gibt es keinen Platz für die Europäische Union.

Diese Konflikte offenbaren zum einen den Grad der Konkurrenz zwischen dem europäischen und dem militärisch-industriellen Komplex der "Anglosphäre" und senden eine Botschaften, die mit dem AUKUS-Pakt einhergehen: Das Expansions- und Einflussgebiet des europäischen militärisch-industriellen Komplexes soll sich nach den Plänen der "US - britischen Allianz″ bis auf wenige Ausnahmen auf den Mittelmeerraum, den Golf und Afrika beschränken, nicht aber auf den Pazifik, der für die USA der strategische Schwerpunkt ist.

Der "Dolchstoß", von dem der französische Außenminister Le Drian in Bezug auf den AUKUS-Pakt spricht, ist der Beginn eines großen geopolitischen Spiels, das einerseits darauf abzielt, China unter Druck zu setzen, andererseits aber auch darauf, die Bereiche der militärischen und wirtschaftlichen Expansion in einer Welt, die in Eurasien und im Pazifik investiert, neu zu definieren.