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Marikana_Plakat_R1250025.09.2012: Mit Freudentänzen, Jubelrufen und Gesängen feierten die rund 5000 Teilnehmer einer Vollversammlung der streikenden Minenarbeiter in Süafrika im Stadion von Marikana am 18. September das Ergebnis von dreiwöchigen Verhandlungen zwischen der Direktion des britischen Platin-Konzerns Lonmin und vier Gewerkschaften unter Vermittlung eines katholischen Bischofs. Nach über fünf Wochen Streik sah sich die Konzernleitung gezwungen, endlich in eine substanzielle Erhöhung der Löhne um 11 – 22 Prozent einzuwilligen, um den Konflikt beizulegen, der am 16. August in ein blutiges Massaker der Polizei an 34 Streikenden ausgeartet war.

Die Lohnerhöhung tritt ab dem 1. Oktober in Kraft. Die Entlohnung der "Rock drillers" (Felsenbohrer), also der Bergleute, die unter Tage das Gestein brechen, wird um 22 Prozent auf 11.000 Rand (ca. 1.000 €) angehoben. Das liegt zwar unter der Forderung von 12.500 Rand, die zu Beginn von den Streikenden erhoben worden war, ist aber gegenüber den bisherigen Löhnen ein enormer Fortschritt.

Die übrigen Grubenarbeiter bekommen 15 Prozent mehr, die restlichen Beschäftigten je nach Art der Arbeit 11 – 12 Prozent. Außerdem erhalten alle Beschäftigten, die sich am 20. September, dem vereinbarten Tag der Wiederaufnahme der Arbeit, zur Arbeitsaufnahme zurückmeldeten, eine Prämie von 2.000 Rand (rd. 190 €), die auch als Überbrückungshilfe dienen soll, nachdem das Unternehmen während des Streiks mehrere Wochen lang keine Löhne gezahlt hat.

Unterzeichnet wurde das Abkommen neben der Firmenleitung sowohl von der Bergarbeitergewerkschaft NUM, die zu dem ANC-nahen Gewerkschaftsbund COSATU gehört, als auch von der von der NUM abgespaltenen AMCU, die den 'wilden Streik' ab 10. August initiiert hatte, sowie zwei weiteren kleineren Gewerkschaften und einem Vertreter der Unorganisierten. Bischof Seoka sagte, es handle sich um eine Erhöhung, wie sie in der Geschichte der Lohnverhandlungen nicht oft vorgekommen ist. Deshalb könne dies als „ein echter Sieg für die Arbeiter“ betrachtet werden. Ein Sprecher der 'dissidenten' Gewerkschaft AMCU sagte, das gleiche Ergebnis hätte auch schon vor Wochen ohne das blutige Massaker erreicht werden können, wenn die Firmenleitung die jetzt gemachten Zugeständnisse früher bewilligt hätte.

Der 11. Nationale Kongress der COSATU, der parallel zu den Vorgängen vom 17. 20. September in Johannesburg stattfand, begrüßte das erzielte Abkommen in einer extra dazu angenommenen Erklärung. Es hieß darin u.a., die Gewerkschaften hofften, dass andere Bergbaukonzerne nun rasch ähnliche Angebote machten. Die NUM erklärt laut dem Text, dass sie die Ermordung und Einschüchterung von Arbeitern, die sich dem Streik nicht anschlossen, verurteilt habe, aber zugleich die Berechtigung der Forderungen der 'Felsenbohrer' und anderen Bergarbeiter nach substanzieller Lohnerhöhung und besseren Arbeitsbedingungen stets anerkannt habe. Übrigens nennt die COSATU in dem Text die Zahl von über 60 Toten, die es im Zusammenhang mit dem Konflikt gegeben habe, weil schon vor dem Blutbad und auch noch während der heißen Phase des Konflikts mehrere aktive Gewerkschafter und andere Arbeiter getötet worden waren, teilweise, weil sie sich geweigert hatten, an dem Streik teilzunehmen. Der COSATU-Kongreß appellierte an alle, die die NUM verlassen haben, sich ihr wieder anzuschließen, denn "Vereint halten wir stand, geteilt fallen wir".

Der Generalsekretär der Südafrikanischen Kommunistischen Partei, Blade Nzimande, nutzte seine Grußansprache auf dem COSATU-Kongreß, um einige generelle Anmerkungen zur aktuellen Situation in Südafrika zu machen, die auch zu den Hintergründen des Marikana-Konflikts gehörten. Er hob hervor, dass die Arbeiterklasse und die Gewerkschaften im Zeichen der globalen Krise des Kapitalismus auch in Südafrika mit einer "antigewerkschaftlichen Offensive" konfrontiert seien. Dazu gehöre auch der "Flirt" der bürgerlichen Oppositionsparteien wie der Demokratischen Allianz (DA) mit anarchistischen Elementen, die mit Hilfe der bürgerlichen Medien nicht nur die Gewerkschaften attackieren, sondern auch versuchten, die ANC-geführte Dreierallianz und die Regierung unter Zuma generell in Misskredit zu bringen und auseinander zu dividieren.

Grundsätzlich betreibe der ANC jedoch, auch wenn dies nicht ein für allemal gesichert sei, seit 2007 eine Politik, die den Neoliberalismus und Privatisierungen wie auch Antikommunismus und Anti-Arbeiter-Positionen ablehnt. Deshalb müsse die Einheit der Dreierallianz verteidigt werden. Nzimande fügte aber auch hinzu, dass die Angriffe auf ANC und Gewerkschaften manchmal auch ermutigt würden "durch unsere eigenen Spaltungen und Fraktionierungen, durch unsere eigene Zerfahrenheit, durch unsere eigene Missachtung der Hauptaufgabe, am Arbeitsplatz und in unseren Kommunen zu organisieren", auch durch Schwächen im Umgang mit Korruption und ähnlichen Fehlentwicklungen. So seien in Marikana in den Jahren des Platin-Booms zwar eindrucksvolle Investitionen vorgenommen worden, aber nichts für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter getan worden. Da sei gegenüber den Arbeitern und ihren Familien "gefehlt" worden.

Text: Dirk Grobe  /  Plakat: freestylee

Siehe auch: Erhebungen der Arbeiter Südafrikas und der ANC