Europa

SE Regierungskoalition 2022 1019.10.2022: "Ab heute beginnt der Abbau von Menschenrechten in Schweden! Das ist die autoritärste und rassistischste Regierung, die es in der schwedischen Geschichte je gegeben hat. Aber wir werden keinen Millimeter zurückweichen!" so kommentierte der Reichstagsabgeordnete der Linkspartei, Malcolm Momodou Jallow, am Montag die Bildung der schwedischen Regierung.

 

Am Montag (17.10.) lief es genau so, wie es erwartet wurde: Der rechte Block aus konservativen Moderaten, Christdemokraten, Liberalen und faschistischen Schwedendemokraten wählte geschlossen den Vorsitzenden der Moderaten, Ulf Kristersson, zum neuen Ministerpräsident Schwedens. 176 der 349 Abgeordneten stimmten für Kristersson, 173 gegen ihn.

"Es sind die Nazis von den Schwedendemokraten, die den Taktstock in der Hand halten"
Malcolm Momodou Jallow, Reichstagsabgeordneter der Linkspartei

Auch wenn die Schwedendemokraten, die ihre Wurzeln in der schwedischen Neonaziszene haben, keinen Ministerposten besetzen, so wurde schon in der Antrittsrede von Ulf Kristersson deutlich, dass sie die Linien der bürgerlichen Minderheitsregierung maßgeblich bestimmen. "Wir werden die großen Fragen gleichzeitig angehen. Schweden befindet sich in mehreren parallelen Krisen: Die Bandenkriminalität, die Strompreise, Klimaherausforderungen und die gesamte Weltlage", sagte Kristersson und benannte damit die Schwerpunkte des gemeinsamen Regierungsprogramms, das den Titel "Tidöavtalet: Överenskommelse för Sverige" (Tidö-Abkommen: Übereinkommen für Schweden) trägt.

"in den Sachfragen ist es so, als ob wir eine Regierungspartei wären"
Jimmie Akesson, Vorsitzender der Schwedendemokraten

Der Einfluss der Schwedendemokraten, die die stärkste Fraktion im rechten Block stellen, wird schon daran ersichtlich, dass auf der Titelseite des Programms vier Parteilogos abgebildet sind - auch das der Schwedendemokraten –, obwohl nur die drei bürgerlichen Parteien die Regierung bilden. Damit sie die Umsetzung der Vereinbarung kontrollieren können, haben die Schwedendemokraten vier Ausschussvorsitze im Parlament erhalten und können ein eigenes Büro in der Staatskanzlei etablieren.

"Wir werden die asylbedingte Einwanderung gegen Null bringen"
Jimmie Akesson, Vorsitzender der Schwedendemokraten

SE Jimmie AkessonMan wäre gern Teil einer Mehrheitsregierung gewesen, hatte der Vorsitzende der Schwedendemokraten, Jimmie Akesson, bei der Präsentation des 62 Seiten starken Programms gesagt. Stattdessen habe man nun aber sachpolitisch seinen Abdruck hinterlassen. "Auch wenn wir keine Regierungspartei sind, ist es in den Sachfragen so, als ob wir eine Regierungspartei wären", sagte er. "Für uns war es völlig entscheidend, dass ein Machtwechsel auch einen Paradigmenwechsel in der Einwanderungs- und Integrationspolitik beinhalten muss. Dafür haben wir in den zwölf Jahren, die wir im Reichstag sind, und in den 17 Jahren, in denen ich Parteivorsitzender bin, gearbeitet", fuhr er fort. Die Einigung auf das Regierungsprogramm werde "eine große Wirkung haben: Wir schaffen das Instrument der unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung ab und ergreifen eine lange Reihe von Maßnahmen, die die asylbedingte Einwanderung gegen Null bringen wird."

Eine erste Maßnahme, die er auf der Pressekonferenz betonte: Die Zahl der aufgenommenen Geflüchteten nach europäischer Quote (Kontingentflüchtlinge) werde von rund 6.400 im Vorjahr auf nur noch 900 pro Jahr gesenkt.

Hauptthema des Regierungsprogramms: "Migration und Integration"

Sieben Zusammenarbeitsprojekte haben die Schwedendemokraten und die Drei-Parteien-Regierungskoalition in ihrem Tidö-Abkommen, benannt nach Schloß Tidö, wo die Sondierungsgespräche stattfanden, verankert.

Darunter sind Themen wie Gesundheit und Pflege, Klima und Energie, die Kriminalität sowie Migration und Integration.

SE Schwedendemokraten AsylstoppLetzteres gilt als Hauptfokus der Schwedendemokraten und ist Hauptthema des Abkommens. Hier finden sich 19 Seiten, die von verschärften Rückführungsverfahren, strengeren Regeln für die Arbeitsmigration und restriktiveren Bedingungen für die Familienzusammenführung sprechen. Darüber hinaus sieht das Abkommen Transitzentren während des gesamten Asylverfahrens und eine Verschärfung der Anforderungen an die Staatsangehörigkeit sowie eine Zunahme der Fälle, in denen Aufenthaltsgenehmigungen widerrufen werden, vor.

Die Vereinbarung zur Bekämpfung von "Banden" spiegelt auch die Vorschläge der extremen Rechten wider, darunter: doppelte Bestrafung von Gruppendelikten, wirksamere Zwangsmittel, anonyme Zeugen, Aufenthaltsverbote und Abschaffung von Strafnachlässen für über 18-Jährige. Zusätzlich zu diesen Vorschriften gilt in ganz Schweden ein Bettelverbot.

Auf der Umweltseite sieht das Abkommen neue Investitionen in die Kernenergie (das Land hat derzeit drei aktive Kraftwerke) in Höhe von 400 Milliarden Kronen und den Bau neuer Anlagen vor. "Neue Atomreaktoren werden gebaut", verkündete die Vorsitzende der Christdemokraten, Ebba Busch, auf einer Pressekonferenz -

Auf der sozialökonomischen Seite ändert sich nichts an Schwedens ultraliberalem Bildungssystem, während Steuersenkungen auf Ersparnisse geplant sind.

"Die rechtsnationalistische Regierung hat nur ein einziges Interesse: die Gesellschaft zu spalten"
Nooshi Dadgostar, Vorsitzende der Linkspartei

Mehrere liberale Abgeordnete haben sich kritisch über das "Tidö-Abkommen" geäußert und es als "nicht im Einklang mit der liberalen Geschichte Schwedens" bezeichnet, was sie nicht hinderte, am Montag der Regierung ihre Zustimmung zu geben.

Für die Ex-Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Sozialdemokraten, Magdalena Andersson, "dient die Vereinbarung nur dazu, interne Probleme der neuen Mehrheit zu lösen, nicht aber die Probleme Schwedens".

Schärfer ist der Kommentar von Nooshi Dadgostar, der Vorsitzenden der Linkspartei:

SE Nooshi Dadgostar"Es ist ein politisches Projekt, das Schweden zu einem kälteren Land machen wird. Ein Land, in dem die einfachen Menschen in der Krise auf der Strecke bleiben. Ein Land, in dem ständig mit dem Finger auf Flüchtlinge und andere gezeigt wird, die für alle Probleme verantwortlich gemacht werden. Die einzigen Gewinner sind diejenigen, die bereits jetzt das große Geld haben.
Die rechtsnationalistische Regierung hat nur ein einziges Interesse: die Gesellschaft zu spalten und die Menschen gegeneinander aufzuhetzen, indem sie die Unsicherheit und Ungleichheit verstärkt. Die rechten Parteien begünstigen die Reichen und treffen die Menschen mit geringem Einkommen.
Das Abkommen enthält wie üblich scharfe Vorschläge, wie man den bereits Reichen helfen kann, aber es wird nichts Konkretes getan, um unseren bedrohten Wohlstand zu retten, und die Ambitionen für das Klima sind völlig unzureichend.
 

In unserem Land gibt es große Probleme, aber diese Politik wird alles noch viel schlimmer machen. Dies ist eine Politik, die Schwedens Familien mitten in der Krise ärmer machen wird. Gleichzeitig schieben sie alle Probleme der Gesellschaft auf diejenigen von uns, die aus anderen Ländern stammen."

"Wir werden keinen Millimeter zurückweichen!"
Malcolm Momodou Jallow, Reichstagsabgeordneter der Linkspartei

Der Reichstagsabgeordnete der Linkspartei, Malcolm Momodou Jallow, meint:

SE Malcolm Momodou Jallow"Die Moderaten, die Christdemokraten und die Liberalen haben sich nun zusammen mit den Schwedendemokraten darauf geeinigt, Schweden mit autoritären, nationalistischen, repressiven und rassistischen Methoden zu regieren. Diese blau-braune Regierung hat u.a. die Klima- und Umweltarbeit, die Demokratie und die Menschenrechte völlig aufgegeben. Es ist zu erwarten, dass sie Überwachungszonen, anonyme Zeugen, Gefängnisse im Ausland, Transitzentren, ein nationales Bettelverbot, viel strengere Anforderungen an die Staatsbürgerschaft und umfangreichere repressive Methoden einführen werden, die darauf abzielen, unsere Vororte zu militarisieren und es unmöglich zu machen, in Schweden in Würde zu leben und die Menschenrechte zu wahren.
Sie wollen die Daueraufenthaltsgenehmigung abschaffen, den Familiennachzug stoppen, die Flüchtlingsquote von 6.000 auf 900 pro Jahr senken usw. usw.
Es sind die Nazis von den Schwedendemokraten, die den Taktstock in der Hand halten, und in einer Zeit, in der wir uns in einer unruhigen Welt befinden, entscheiden sich die Blau-Braunen dafür, Nazis ins Regierungsamt zu lassen. Die Folgen werden für uns alle verheerend sein, für den Wohlstand, für das Klima und die Umwelt, für Menschen mit geringem Einkommen, für Frauen, LGBTQI-Personen, Muslime, Juden und andere Minderheiten, Einwanderer, Angehörige anderer ethnischer Gruppen und für Schweden.
Deshalb ist es wichtiger denn je, Volksbewegungen aufzubauen, die Träger der Demokratie sein können. Denn wenn sich Menschen in Bewegung setzen, um für Gleichberechtigung, Gleichstellung der Geschlechter und Menschenrechte zu kämpfen, kann uns keine PR-Agentur oder Spin-Doctor-Rhetorik besiegen.
Wir wissen um die Ideologie des Nationalsozialismus, die Gier des Kapitalismus und die autoritären und repressiven Methoden, aber wir wissen auch, dass es zu allen Zeiten Widerstand dagegen gab, und diesen Widerstand gibt es in Schweden!
Wir werden keinen Millimeter zurückweichen!"


zum Thema