Europa

alt17.02.2011: In der Steiermark wird es ab April landesweit bei Strafe verboten sein, zu betteln. In einer von Protesten begleiteten Landtagstagssitzung am 15. Februar haben die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP zusammen mit der rechtsnationalen FPÖ ein Bettelverbot durchgesetzt. Gegen diese diskriminierende, menschenrechtswidrige Gesetzesvorlage stimmten nur die KPÖ und die Grünen.

Betroffen sind von dem Bettelverbot vorwiegend Roma, Personen, die einer Minderheit angehören und teilweise haarsträubender Diskriminierung ausgesetzt sind. Die meisten bettelnden Menschen in der steirischen Hauptstadt Graz kommen aus der Slowakei, oft der angefeindeten ungarischsprachigen Minderheit angehörig, einige wohl auch aus Bulgarien und Rumänien. Also Menschen aus EU-Staaten, in denen die Menschenrechtslage für diese Bevölkerungsgruppen indiskutabel ist. Gegen die zynische und scheinheilige Verbotspraxis hat sich landesweit eine Plattform von 143 Organisationen gebildet. Neben KPÖ, Grünen, Menschenrechtsorganisationen gehören ihr auch Pfarrer und Laienorganisationen an.

Unter dem Motto „Wir setzen uns nieder!“ demonstrierten am vergangenen Samstag ca. 1000 Menschen in Graz, die sich Menschenrechtshauptstadt nennt, gegen das geplante Bettelverbot. Der katholische Pfarrer Wolfgang Pucher, seit 15 Jahren Vertrauensmann der in Graz bettelnden Roma hat angekündigt, das steirische Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof zu beeinspruchen. Der evangelische Pfarrer Manfred Perko fragt sich: „Ist der öffentliche Raum nur mehr für die Reichen und Schönen?“

Auffallend bei der ganzen Debatte ist außerdem: Während SPÖ, ÖVP, FPÖ, BZÖ immer wieder betonten, wie notwendig doch ein vollständiges oder teilweises Bettelverbot sei – immer mit dem Hinweis, um das organisierte Betteln in den Griff zu bekommen – hielt sich die Polizei mit Wortmeldungen dazu dezent zurück. In einer Stellungnahme der Grazer Staatsanwaltschaft vom 10.November 2006 ist zu lesen, dass „nach umfassenden Ermittlungen der Polizei derzeit keine organisierte Struktur und Ausbeutung der derzeit in Graz aufhältigen Bettler festzustellen“ sei.

In ihrer Rede vor dem steirischen Landtag bekräftigte die KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler: „Ein Bettelverbot kriminalisiert Menschen, die arm sind. Es löst keine Probleme, sondern verschiebt sie. Es ist kein Verbrechen, arm zu sein. Die BettlerInnen mit einem Verbot aus dem Blickfeld zu entfernen, ist ein klares Bekenntnis dazu, die Probleme unter den Tisch zu kehren. Ganz nach dem Motto: Aus den Augen – aus dem Sinn! Kein Bettelverbot löst soziale Probleme oder schafft Armut ab, sondern treibt die Betroffenen in die Illegalität.“ Schließlich gebe es gegen jene Missstände, die immer wieder vorgeschoben werden (Ausbeutung, Kinderarbeit), um ein Bettelverbot zu rechtfertigen, längst eine gesetzliche Handhabe. Letztendlich geht es nur darum, von einer ungerechten Belastungspolitik abzulenken, indem systematisch eine kleine Gruppe kriminalisiert und zum Sündenbock gemacht wird. Armut schafft man nicht ab, indem man das Betteln verbietet. „Die wirklichen Probleme in der Steiermark sind die leeren öffentlichen Kassen, die Wiedereinführung des Regresses bei der Pflege und bei der Mindestsicherung, die Senkung der sozialen Mindeststandards durch die Abschaffung der Sozialhilfe, die Wiedereinführung von Kindergartengebühren, der Ausbaustopp für Kinderbetreuungseinrichtungen, der Ausverkauf öffentlichen Eigentums und leider noch vieles mehr. Das Bettelverbot wird keines dieser Probleme lösen. Es wird aber ein paar Tage davon ablenken, dass die Landesregierung Tag für Tag gegen die Bevölkerung regiert“, so die KPÖ-Abgeordnete. Die Position der KPÖ ist klar: „Wir sind gegen ein Bettelverbot – egal ob vollständig oder teilweise, denn nicht das Betteln gehört verboten, sondern die Armut!“

text/foto: bmugele