Europa

21.12.2010: Am Donnerstag und Freitag vergangener Woche tagte der Krisengipfel der Europäischen Union in Brüssel. Die Regierungschefs einigten sich auf einen "permanenten Krisenmechanismus" der nach Auslaufen des Euro-Rettungsschirms ab 2013 den Euro stabilisieren soll. Staaten, die Mittel aus dem Rettungsfond erhalten, werden strikten Sparprogrammen unterworfen. Von einer Beteiligung der Banken ist keine Rede mehr. Die Behauptung, dass mit der Garantieerklärung für den Euro den Spekulationsstrategien der "Märkte" ein Riegel vorgeschoben würde, wurde noch am gleichen Tag widerlegt.

Die Ratingagentur Moody`s stufte die Kreditwürdigkeit Irlands auf Ramschstatus (von Aa2 auf Baa 1) zurück. Die Zinsen für irische Staatsanleihen werden weiter steigen. Die Spekulanten können sicher sein, vom Euro-Rettungsschirm ausgelöst zu werden.

"Wenn nun die EU unter Führung der Merkel-Regierung für die Bonität der kreditnehmenden Länder haftet, dann ist dies das Signal an die Finanzmärkte: Ihr könnt weiter machen mit Wucherzinsen und Spekulationsepidemien, euch und eurem Kapital kann nichts passieren", sagt Conrad Schuhler, Ökonom beim Münchner Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung isw (siehe auch Anlage) zum Ergebnis des Gipfels.
Die Partei der Europäischen Linken erklärte: "Der Regierungsgipfel hat die Logik des Stärksten bestätigt, die die Ungleichheiten zwischen der Völkern und innerhalb unserer Länder verschärfen wird." Die Partei fordert eine Neuorientierung der Europäischen Zentralbank, um die Macht der Finanzmärkte einzudämmen (siehe Anlage).

Europa im Würgegriff der Rating-Agenturen und der Finanzmärkte
"Die einzige Möglichkeit, das Vertrauen der Märkte wiederzugewinnen, ist die strikte Umsetzung der Spar- und Reformprogramme", sagte EU-Kommissar Oli Rehn. Bettina Jürgensen, Vorsitzende der DKP, meinte dazu: "Die Regierungen kürzen die Renten und Löhne, setzen das Renteneintrittsalter rauf, schleifen den Kündigungsschutz, erhöhen die Mehrwertsteuer, vernichten Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst - um die «Märkte» zu beruhigen. Die «Märkte» - das sind die Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter und Finanzinvestoren, die die EU fest im Griff haben und ganze Volkswirtschaften ausplündern."

Finanzmärkte stellen Euro auf den Prüfstand
Mit einem Kredit von 85 Mrd. Euro aus dem Euro-Rettungsfond EFSF müssen der angeschlagene Staatshaushalt Irlands und die irischen Pleitebanken unterstützt werden, um den Euro zu stabilisieren. Deutsche Banken haben Forderungen in Höhe von 139 Mrd. Euro gegen Irland; da sind die 37 Mrd. gegen Griechenland direkt ein Klacks. Da wird dann auch klar, dass die EU nicht Irland gerettet hat - die irische Bevölkerung v.a. die irische Arbeiterklasse muss hart dafür bezahlen -, sondern gerettet werden die Banken sowie die in Irland angelegten Auslandsdirektinvestitionen transnationaler Konzerne. So haben z.B. US-Unternehmen in Irland mehr investiert als in Brasilien, China, Indien und Russland zusammen.

Was die deutschen Banken freut, ist für Irland eine Katastrophe. Wenn Irland den EU-Rettungsschirm voll ausschöpft, dann wird sich der Schuldenberg bis 2014 verdoppeln. Pro Jahr fielen dann 8,5 Milliarden Euro Zinsen an. Wenn die irische Wirtschaft weniger als acht Prozent im Jahr wächst (die optimistische Regierungsprognose erwartet knapp vier Prozent), dann wird sich die Schuldenspirale immer weiter drehen.  "Diese Rettung wird die Republik versenken", befürchtet z.B. der irische Volkswirt David McWilliams im "Belfast Telegraph".

Bundesregierung wird unruhig
Nachdem den britischen und deutschen Banken durch den Euro-Rettungsschirm die Spekulationsrisiken abgenommen wurden, suchen sie ihr nächstes Opfer: Portugal, Spanien. In der Annahme, auf die gleiche Weise abkassieren zu können, stellen sie den Euro auf den Prüfstand. Da wurden jetzt selbst Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble unruhig. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) sorgt sich ernsthaft um ihre Liquidität.

Bisher leiht die EZB den Privatbanken Geld zu einem Prozent Zinsen, diese kaufen mit dem billigen Geld hochverzinsliche Staatsanleihen (Mitte November lagen die Zinsen für10-jährige Staatsanleihen von Griechenland bei 11,6 % und von Irland bei 8,8 %), und die EZB kauft die Staatsanleihen wieder zurück, um die Zinsen zu drücken. Ein wahres Profitparadies für die Privatbanken. Nach Angaben des SPIEGEL hat die EZB inzwischen für den Anleihekauf gut 72 Milliarden Euro ausgegeben - alleine in der zweiten Dezemberwoche wurden demnach Geschäfte über 2,7 Milliarden Euro abgewickelt. (SPIEGEL ONLINE, 14.12.2010)

Die Europäische Zentralbank wird ihr Grundkapital von 5,7 Mrd. Euro auf 10,7 Mrd. fast verdoppeln und ist nun wie auch der Internationalen Währungsfond dafür, den Euro-Schutzschirm massiv aufzustocken. Die EZB will sich noch stärker beim Ankauf maroder Staatsanleihen engagieren. Ab 2013 soll dann der neue Fonds zur Finanzstabilisierung die Staatsanleihen aufkaufen.

Macht der Finanzmärkte eindämmen
Zur Debatte über die Ausgabe von Euro-Anleihen meint Bettina Jürgensen von der DKP, dass dies zweitrangig sei. Der zentrale Punkt sei, so sagt sie, dass es ohne die Eindämmung der Macht der Banken keinen sozialen und demokratischen Weg aus der Krise geben werde. Deshalb trete die DKP für die Überführung des Finanzsektors in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle ein. Die EZB könne Geld drucken und Kredite mit einem niedrigen Zinssatz oder zinslos direkt an die Regierungen geben - ohne den Umweg über die Finanzmärkte. "Natürlich muss diese Kreditausweitung an gesellschaftliche Interessen gebunden und öffentlich, demokratisch kontrolliert werden", setzt sie hinzu. Als Negativbeispiel nennt sie die Soffin (die Institution in Deutschland, die zur Verwaltung des 500 Mrd. Euro Rettungsschirms für die Banken gegründet wurde) oder den "Euro-Rettungsschirm EFFS", die sogar der parlamentarischen Kontrolle entzogen sind.
Sie erklärte, dass die DKP die Initiative der Europäischen Linken unterstützen würde, die Bürger gegen die Logik der europäischen Verträge zu mobilisieren und eine breite Kampagne für die Schaffung eines Europäischen Fonds für soziale Entwicklung zu starten. Dieser Fonds stehe im Gegensatz zum "Europäischen Fonds für finanzielle Stabilisierung EFFS" - der aufgelöst werden müsse - und ziele darauf ab, öffentliche Investitionen zu finanzieren, die Arbeitsplätze schaffen, Ausbildung, Forschung und nützliche Infrastrukturen erweitern und Fortschritte im Umweltbereich erreichen.

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foto: Davide-Dodo-Oliva