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Ruestungsexport Munition28.12.2021: deutsche Rüstungs-Exporte auf den Rekordwert von 9,043 Milliarden Euro ++ Groko genehmigte fünf Milliarden in den letzten neun Tagen ihrer Amtszeit ++ Hauptpartner ist die Diktatur in Ägypten ++ Sevim Dagdelen (DIE LINKE): "ein wahres Gaunerstück"

 

 

Deutschland gehört seit Jahren zu den weltweit wichtigsten Rüstungslieferanten. Die Bundesregierung spricht dennoch gerne davon, eine "restriktive" Rüstungsexportpolitik zu betreiben. Doch die Zahlen widersprechen den offiziellen Ansagen. Im Jahr 2021 ist der Gesamtumfang der Rüstungs-Exporte auf den Rekordwert von 9,043 Milliarden Euro – gut eine Milliarde mehr als der bisherige Rekord von 8,015 Milliarden im Jahr 2019.

Der besondere Skandal: Rüstungsexporte für fast fünf Milliarden Euro – mehr als die Hälfte der gesamtem Rüstungsexporte – haben Union und SPD noch schnell in den letzten neun Tagen ihrer Amtszeit, als sie nur noch geschäftsführend im Amt waren, genehmigt. Der jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war zu dieser Zeit Vizekanzler in der Groko. Dies ist durch eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag am ersten Weihnachtsfeiertag öffentlich geworden.

Genehmigungen im Umfang von gut vier Milliarden Euro entfielen laut Bundesregierung 2021 auf Kriegswaffen, die übrigen gut fünf Milliarden Euro auf "sonstige Rüstungsgüter". Der Wert genehmigter Kriegswaffen hat sich damit vervielfacht.

Spitzenabnehmerland ist die Diktatur in Ägypten

Ruestungsexporte DiehlDie Nummer eins unter den Empfängerländern ist mit großem Abstand Ägypten. In den letzten neun Tagen der Groko wurden allein für Ägypten Rüstungsexporte für mehr als vier Milliarden Euro genehmigt. Insgesamt erhält das nordafrikanische Land im Jahr 2021 Rüstungsgüter im Wert von 4,339 Milliarden Euro. Darunter ist der Verkauf von drei Kriegsschiffen von ThyssenKrupp Marine Systems und 16 Luftabwehrsystemen von Diehl Defence.

Ägypten steht wegen Menschenrechtsverletzungen und seiner Verwicklung in die Kriege im Jemen und in Libyen stark in der Kritik. Seit dem Militärputsch von General al-Sisi 2013 wird das Land mit noch größerer Brutalität regiert. Folter und politische Haft sind Alltag und nehmen auch europäische Bürger nicht aus. Anfang 2016 wurde der 28-Jährige Italiener Giulio Regeni, der in Ägypten für seine Doktorarbeit recherchierte, von der ägyptischen Polizei brutal zu Tode gefoltert. Die italienische Justiz identifizierte Angehörige das Staatsapparats als Täter, trotz fortgesetzter Versuche des Regimes, die Spuren zu verwischen - was weitere Menschenleben kostete.

Ägypten ist auch in die Kriege im Jemen und in Libyen verwickelt. Im Jemen kämpfen ägyptische Soldaten mit schwerem Gerät und ihrer Luftwaffe an der Seite Saudi-Arabiens gegen die Huthi-Milizen. In Libyen unterstützt Ägypten den Kriegsherrn Chalifa Haftar.

Dennoch reisten deutsche Wirtschaftsminister nach Kairo, rühmten den Diktator als "beeindruckend" (Sigmar Gabriel, SPD) oder als "Stabilitätsanker" (Gabriels Nachfolger Peter Altmaier, CDU) und vereinbarten Rüstungsgeschäfte.

Olaf Scholz ist mitverantwortlich

Mitverantwortlich für die kurz vor Torschluss genehmigten Kriegswaffenexporte nach Ägypten ist der heutige Kanzler Olaf Scholz (SPD). Die Exporte wurden vom Bundessicherheitsrat genehmigt, einem Kabinettsausschuss, dem neben Merkel sieben Minister angehörten. Darunter ist der Finanzminister, der damals Olaf Scholz hieß. Olaf Scholz schweigt zu den Vorwürfen. Möglicherweise, hat er auch in diesem Fall wieder einmal ein Gedächtnisproblem.

Sevim Dagdelen, Obfrau der Linken im Auswärtigen Ausschuss und Rüstungsexpertin der Fraktion, attestierte der Groko "ein wahres Gaunerstück". Sie kritisiert das Verhalten des heutigen Kanzlers scharf: "Olaf Scholz hat sich in der nur noch geschäftsführenden Regierung ein wahres Gaunerstück geleistet und eindrücklich demonstriert, wie folgenlos die Kritik der SPD an skrupellosen Waffenexporten gerade an Diktaturen und autoritäre Regime letztlich bleibt", sagte sie. "Wer derart skrupellos Kriegswaffen an Diktatoren und autoritäre Regime liefert, verwirkt jedes Recht auf Kritik an Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern", so Dagdelen. "Für die neue Ampel-Regierung unter Scholz ist das eine schwere Hypothek."

  Sevim Dagdelen Ruestungsexporte 2021
Frei nach dem Motto "Waffen statt Brot für die Welt" haben Angela Merkel und ihr Vizekanzler Olaf Scholz mit einem Taschenspielertrick kurz vor Weihnachten Rekordrüstungsexporte genehmigt. So erlaubten sie vom 1. Januar bis zum 14. Dezember Rüstungsexporte im Wert von über 9 Milliarden Euro, wie aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf meine Anfrage hervorgeht. Über vier Milliarden entfielen auf KRIEGSwaffen, die übrigen gut fünf Milliarden Euro auf «sonstige Rüstungsgüter». Allein für den Export nach Ägypten wurden dabei Genehmigungen zwischen dem 29. November und 8. Dezember über gut 4,3 Milliarden Euro ausgestellt. Besonders Olaf Scholz hat sich somit in der nur noch geschäftsführenden Regierung ein wahres Gaunerstück geleistet und eindrücklich demonstriert, wie folgenlos die Kritik der SPD an skrupellosen Waffenexporten gerade an Diktaturen und autoritäre Regime letztlich bleibt.
Wer derart skrupellos Kriegswaffen an Diktatoren und autoritäre Regime liefert, verwirkt jedes Recht auf Kritik an Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern. Die Kritik an den Exportgenehmigungen, die nun von Annalena Baerbock geäußert wird, wäre sicherlich glaubwürdiger, wenn sie nicht zugleich mehr Kampfeinsätze der Bundeswehr und höhere Militärausgaben fordern würde. Das angekündigte Rüstungsexportkontrollgesetz der Ampel lässt vor diesem Hintergrund nichts Gutes erwarten.
Die Genehmigung des Exports von Mordwerkzeugen ist Beihilfe zu Mord und Totschlag weltweit. Diese Waffenexporte gehören deshalb endlich verboten!
Quelle: Sevim Dagdelen, Facebook, 27,12.2021
 

 

Grüne versprechen schärferes Rüstungsexportkontrollgesetz

Die neue Koalition von SPD, Grünen und FDP hat allerdings versprochen, Rüstungsexporte in sogenannte Drittstaaten, also Länder außerhalb von EU und Nato, einzudämmen. Um das besser kontrollieren zu können, soll es ein Gesetz über Rüstungsexporte geben. Bisher gibt es nur politische Richtlinien dafür.

Außenministerin Annalena Baerbock bekräftigte diese Absicht nach dem Bekanntwerden der Genehmigungen in den letzten Tagen der schwarz-roten-Koalition: "Wir haben als Koalition deutlich gemacht, dass wir die Rüstungsexportpolitik der vergangenen Jahre auf den Prüfstand stellen", sagte die Grünen-Politikerin. Und weiter: "Deswegen arbeiten wir an einem Rüstungsexportkontrollgesetz, das deutlicher macht, nach welchen Kriterien Rüstungsexporte genehmigt werden." Nach Baerbock dürften Rüstungsexporte nicht rein wirtschaftlich betrachtet werden. "Es ist auch eine Frage der Außenpolitik, von Menschenrechten, von internationalen Beziehungen." Das sei aber "ein dickes Brett", schränkt Baerbock ein.

Sevim Dagdelen zweifelt allerdings an der Entschlossenheit auch der Grünen in Sachen Rüstungsexportkontrolle. "Die Kritik von Annalena Baerbock an Waffenexporten wäre sicherlich glaubwürdiger, wenn sie nicht zugleich mehr Kampfeinsätze der Bundeswehr und höhere Militärausgaben fordern würde. Das angekündigte Rüstungsexportkontrollgesetz der Ampel lässt vor diesem Hintergrund nichts Gutes erwarten", befürchtet die Linkspolitikerin.

Wenn die neue Außenministerin Baerbock eine "wertegeleitete Außenpolitik" verspricht, ist zu hoffen, dass sie nicht die Börsenwerte der Rüstungsindustrie im Auge hat. Denn meist blamiert sich die Idee vor den Interessen, meinte einst ein bekannter Philosoph aus Trier.


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