Deutschland

Erdogan Merkel23.07.2019: Die Türkei steht bei Kriegswaffenlieferungen aus Deutschland an erster Stelle ++ VW plant neues Werk in Izmir ++ Abschiebung von kurdischen Aktivisten.

 

Die Bundesregierung steht fest an der Seite Erdoğans. Zwar haben die Außenminister der EU-Staaten Strafmaßnahmen gegen Ankara beschlossen, weil die Türkei illegal in zypriotischem Seegebiet nach Erdgas bohrt, aber gleichzeitig erreichen die deutschen Waffenlieferungen an die Türkei neue Rekorde. Schon im vergangenen Jahr machten die Lieferungen an die Türkei mit 242,8 Millionen Euro fast ein Drittel aller deutschen Kriegswaffenexporte (770,8 Millionen Euro) aus. In den ersten vier Monaten dieses Jahres waren es sogar 60 Prozent des Gesamtvolumens von 305,8 Millionen Euro. Von Januar bis April hat Deutschland Rüstungsgüter waren für 184 Millionen Euro in die Türkei exportiert. Die neuen Exportgenehmigungen der Bundesregierung für die Türkei sind im ersten Halbjahr 2019 bereits fast doppelt so viel wie im ganzen Jahr 2018. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, hervor.

Bei den exportierten Rüstungsgütern handelt es sich vor allem um Material für sechs U-Boote, die in der Türkei unter maßgeblicher Beteiligung von ThyssenKrupp Marine Systems gebaut werden. Vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen Zypern und der Türkei wegen der illegalen Erdgasbohrungen der Türkei, bezeichnet Dagdelen die Lieferung von Rüstungsgütern an die Türkei für "unverantwortlich".

Dagdelen Ruestungsexporte an Tuerkei

Sevim Dagdelen: "Schon die Genehmigungen der Kriegswaffen waren falsch. Dass die Bundesregierung jetzt aber trotz der türkischen Aggressionspolitik im östlichen Mittelmeer der letzten Jahre gegenüber dem europäischen Mitgliedsstaat Zypern diese Kriegswaffen für Erdogans Kriegsmarine auch noch ausliefern lässt, ist im hohen Maße unverantwortlich. Der türkische Präsident hat inzwischen Jagd-U-Boote an der Küste Zyperns postiert und gedroht, sie im Konfliktfall gegen Zypern einzusetzen. Die von der Bundesregierung beschworene Solidarität mit Zypern im Streit mit der Türkei entpuppt sich als pure Verlogenheit! Wie kann man solidarisch mit Zypern sein, wenn man gleichzeitig die Waffen für die Aggression der Türkei gegen Zypern liefert?
Die Bundesregierung trägt eine Mitschuld, sollten deutsche Waffen gegen Zypern eingesetzt werden. Diese unverantwortlichen Rüstungsexporte an das autoritäre Regime Türkei, dass nach wir vor eine aggressive Außenpolitik in der Region verfolgt, müssen gestoppt werden, sowohl Genehmigungen als auch die spätere Lieferung!"

Auch im zivilen Bereich werden die Verbindungen zur Türkei des Diktators Erdoğan immer enger. So will Volkswagen in Manisa bei Izmir ein neues Werk bauen. Die Entscheidung für die Türkei sei trotz der in Bulgarien niedrigeren Lohnkosten gefallen, heißt es. Volkswagen rechnet damit, dass der türkische Staat einen erheblichen Anteil der Produktion abnimmt.

GefaengnisDie Anbiederung der deutschen Politik an Erdoğan geht sogar so weit, dass für das inzwischen ein unterstelltes Engagement in einem legalen kurdischen Verein für die deutschen Behörden ausreicht, um einen türkischen Staatsbürger mit kurdischer Identität in die Türkei abzuschieben, und damit eine Familie auseinander zu reißen und die minderjährigen Kinder ohne Vater aufwachsen zu lassen. Dies berichtet das Nürnberger »Bündnis für Frieden in Kurdistan«.

In der Presserklärung heißt es u.a.:

Zeki T. ist türkischer Staatsbürger mit kurdischer Identität und lebt seit rund 20 Jahren in Deutschland. Er war 6 Jahre alt, als seine Familie nach Deutschland kam. 1999 wurde ihr der Flüchtlingsschutz zuerkannt, auf den die Familie dann 2009 verzichtete, um Reisen in die Türkei zu erleichtern. Seit rund 10 Jahren ist Zeki T. im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Er absolvierte hier Schule und Ausbildung, ist seitdem ununterbrochen erwerbstätig und steht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei einem örtlich ansässigem Arbeitgeber. Er ist verheiratet und hat mehrere Kinder, auch mit deutscher Staatsangehörigkeit, für deren Lebensunterhalt er sorgte.

Im Februar 2019 erhielt Zeki T. Post von der Ausländerbehörde der Stadt Nürnberg. Der Inhalt: Ausweisungs-verfügung, Androhung einer Abschiebung, Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkung auf das Stadtgebiet Nürnbergs, was seine Berufstätigkeit mit Einsätzen außerhalb der Stadt unmöglich machte. Bei Verstoß gegen die Auflagen wurde ein Zwangsgeld angedroht.

Eines frühen Morgens im Mai wurde Zeki T. schließlich von der Polizei abgeholt und in die Türkei abgeschoben.

Voran gegangen ist ein Ermittlungsverfahren wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz und ein anschließendes "Sicherheitsgespräch". Dabei wird regelmäßig auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zurückgegriffen. Wenn es Kurd*innen betrifft, werden sie – ohne Beweise – mit einer angeblichen Teilnahme an Veranstaltungen konfrontiert. Immer wird dabei auch die Unterstützung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unterstellt.

Konkret wird Zeki T. vorgeworfen, er habe teilgenommen an vom Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentrum "Medya Volkshaus e.V." organisierten Kundgebungen, Newroz-Feiern, Versammlungen, Spendenaktionen etc. Es handelte sich dabei ohne Ausnahme um angemeldete Veranstaltungen, zu denen öffentlich eingeladen wurde.

Das Konstrukt, durch Zeki T.‘s Aktivitäten in einem kurdischen Kulturverein auf Zugehörigkeit / Mitgliedschaft in der PKK
zu schließen, ist ein Versuch, die kulturellen und politischen Aktivitäten von Kurd*innen in Deutschland zu kriminalisieren.

Das "Medya Volkshaus e.V." ist bekannt als kultureller Treffpunkt von Kurd*innen in Nürnberg und Umgebung. Regelmäßig werden Veranstaltungen auch von der Stadt Nürnberg gefördert, wie z.B. die Kurdischen Kulturtage.

Seit Jahrzehnten stehen kurdische Institutionen sowie politische und kulturelle Aktivitäten in Deutschland im Visier der Behörden. Deutsche Staatsräson ist die Übernahme des Narrativs des türkischen Staates, alle Kurd*innen, die sich zu ihrer ethnischen Identität bekennen, als "Terroristen" zu brandmarken. Den deutschen Behörden zufolge gelten sie als "Gefährder der freiheitlich demokratischen Grundordnung". Dabei sind die Inhalte egal, die auf Versammlungen oder in Publikationen vertreten werden. Auch wenn es um Friedensaufrufe geht oder um die Forderung, die Türkei möge ihre eigenen Gesetze bezüglich der Behandlung von Gefangenen einhalten, wird dies als Verlautbarung einer Bewegung verstanden, die seit 1993 aus außenpolitischen Gründen in Deutschland mit einem Verbot belegt ist.

Neu im Fall von Zeki T. ist, dass ein unterstelltes Engagement in einem legalen kurdischen Verein offenbar für die deutschen Behörden Grund genug ist, eine Familie auseinander zu reißen und die minderjährigen Kinder ohne Vater aufwachsen zu lassen.

Als Bündnis für Frieden in Kurdistan sind wir betroffen und entsetzt über die Entscheidung der Nürnberger Ausländerbehörde, einen gut integrierten und seit Jahrzehnten in Nürnberg lebenden Mann mit kurdischer Identität abzuschieben. Wir erachten dies als nicht nur völlig unverhältnismäßig, sondern auch nicht eben förderlich für eine Entspannung im kurdisch-türkischen Konflikt. Mit dem absurden Verweis auf "sicherheitsrechtliche Bedenken" drängt sich der Eindruck auf, eine deutsche Behörde macht sich wieder mal zum Erfüllungsgehilfen des türkischen Staates.