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Klinikschliessung17.01.2022: Das Sterben der Krankenhäuser entwickelt sich zur Gefahr für das Gesundheitswesen, warnt das "Bündnis Klinikrettung" und startete die Petition "Bundesweite Krankenhausschließungen jetzt stoppen!"

 

 

Das Sterben der Krankenhäuser entwickelt sich zur Gefahr für das Gesundheitswesen, warnt das "Bündnis Klinikrettung". 1991 gab es demnach noch knapp 2.500 Kliniken in Deutschland. Inzwischen sind es unter 2.000. Die Zahl der Betten sank von 660.000 auf unter 500.000. Die verschiedenen Bundesregierungen förderten deutschlandweit die Schließung von Krankenhäusern. Als Grundlage dafür dienen Empfehlungen von Berater*innen, bis zu 60 Prozent aller Krankenhäuser zu schließen. Die Schließungen werden durch den Krankenhausstrukturfonds der Bundesregierung weiter forciert. Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte das zunächst geleugnet. Mit Veröffentlichung des jüngsten Berichts zum Strukturfonds Ende November 2021 ist jedoch offensichtlich geworden, dass die Schließung von Krankenhäusern politisch beabsichtigt ist.

Betroffen sind meistens kleinere Krankenhäuser in ländlichen Regionen, deren Betriebskosten durch das System der Fallpauschalen nicht aufgefangen werden können. So werden ganze Regionen von der Versorgung abgehängt. Das System der Fallpauschalen müsse komplett verändert werden, fordert das "Bündnis Klinikrettung". [1] Würden die Krankenhäuser zu einer Selbstkostendeckung zurückkehren, seien die meisten Klinikschließungen nicht mehr erforderlich.

Trotz der Corona-Krise hält die Regierung an den Krankenhausschließungen fest. So sind 2021 bundesweit insgesamt neun Klinikschließungen zu verzeichnen, hinzu kommen 22 Fälle von Teilschließungen. Teilschließungen leiten erfahrungsgemäß meist eine spätere komplette Schließung ein.

Das "Bündnis Klinikrettung" stellte dar, dass es schon jetzt die Zahl der Kliniken die die Allgemeinversorgung (z.B. die Behandlung von COVID-19-PatientInnen) übernehmen, bei nur 1.039 liegt und jetzt schon deutlich kleiner ist, als allgemein angenommen. Die offiziell angestrebte weitere Reduktion um 700 Krankenhäuser könnte die Zahl der Kliniken mit Notfallversorgung auf unter 500 absenken

Dabei sei es gerade in einer Notsituation wie der Pandemie "undenkbar, dass weiterhin Krankenhausschließungen stattfinden", sagt die Sozialwissenschaftlerin Laura Valentukeviciute vom Verein "Gemeingut in BürgerInnenhand", der zu "Bündnis Klinikrettung" gehört.

"Im Takt der andauernden Krankenhausschließungen verschlechtert sich die gesundheitliche Versorgungslage in Deutschland weiter. Spätestens mit dem Bericht des Bundesgesundheitsministeriums zur Auswertung des Krankenhausstrukturfonds vom 30. November wurde deutlich, dass die meisten Schließungen ein systematisches, staatlich geplantes und bezahltes Vorhaben sind. Dr. Karl Lauterbach hat unsere Petition gegen Klinikschließungen am 30. Mai 2021 unterschrieben – als Gesundheitsminister hat er jetzt die Macht und auch die Aufgabe, die Schließungen zu stoppen."
Laura Valentukeviciute, Sprecherin Bündnis Klinikrettung

Das "Bündnis Klinikrettung" will den Schließungsprozess stoppen und setzt sich für den Erhalt einer flächendeckenden stationären Versorgung ein. Dazu hat es eine Petition gegen die bundesweiten Klinikschließungen gestartet. Die Petition richtet sich an den neuen Bundesgesundheitsmnister Karl Lauterbach (SPD), der im Mai 2021 eine Petition gegen Klinikschließungen unterschrieben hat. "Als Gesundheitsminister hat er jetzt die Macht und auch die Aufgabe, die Schließungen zu stoppen", heißt es von der Initiative.

Logo Buendnis Klinikrettung

Petition

Sehr geehrter Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach,

mit der Corona-Epidemie ist offensichtlich geworden, was passieren kann, wenn massenweise Kliniken geschlossen, Krankenhausbetten abgebaut und öffentliche Kliniken von privaten Konzernen übernommen werden. Sicher waren Sie genau wie wir sehr erleichtert, dass die Vorschläge der Bertelsmann-Stiftung – die Zahl der Krankenhäuser um zwei Drittel zu reduzieren – noch nicht umgesetzt waren. Situationen wie in Italien oder den USA gab es in Deutschland nicht.

Aber die Krise ist noch nicht vorbei. Sie erfordert einen neuen Blick auf das, was notwendig ist. Weiterhin wird die Schließung von Krankenhäusern vom Bund – und damit in Ihrer Verantwortung – mit viel Steuergeld gefördert. Dazu kommt, dass die Finanzierung unserer Kliniken besorgniserregende Folgen hat: Ausgerechnet die Krankenhäuser, die unter Höchstlast Corona-Patienten versorgt haben, sind jetzt akut von der Insolvenz bedroht. Deshalb brauchen wir umgehend eine veränderte Krankenhauspolitik, wir benötigen eine solidarische Finanzierung. Sie haben die Möglichkeit und die Verantwortung, jetzt zu handeln. Wir brauchen Ihr Versprechen:

  • Kein Krankenhaus darf mehr schließen. Insolvente und akut von Insolvenz bedrohte Kliniken werden vom Staat aufgefangen, ihr Weiterbetrieb wird öffentlich abgesichert, notwendige Investitionen werden bezahlt.
  • Die Schließungsförderung über den Krankenhausstrukturfonds wird sofort gestoppt.
  • Das Krankenhauspersonal wird erheblich aufgestockt und seine Bezahlung und Arbeitsbedingungen werden verbessert, um Überlastung zu verhindern und Abwanderung zu reduzieren.
  • Klinisch notwendige Behandlungen entziehen sich jeder Planung. Die gesetzlich vorgeschriebene leistungsbezogene Planung, Verhandlung und Abrechnung von Fallpauschalen (DRG-System) wird durch ein kostendeckendes Abrechnungssystem ersetzt.
  • Die Krankenhäuser werden in den Zentren und auf dem Land mit ausreichenden Intensivstationen, Isolierstationen, Beatmungseinheiten und Schutzkleidung ausgestattet – so dass sie vorbereitet sind für neue Belastungsspitzen.
  • Die Betten- und Personalausstattung der Krankenhäuser wird unter Einbezug von Jahresspitzen, Katastrophen und Pandemien geplant, anstelle der bisherigen Auslegung nach jahresdurchschnittlicher Auslastung.
  • In den derzeit unterversorgten Regionen Deutschlands wird die Zahl der Betten, Notaufnahmen, Geburtsstationen etc. durch Förderung der öffentlichen Kliniken auf das notwendige Maß angehoben.

Sehr geehrter Herr Dr. Lauterbach, die Zeit drängt. Jeden Tag kann eine weitere Klinik verloren gehen. Mit den geforderten Zusicherungen würdigen Sie den beherzten Einsatz von Pflegepersonal, Ärztinnen und Ärzten für das Überleben der Covid-19-Patienten. Sie stellen damit sicher, dass Deutschland zukünftige Katastrophen ebenso bewältigen kann wie die täglichen Herausforderungen einer modernen Krankenhausversorgung. Versprechen Sie uns das?
Wir erwarten eine Antwort!

 

Wer die Petition gegen die bundesweiten Klinikschließungen noch nicht unterzeichnet hat, kann dies bis zum 21.02.2022 tun.

Bundesweite Petition gegen Krankenhausschließungen – jetzt unterschreiben!
https://www.gemeingut.org/krankenhausschliessungen-stoppen

 

Anmerkungen:

[1] Eine Gruppe von politisch Aktiven, Pflegepersonal, Ärzt*innen, Patient*innenvertretung, Klinikleiter*innen und Gewerkschafter*innen die seit Anfang 2020 zum Thema Klinikschließungen arbeitet hat im Herbst 2020 das bundesweite "Bündnis Klinikrettung" gegründet. Der Träger des Bündnisses ist "Gemeingut in BürgerInnenhand".
Infos: https://www.gemeingut.org/krankenhausschliessungen/