Aus Bewegungen und Parteien

Demo 25Jahre PKK Verbot 18 12 01 203.12.2018: Mehrere Tausend demonstrieren am Samstag gegen das vor 25 Jahren in Deutschland erlassene PKK-Verbot ++ Dokumentiert: Rede von Sabine Leidig

Mehrere Tausend Menschen sind am Sonnabendnachmittag bei verschiedenen Demonstrationen in Berlin auf die Straße gegangen. Unter dem Motto "Kohle stoppen – Klimaschutz jetzt" forderten vor dem Kanzleramt nach Angaben der Veranstalter ca. 16.000 Teilnehmer*innen den sofortigen Ausstieg aus der Kohle.

Zur gleichen Zeit versammelten sich auf dem Alexanderplatz ca. 3.000 Menschen, um gegen das vor 25 Jahren in Deutschland erlassene PKK-Verbot und gegen den Abbau von Grundrechten zu protestieren. Über 70 zivilgesellschaftliche Organisationen hatten zu einer Demonstration unter dem Motto "Der Wunsch nach Freiheit lässt sich nicht verbieten" aufgerufen.

Trotz massiver polizeilicher Auflagen setzten die Teilnehmer*innen ein deutliches Zeichen gegen das PKK-Verbot. Sie demonstrierten hinter dem Transparent "Die PKK gehört zu Deutschland" mit Transparenten und Schildern wie mit Schildern mit der Aufschrift "Die PKK ist in Bewegung", "Die PKK ist eine Frauenbewegung", "Die PKK ist antifaschistisch" oder "Wir danken der PKK, YPJ und YPG für die Befreiung vom IS".

Demo 25Jahre PKK Verbot 18 12 01 3Die Demonstrant*innen protestieren außerdem gegen die Aussetzung von Kopfgeldern für die Ergreifung führender PKK-Mitglieder durch das US-Außenministerium mit Plakaten und Transparenten mit den Bildern der drei von der Türkei und den USA gesuchten PKK-Führungskader. "Wir sind alle Cemil Bayık, Murat Karayılan, Duran Kalkan" war darauf zu lesen.

Die Polizei stoppte mehrmals die Demonstration, weil "Bijî Serok Apo" (Es lebe Apo) skandiert wurde. Dann lässt die Polizei über Lautsprecher verkünden, dass Parolen mit dem kurdischen Wort "Biji" (Es lebe) nicht geduldet werden. Bereits in den Genehmigungsauflagen für die Demonstration hatte die Polizei das Tragen der Fahnen der Volksverteidigungseinheiten YPG und der Frauenverteidigungseinheiten YPJ verboten.

"Ganz egal, wie illegal unsere Fahnen sein mögen – die Türkei-Politik der Bundesregierung ist illegaler."

Während der Abschlusskundgebung Kundgebung wurden Reden im Namen des kurdischen Dachverbands NAV-DEM, des Rechtshilfefonds Azadî, von Sabine Leidig für die Linksfraktion (siehe weiter unten), des Republikanischen Anwaltsverein (RAV), der Interventionistischen Linken und weiteren Vertreterinnen und Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen und politischer Bewegungen gehalten.

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Erdoğans Helfer*innen sind auch in Deutschland aktiv und beschlagnahmen Flaggen in Berlin. Erdoğan hatte die Verbote von Deutschland gefordert, als Deniz Yücel im Gefängnis war. Während der Haftzeit von Deniz Yücel hat Deutschland Dutzende Flaggen der Kurden verboten und so sieht es dann in der Praxis aus. (siehe: Erdogans Handlanger in Berlin)

 

Das Organisationskomitee der Demonstration dankte gegenüber der Nachrichtenagentur ANF allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihren Beitrag im Kampf gegen repressive Polizeigesetze und das Verbot der PKK: "Die Demonstration zeigt, dass die psychologische Kriegsführung gegen die PKK nicht mehr greift. Viele Menschen haben verstanden, dass die PKK für Frieden, Frauenbefreiung und Demokratie im Mittleren Osten kämpft und die Ideen Abdullah Öcalans weltweit den Menschen Hoffnung schenken. Der Umgang mit der kurdischen Bewegung in Deutschland ebnet dem Abbau von Grundrechten den Weg. Das wird von breiten Kreisen erkannt, die sich gemeinsam gegen die Kriminalisierung und das Verbot der kurdischen Freiheitsbewegung stellen."

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Rede von Sabine Leidig

Demo 25Jahre PKK Verbot 18 12 01 SabineLiebe Freundinnen und Freunde,

ich grüße euch als Bundestagsabgeordnete und Mitglied der Partei DIE LINKE! Und ich grüße euch auch ganz persönlich von meinen Genossinnen Ulla Jelpke und Gökay Akbulut, die im Herzen dabei sind, aber nicht hier sein können.

Ich habe ein politisches Statement, einen Dank und eine Bitte an euch mitgebracht.

2016 war ich das erste Mal in meinem Leben im Knast: ich habe den Genossen Ahmed Celik in der JVA Köln besucht. Er saß dort seit 10(!) Monaten in Untersuchungs-Einzel-Haft. Es wurde ihm KEINE konkrete Straftat vorgeworfen - in keiner Einzige Zeile der fünf-Aktenordner-dicken Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Aber er ist politischer kurdischer Aktivist, war Vorsitzender des Dachverbandes der kurdischen Vereine in Deutschland. Mit dem Willkürparagrafen 129b wird er kriminalisiert, weil er eine "terroristische Vereinigung im Ausland" unterstützten soll: die PKK.

Durch das PKK-Verbot werden Menschen ohne konkreten Anlass ihrer demokratischen Grundrechte beraubt: der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, der Meinungs- und Pressefreiheit und der Freiheit auf politische Betätigung. Aber damit nicht genug: Geld- und Freiheitsstrafen werden verhängt, Einbürgerungen abgelehnt, Staatsbürgerschaften aberkannt, Aufenthaltserlaubnisse nicht verlängert, Asylanerkennungen widerrufen oder Ausweisungen verfügt.

Dabei hat die PKK sich längst für die Gewalttaten ihrer Anhänger*innen vor rund 25 Jahren entschuldigt. Und zwar glaubwürdig.

Das PKK-Verbot gibt es nirgendwo anders in Europa. In Belgien hat kürzlich ein Berufungsgericht entschieden, dass die PKK eine legitime Partei in einem innerstaatlichen Konflikt in der Türkei ist.

Deutsche Behörden aber haben in den letzten Jahren die Kriminalisierung von völlig unbescholtenen kurdischen Mitbürger*innen sogar wieder verschärft und ausgeweitet -auf die YPG und YPJ, die in Nordsyrien so unglaublich tapfer gegen den Islamischen Staat kämpfen und damit auch Europa gegen den Terror des IS verteidigen. Der deutsche Staat wirkt wie der verlängerte Arm des türkischen Despoten Erdogan. Ich schäme mich dafür!

Ihr wisst: wir haben als Linksfraktion im Deutschen Bundestag beantragt, das Verbot der PKK in Deutschland endlich aufzuheben. Denn das gebietet nicht nur die Vernunft, sondern auch der Anstand.

Und damit bin ich bei meinem Dank:

Im Oktober 2014 habe ich Suruç in der Türkei besucht, nahe der syrischen Grenze. 35.000 bis 40.000 Flüchtlinge aus der Region um Kobane waren dort gestrandet. Die Solidarität und Selbstorganisation der kurdischen Gemeinden hat mich beeindruckt: Ehrenamtliche Flüchtlingsräte kümmern sich um traumatisierte Kinder und Frauen, Kranke und Alte - ohne Unterstützung vom türkischen Staat.

Im März 2016 war ich mit einer kleinen Delegation in Diyarbakir. Mit dem EU-Flüchtlings-Deal hatte der türkische Despot Erdogan Rückenwind für seine kriegerischen Angriffe auf die demokratische Autonomie in Kurdistan bekommen. Der türkische Staat tritt als Besatzungsmacht in Erscheinung: Straßensperren, Panzerwagen, Kontrollen – ganze Städte sind abgeriegelt, Stadtviertel zerstört, die Bewohner vertrieben. Gewählte Bürgermeister abgesetzt, zehntausende Aktive deportiert, eingesperrt oder umgebracht – und trotzdem geben die Genossinnen und Genossen dort nicht auf! Bei der Wahlbeobachtung in Van konnte ich das im vergangenen Jahr erleben.

Und auch Rojava war und ist eine ganz große Hoffnung. Ein Beispiel für die Möglichkeit, eine Gesellschaft geschlechtergerecht, multiethnisch und selbstbestimmt zu organisieren – selbst unter widrigen Bedingungen. Das ist ein großer Schatz.

Deshalb meine Bitte: bringt euch ein in die gesellschaftliche Linke hier in diesem Land. Wir werden das PKK-Verbot nicht allein im Bundestag zu Fall bringen. Dazu sind breite Bündnisse nötig.

Wir haben gemeinsam gezeigt, dass es sehr viele sind, die für Menschenrechte, soziale Rechte und Freiheitsrechte auf die Straße gehen. 250.000 bei #unteilbar stehen für eine offene und solidarische Gesellschaft.

Das kann der Anfang sein für eine Offensive gegen Rechtsruck, Rassismus und Repression. Wir brauchen eure Erfahrung der Selbstorganisation und der politischen Bildung. Ich bitte euch um eure Unterstützung.