Analysen

isw Report 9328.06.2013: Die Euro-Länder werden niedergedrückt von einer gewaltigen Schuldenlast. Der Abbau der Staatsschulden, die im Gefolge der "Bankenrettung" in die Höhe geschossen sind, gilt als Imperativ für die Austerity-Politik, ein staatlicher Sparkurs, der die soziale und wirtschaftliche Auszehrung der großen Mehrheit zugunsten der Reichtumsvermehrung der kleinen Minderheit der Superreichen zum Inhalt hat.

Das 21. isw-Forum im Mai 2013 begründete die Notwendigkeit des Gegenteils dieser Austerity- Strategie. Um Europa grundlegend zu erneuern, wieder mit Leben zu erfüllen, muss ein "Audit" vorgenommen werden: Die Schulden müssen bewertet, solche, die weder legal noch legitim sind, müssen gestrichen werden. Die frei werdenden Mittel sind zur nachhaltigen Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Gesellschaften einzusetzen.

 

Werner Rügemer untersuchte im Eingangsvortrag aktuelle Formen der schuldengetriebenen "Enteignung im Kapitalismus". Die Akteure und Gewinner der Verschuldung sind Banken, Versicherungen, Hedgefonds und andere Finanzakteure, zu denen auch die großen multinationalen Konzerne gehören, die eigene bankähnliche Finanztöchter unterhalten. Diese Verschulder werden von den Regierungen gefördert und stützen sich auf eine vielfältige zivile "Privatarmee" aus Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfern, PR-Agenturen u.a. Dieser Kreditkapitalismus ist als ökonomisches Gesamtsystem diskreditiert, es sind Vorschläge zur Demokratisierung der bisherigen Kapitaldemokratie zu entwickeln.

Giorgos Chondros, Mitglied des Zentralkomitees von SYRIZA, analysierte die Folgen des Sparkurses für die griechische Bevölkerung und stellte die Vorschläge der Linken zur Bewältigung der katastrophalen Lage vor. Der erste Akt der SYRIZA-Regierung wird die "Annullierung des Memorandums" sein, des von EU, EZB und IWF aufgezwungenen Sparprogramms. Die Währungsfrage steht für SYRIZA nicht im Mittelpunkt. Die Hauptfrage lautet nicht, "in welcher Währung wir die Sparpolitik erleiden". Hauptanliegen ist vielmehr, die Sparpolitik prinzipiell abzuwehren. Ziel ist, Griechenland innerhalb der Eurozone zu retten. Doch dazu gehört, dass zusammen mit anderen europäischen Völkern die neoliberale Doktrin der Sparpolitik umgekehrt, die gesamte Architektur Europas demokratisch umgebaut wird.

Patrick Saurin, Funktionär einer französischen Gewerkschaft der Bankbeschäftigten, berichtete von den Erfahrungen des Kollektivs für ein "Bürgeraudit der öffentlichen Verschuldung Frankreichs". In zahlreichen Gemeinden Frankreichs untersuchen lokale Gruppen die Kreditverpflichtungen der Kommunen und propagieren die Forderung, toxische Kredite der öffentlichen Hand in risikolose klassische Kredite umzuwandeln. Ein gutes Dutzend von Gemeinderäten hat auf den Druck der lokalen Kollektive hin entsprechende Erklärungen abgegeben. Der Staat wird aufgefordert, die Banken zu einer Umwandlung der Kredite zu zwingen.

In der abschließenden Diskussion von Podium und Publikum gab es klare Übereinstimmung in den folgenden Punkten:

1) Neben einer geringen Zahl von legitimen Krediten/Schulden ist der größte Teil der Verschuldung illegitim und oft auch illegal.

2) Legitime Schulden sollen nur dann zurückgezahlt werden, wenn dies vom Schuldner zu leisten ist. Ansonsten haben die Gläubiger, die Verschulder, den Verlust zu tragen. Bei Banken keinesfalls die Sparer. Bei öffentlichen legitimen Schulden zahlen Staaten nur dann, wenn nach den erforderlichen Leistungen an die Bürger noch Geld vorhanden ist.

3) Das gesamte Banken- und Finanzsystem muss aus den Klauen der kapitalistischen Profitwirtschaft herausgenommen und unter demokratischer Kontrolle vergesellschaftet werden.

Das Heft gibt es an den Büchertischen oder kann beim isw bestellt werden

isw-report 93
Juni 2013
24 Seiten
2,50 Euro
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