marxistische linke - Partnerin der Europäischen Linken

11.01.2016: Mit Reden von Bettina Jürgensen (marxistische linke) und Rafael Aragüés Aliaga (Izquierda Unida, Spanien) leitete die marxistische linke ihre Jahresauftaktveranstaltung in Berlin ein. Rafael informierte über die Krisenentwicklung in Spanien und die im Dezember stattgefundenen Wahlen. Mit seinen Kommentaren und Liedern vermittelte Cetin Oraner eindrucksvoll Hintergründe des  Befreiungskampfes der kurdischen Bewegung und Informationen über den Krieg des türkischen Regimes und des IS gegen die kurdische Bevölkerung. Der internationalistische Charakter wurde auch durch die Beteiligung einer kleinen Gruppe afghanischer Genossen unterstrichen. Wir dokumentieren die Rede von Bettina Jürgensen:

 

Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Freundinnen und Freunde,

die marxistische linke geht im Februar ins dritte Jahr des Bestehens. Jedoch nicht an unseren Geburtstag möchte ich erinnern, sondern an den eines Menschen, auf dessen Wissen wir bei unseren Analysen gesellschaftlicher Verhältnisse gern zurückgreifen.

"Die Geschichte ist eine listige Dame" meinte er einst kurz und prägnant. Hinzu kommen ausführlichere Werke, die es Wert sind gelesen und studiert zu werden. Vielleicht trägt sein 125. Geburtstag am 22. Januar dazu bei, dass sich Linke wieder mehr mit ihm befassen. Zu wünschen wäre es. Antonio Gramsci wird es zwar nicht mehr bewegen, aber wir können von dem Wissen - auch und gerade in Bewegungen - profitieren. Dass im Januar 1891 auch die bereits 1875 von Marx verfasste "Kritik des Gothaer Programms" erschienen ist, soll nicht nur am Rande erwähnt werden. Und nicht zuletzt: Im Frühjahr vor 100 Jahren verfasste Lenin seine dann im April 2017 veröffentlichte Schrift: "Der Imperialismus als jüngste Etappe des Kapitalismus".

Geschichtliche Daten sollen heute allerdings nicht nur "abgefeiert" werden, wir wollen aus der Geschichte lernen für die Kämpfe von heute. Geschichte wird nicht einfach übernommen, sie kann nicht wiederauferstehen. Und auch die für uns oft vermeintlich "guten alten Zeiten" waren bei genauer Betrachtung viel zu oft gar nicht so gut. Deshalb: lernen, lernen und nochmals lernen (hat Lenin schon gesagt), das können und müssen wir aus der Geschichte - aus der von den Klassenkämpfen ebenso, wie aus den Schriften der Theoretiker.

Und bei dem Blick nach vorn, ins Jahr 2016, werfen die Jahre vorher ihre Schatten im wahren Sinne des Wortes voraus, zeigen aber auch kleine Lichteffekte.

Vier Beispiele sollen genannt werden.

Stopp TTIP
Ein großer Erfolg war 2015 die Demonstration von 250.000 Menschen in Berlin gegen die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA. In Europa haben mehr als 3 Millionen Menschen den "Stopp TTIP-Aufruf" der Europäischen Bürgerinitiative unterschrieben. Das gibt Kraft und macht Mut für weitere Aktionen. Das sich Verhandlungen über diese Abkommen nun hinziehen, scheint wie der Versuch die gewesenen Proteste ins Leere laufen zu lassen. Dem sollten wir unseren weiteren Widerstand gegen TTIP & Co. entgegensetzen! Sorgen wir mit den Bündnissen vor Ort für weitere Aktivitäten.

Erfreulich ist, dass die Gewerkschaften an der Vorbereitung der Demo in Berlin stark beteiligt waren. Auch in den Bündnissen vor Ort leisten sie häufig einen wichtigen Beitrag. Dass dies trotz teilweise unterschiedlicher Sicht sowohl auf Inhalte, als auch auf die durchzusetzenden Forderungen weiterhin gut zusammenläuft, wird von den Diskussionen in den Initiativen abhängen.

Der Erfolg im Oktober 2015 ist ein Beispiel, dass Gemeinsamkeit stark macht.

Deutschland ist im Krieg!
Was bereits seit langem von uns und von der Friedensbewegung gesagt wurde, zeigt sich immer deutlicher: die Bevölkerung soll daran gewöhnt werden, dass deutsche Soldaten in der ganzen Welt an Kriegseinsätzen beteiligt sind. Relativ unbeachtet wurde am Mittwoch vom Bundestag dem bisher als "Ausbildungsmission" bezeichneten Einsatz mit weiteren 550 Soldaten in Mali zugestimmt. Zum Beschluss der Bundestags zur Kriegsbeteiligung in Syrien gab es Proteste der Friedensbewegung in vielen Städten. Die nächste große Aktion wird gegen die sogenannte Sicherheitskonferenz am 13. Februar in München stattfinden. Doch auch in anderen Städten finden seit dem Einsatz der Bundeswehr im Syrienkrieg von den örtlichen Friedensbewegungen Aktivitäten im ganzen Land statt.

Insofern kann der Aufruf des Münchner Bündnisses gegen die Sicherheitskonferenz überall gelten: "Mit dem Einsatz der Bundeswehr am Krieg in Syrien beteiligt sich Deutschland wieder an einem Krieg, der weitere tausende zivile Opfer kosten wird. Alle bisherigen Kriege der NATO-Staaten hinterließen verheerende Verwüstungen und haben hunderttausenden von Menschen das Leben gekostet. Der sogenannte Krieg gegen den Terror hat den Terrorismus nicht geschwächt, sondern gestärkt. In Afghanistan sind heute die Taliban stärker denn je. Das Erstarken des IS ist eine der Folge des US-Krieges im Irak, des NATO-Krieges in Libyen und der Rüstungsexporte in die Region, u.a. von deutschen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, Katar und die Türkei. (...) Der Zustrom von Geld, Waffen und neuen KämpferInnen für den IS und seine Ölverkäufe über die Türkei müssen dauerhaft unterbunden werden. (....) Die Menschen in der Region brauchen eine lebenswerte Alternative, damit sie dem IS jegliche Unterstützung entziehen. Ein Ende des Krieges kann nicht mit Bomben erreicht werden, sondern nur durch eine politische Lösung mit den vom Krieg betroffenen Menschen in Syrien."

Soviel aus dem Aufruf. Dem ist nur hinzuzufügen: beteiligt euch an den Aktionen gegen Krieg.

Hinzu kommt, dass jeder Krieg auch mit ein Grund für Fluchtursachen ist.

Geflüchtete und Unterstützung - aber auch Pegida und Rechtsentwicklung
Sie hat es wieder getan: Kanzlerin Merkel hat in ihrer Neujahrsansprache gesagt "Integration ist eine Chance von morgen". Und sie hat gegen Ausgrenzung gesprochen, darüber, dass wir uns nicht spalten lassen dürfen.

Bedauerlich ist, sie hat in dieser Frage weder die gesamte Regierung, noch ihre CDU hinter sich. Und auch Merkel selbst bleibt ihren Reden (leider) nicht treu. Nicht nur in der europäischen Politik mischt sie mit, wenn weiter die gigantischen Fluchtabwehrpläne an den Grenzen zur EU vorbereitet und durchgeführt werden. Alle Rettungsprogramme, auch mit den Schiffen der Militärs, täuschen nicht über die wahre Mission hinweg, die da heißt: die Grenzen Europas abzuschotten.

Und in Deutschland wird die Willkommenskultur auch nicht von der Regierung geleistet. Sie reden zwar drüber, aber überlassen die Entwicklung des Willkommens den Vielen in der Bevölkerung, die sich in Initiativen zusammengeschlossen haben, für menschenwürdige Unterbringung, für Essen, Trinken, Deutschkurse, Sport und Freizeitangebote der Geflüchteten aktiv werden.

Ca. eine Million Menschen sind 2015 gekommen, für 2016 wird eine ähnliche Zahl erwartet, wenn die Prognosen, die aufgestellt werden denn stimmen - für 2015 gab es auch andere "Vorhersagen". Es sind Menschen, Menschen mit denen wir gemeinsam nicht nur leben, sondern auch für Veränderungen in diesem Land und in Europa kämpfen können. Dies setzt voraus, dass die Geflüchteten hier wirklich "ankommen" dürfen und nicht um ihr Leben und ihre Sicherheit fürchten, keine Angst vor Abschiebung haben müssen. Die Linke muss darum ringen, die Bedürfnisse der Flüchtlinge und der schon hier Lebenden zu einem gemeinsamen Anliegen zu bündeln, die verschiedenen Bewegungen incl. der Gewerkschaften zu verbinden und gemeinsam für Umverteilung, bezahlbaren Wohnraum für Alle, Investitionen in kommunale Infrastruktur, Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, zu kämpfen.

Schon Marx wusste im Vorwort "Zur der Politischen Ökonomie": "Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“

Dieses Sein zu verändern heißt auch gegen die Katalogisierung der Geflüchteten mit den sogenannten sicheren oder unsicheren Herkunftsländern, die Abschiebepraxis und -zentren, die Diskussion um Obergrenzen und auch die Debatte darüber, ob Straftäter nicht ohnehin und schneller abgeschoben werden sollten anzugehen. In diesem Zusammenhang und angesichts der aktuellen Debatten stelle ich ganz klar fest, dass ich die Instrumentalisierung von sexistischen gewalttätigen Übergriffen auf Frauen zur Begründung von Abschiebung ablehne. Frauenrechte und die Rechte Geflüchteter dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Mischen wir uns ein!

Das Auftreten rechter und Nazigruppen nimmt zu, deren Gewalt ebenfalls. Bis Mitte November wurden 2015 über 1600 rechts motivierte Gewaltakte verübt, die mit der Unterbringung von Asylbewerbern zu tun haben. 2012 waren dies noch 62 Fälle.

Der Hetze von AfD, Pegida und Co. müssen wir unseren Widerstand entgegensetzen. Das Verbotsverfahren gegen die NPD im März kann mit ein wichtiger Schritt sein, um dem Nazitreiben einen Riegel vorzuschieben. Unser Widerstand gegen Nazis geht weiter!

Übereinstimmung suchen. Gesellschaftliche Mehrheiten gewinnen.
Griechenland, Portugal, Spanien sind schon mal vorausgegangen und haben zumindest die Richtung und die Wege für Veränderungen aufgezeigt, die möglich sein können. Raffael wird uns gleich über die aktuelle Situation in Spanien nach den Wahlen am 20. Dezember berichten.

Ich wiederhole hier bewusst aus dem isw-report 103, weil es das ist, was im Süden Europas zumindest besser beherzigt wird: "Alternative Politik muss im Alltagsleben der Menschen ansetzen und dort stattfinden."

Gleichzeitig zeigen diese Länder, insbesondere Griechenland, dass nicht Halt gemacht werden darf, wenn Erfolge erkämpft wurden. Auch dazu gehört die Bewegung - im Land selbst und in der Solidarität von außen.

Auf www.kommunisten.de sind Artikel über die Möglichkeiten "Linker Politik zur Mehrheit zu verhelfen" erschienen. Sie sollen zum Nachdenken, zum Widerspruch und zur Diskussion anregen. "Denkverbote" darf es in diesem linken Spektrum unserer Meinung nach nicht geben. Denn wie sonst können wir einen Beitrag leisten, die Suche nach Übereinstimmung von linken Positionen voranzutreiben, die Chance des Kennenlernens, sich Auseinandersetzens mit anderen Meinungen anzubieten? Beteiligt euch also an der angebotenen Debatte auf dem Portal. Und zieht eure praktischen Schlussfolgerungen.

Die Erstausgabe der italienischen Zeitung L’Ordine Nuovo (Die neue Ordnung) erschien am 1. Mai 1919. Den Leitartikel schrieben Antonio Gramsci und Palmiro Togliatti. Im Titel der Zeitung stand:

„Bildet euch, denn wir brauchen all eure Klugheit. Bewegt euch, denn wir brauchen eure ganze Begeisterung. Organisiert euch, denn wir brauchen eure ganze Kraft.“