02.03.2017: Steht hinter der Politik von Trump die Finanz- und Rüstungsindustrie? Haben Trump und seine Förderer Weltherrschaftspläne oder wollen sie die soziale Lage der arbeitenden Bevölkerung verbessern? Welche Auswirkungen hat die neue US-Präsidentschaft auf Europa, Deutschland, die sogenannten Populisten und die extreme Rechte? Welche Chancen haben die demokratischen Widerstandskräfte in den USA? Ist der Zerfall der EU noch zu verhindern? Conrad Schuhler versucht, sich diesen Fragen anzunähern.
Bevor ich auf die einzelnen Fragen eingehe, die Sie zum Zusammenhang der Trump-Präsidentschaft und der weiteren Rechtsentwicklung in Europa gestellt haben, möchte ich zwei generelle Vorbemerkungen zum "Phänomen Trump" machen:
1.
Der Trump-Sieg in den USA ist der Höhepunkt einer längeren Erstarkung der Rechten und Rechtsextremen – es handelt sich um die Folgen der neoliberalen Globalisierung, und solange die anhalten, werden wir es mit weiterer Bedrohung durch Rechts zu tun haben. Branco Milanovic hat in seinem Buch "Die ungleiche Welt" den Zusammenhang von globaler Einkommensentwicklung und der Entwicklung der einzelnen Einkommensgruppen untersucht. Seine wesentlichen Ergebnisse:
- Das stärkste Einkommenswachstum findet bei zwei Gruppen statt: einmal bei oberen Mittelschichten in Schwellenländern und zum zweiten bei dem global allerreichsten einen Prozent. Den größten relativen Verlust hingegen stellt er bei der unteren Mittelschicht der Industrieländer fest.
Die Gründe für diese Folgen der Globalisierung liegen in ihrer neoliberalen Verfassung:
- Das Kapital geht dorthin, wo es den meisten Profit bringt – je nachdem werden die Industriestandorte verteilt auf die günstigsten Standorte, dort, wo die Lohn- und sonstigen Produktionskosten am niedrigsten sind, das ist der Witz der sog. globalen Wertschöpfungsketten;
- Die Märkte werden international geöffnet – der sogenannte Freihandel, der dazu führt, dass sich überall die produktivsten Anbieter durchsetzen mit dem Ergebnis, dass zum einen die Industrien der weniger produktiven Ländern schon im Kindbett erdrosselt werden; und dass zum anderen die Arbeitsplätze aus den Höherlohn-Ländern schrittweise in die Billiglohnländer abwandern, und zwar zunächst die weniger qualifizierten Industriearbeitsplätze, doch mit wachsender Digitalisierung und Ausbildung auch immer höhere Stufenleitern der Produktion einschließlich der Dienstleistungen.
- Gewinner dieser neoliberalen Globalisierung sind die Transnationalen Konzerne, die die höchsten Profite der Geschichte einfahren; sodann sind es die Super-Reichen im Norden wie im Süden und die (oberen) Mittelschichten der Schwellenländer.
- Verlierer sind die Massen in den armen Ländern und die unteren und mittleren Einkommensschichten in den Industrieländern. Und von berechtigter Zukunftssorge erfüllt werden auch höhere Einkommensschichten, ihre Arbeitsplätze werden nach und nach auch ausgelagert oder niedriger eingestuft, um international wettbewerbsfähig zu sein.
2.
Der Abstieg und die Abstiegssangst der unteren und mittleren Einkommensschichten ist der Hauptgrund für das Erstarken der Rechten in den Industrieländern. Milanovic hat die enge Korrelation von Fortschreiten der Globalisierung, wachsender Ungleichheit und Erstarken der Rechten belegt. Dies gilt für die USA ebenso wie für die Länder in Europa. Globalisierung bedeutet eine Verlagerung vieler Industriearbeitsplätze in den Süden, damit einen Rückschlag für die untere und dann auch die mittlere Mittelschicht in diesen Ländern. Nach diesem Argument, dass wir es mit Trump und der Rechtsentwicklung in Europa nicht mit einer absonderlichen politischen Mode zu tun haben, sondern mit einer Tendenz, die in der Struktur der kapitalistischen Globalisierung angelegt ist, komme ich nun zu den einzelnen der von Ihnen formulierten Fragen.
Steht hinter der Politik von Trump die Finanz- und Rüstungsindustrie?
Schauen wir uns die Mannschaft des Präsidenten an. Überragend ist die Front der Wall Street-Manager. Goldman Sachs, seit Jahrzehnten auch Government Sachs genannt, stellt mit dem Finanzminister und den höchsten Wirtschaftsberatern allein drei der neuen Spitzenleute. Die Trump-Regierung hat denn auch bereits die Deregulierung der Finanzindustrie in Angriff genommen. Die Eigengeschäfte der Banken sollen wieder erlaubt werden, die Bankenaufsicht ebenso abgebaut werden wie die Sicherung der Bankgeschäfte durch mehr Eigenkapital der Bank. Hier werden zielstrebig die Vorarbeiten für den nächsten Finanzcrash geleistet.
Gleichzeitig ist mit der Wall Street-Dominanz in der Regierung des global agierenden Milliardärs Trump auch der Einfluss des transnationalen Kapitals auf die US-Politik eher gewachsen. "America first" bedeutet: Amerika als Dominator in der Weltpolitik, keineswegs ein Sich-Zurückziehen auf ein nach außen abgeschottetes und desinteressiertes Amerika. Dem entspricht das Weltbild des offenbar wichtigsten Beraters des Präsidenten, Stephen Bannon. Er sieht Armageddon heraufziehen, die letzte entscheidende Schlacht zwischen Gut und Böse. Als "Böse" ausgemacht sind vor allen anderen China und der Iran. Bannon sieht in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen großen Krieg im südchinesischen Meer voraus, der unweigerlich auf einen Atomkrieg hinausliefe. Trump selbst hat erklärt, wozu haben wir denn Atomwaffen, wenn wir sie nicht einsetzen wollen. Er will die US-Atomwaffen weiter ausbauen. Heute schon geben die USA mehr Geld für Atomwaffen aus als der Rest der Welt zusammen. Gegen den Iran bauen die USA zielstrebig eine Kriegskoalition zusammen mit Israel auf, das ebenfalls über Atomwaffen verfügt und dessen autoritärer, völkerrechtswidrig handelnder Premier Netanjahu zum Partner Nr. 1 der USA im Nahen Osten auserkoren wurde.
Die Rüstungsindustrie hat also ebenfalls eine starke Vertretung in Trumps Washington. Diese wird noch verstärkt durch den Spezialberater des Präsidenten, seinen Schwiegersohn Jared Kushner. Der ist ebenfalls im Immobiliengeschäft, aber mit mindestens sieben Milliarden Dollar Vermögen reicher als der Schwiegervater. Der 35jährige Kushner dirigiert eine Familienstiftung, deren erstes Ziel die Unterstützung Israels ist und die Finanzierung des von der UN als völkerrechtswidrig verurteilten Siedlungsprogramm in Ost-Jerusalem und im Westjordanland. Die Trump-Regierung wird zum ernsten Hindernis für eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts.
Zur Charakteristik der Trump-Mannschaft gehören auch das Leugnen des Klimawandels und die Favorisierung der fossilen Industrien. Trump selbst behauptet, der Klimawandel sei eine Erfindung der Chinesen mit dem Ziel, die US-Industrie zu schwächen. Als Chef der Umweltbehörde hat er mit Pruitt einen militanten Leugner des Klimawandels und Vorkämpfer der fossilen Industrien im Kongress durchgesetzt. Außenminister Tillerson war zuvor Chef von Exxon, des größten Ölkonzerns der Welt. Das verspricht nicht nur einen Abbau der Umweltstandards, sondern auch einen aggressiven Zugriff auf die globalen Standorte der Energieressourcen. Es geht den USA unter Trump mehr denn je um globale Dominanz.
Haben Trump und seine Förderer Weltherrschaftspläne oder wollen sie die soziale Lage der arbeitenden Bevölkerung verbessern?
Wie eben schon entwickelt, geht es Trump & Co darum, America-First als Prinzip in der Weltpolitik durchzusetzen, weit mehr als dies Obama vorher tat. Trump will nicht wahrhaben, dass es in der Weltwirtschaft Verschiebungen in der regionalen Machtverteilung gibt. Einen Umbruch, der v.a. zu Gunsten Chinas und anderer Schwellenländer stattfindet, zum sog. Aufstieg des Südens. Trumps Grundlinie läuft darauf hinaus, Verträge mit einzelnen Ländern abzuschließen, denn im direkten 1:1-Verhältnis sind die USA stets die überlegene Macht. Deshalb auch seine Entscheidungen gegen TTIP und TPP. Die USA sollen die unangefochtene Nr. 1 der Weltwirtschaft sein und bleiben. Dazu gehört auch die Wiederherstellung eines hohen Industriepotentials der USA mithilfe von Protektionismus, Strafzöllen u.ä. ebenso wie durch das Abwälzen der Militärlasten auf die Partner.
In diesem Punkt nähern sich die Linien der Trump-Politik und die Erwartung ihrer Wähler aus der Arbeiterklasse. Es geht um die Schaffung von Arbeitsplätzen. Diese werden jedoch in weit geringerer Zahl zustande kommen, als Trump dies verspricht. Denn wenn das Trump-Regime zu einer global wettbewerbsfähigen Industrie kommen will, braucht es erstens eine gewaltige Aufbauinvestition und muss es zweitens Arbeitsplätze schaffen, die wettbewerbsfähig sein sollen, sich also eher am Lohnniveau von Indonesien als am alten US-Niveau orientieren. Trump hat deklariert, er wolle die Steuern der Reichen und der Unternehmen kürzen. Die Unternehmenssteuern werden von 35 auf 15 Prozent gesenkt. Wie aber soll dann das Investitionsprogramm finanziert werden? Schon heute haben die USA öffentliche Schulden in Höhe von 20 Billionen Dollar, 107 Prozent des BIP. Das jährliche Haushaltsdefizit liegt in diesem Jahr bei 3,7 Prozent des BIP. Nach den Kriterien der EU – höchstens 60 Prozent des BIP an Staatsverschuldung und höchstens 3 Prozent des BIP an Haushaltsdefizit – müssten sich die USA einem strengen Sparprogramm unterwerfen. Nun will er die Steuern für Reiche und für Unternehmen senken. Das vorgesehene billionenfache Investitionsprogramm könnte nur über eine Steuererhöhung für mittlere und kleine Einkommen und über eine Kürzung der Sozialausgaben finanziert werden. Dies würde zu Lasten der Arbeiterklasse gehen. Oder Trump finanziert es über weitere Staatsverschuldung. Dies würde weiter an den nächsten Finanzcrash heranführen. Trumps Wirtschaftskonzept ist wirr und erkennbar unwirksam, soweit es die Versprechungen für die Mittelklasse und die Arbeiter angeht.
Es wird wahrscheinlich einige Strohfeuer für die Trump-Unterstützer geben, publicityträchtige Verkündigungen, dass US-Firmen ihre Produktion in die USA verlegen oder dort belassen. Aber solche Propagandamanöver werden klein und kurzfristig sein. Das liegt nicht an der Unfähigkeit von Trump, sondern an den Grundwidersprüchen der kapitalistischen Wirtschaft. Die USA leben davon, dass sie aus aller Welt Geldzuflüsse erhalten, die das Land als "sicheren Hafen" in höchst unruhigen Zeiten ansehen. Nur so können die USA auch ihr enormes Handelsbilanzdefizit finanzieren. Sie haben ein Handelsbilanzdefizit von über 800 Milliarden USD. In dieser Größenordnung leben die USA über ihre Verhältnisse und der Rest der Welt kommt dafür auf.
Trump hat diese Zusammenhänge noch nicht verstanden, im Gegensatz zu Obama, der der weit klügere Vertreter des US-Kapitals war. Das Trump-Konzept rennt in einen Widerspruch: Einerseits will er sich abschotten, Strafzölle erheben, die eigene Industrie und Wirtschaft in dieser Abschottung entwickeln. Andererseits braucht das TNK, das vor allem aus der Wall Street und vom Silicon Valley aus operiert, den freien Handel in und aus aller Welt. Deshalb hat Silicon Valley, angeführt von Google, Facebook und Amazon und fast 100 weiteren IT-Konzernen, zum Sturm geblasen gegen das Dekret Trumps, den sog. Muslim Ban. Aus 7 muslimischen Ländern sollte niemand mehr einreisen können in die USA. Gerichte in San Francisco und anderswo haben das Dekret für verfassungswidrig erklärt. Unterstützt wurden die Kläger juristisch und publizistisch massiv durch die IT-Konzerne. Auch Wall Street hat seine Gegnerschaft gegen den Trumpschen Protektionismus, gegen seine rassistische Xenophobie erklärt. Goldmann Sachs nannte diese Politik "zerstörerisch".
Hier tut sich ein Widerspruch auf, der wiederum nicht zurückzuführen ist auf Mängel der Trumpschen Konzepte, sondern auf die Widersprüchlichkeit des kapitalistischen Systems. Der Staat ist nicht einfach der politische Ausschuss der herrschenden Klasse. In ihm kommen vielmehr die Interessen und Widersprüche der beteiligten Klassen und Schichten zum Ausdruck. Dabei ist zu beachten, dass das Kapitalinteresse kein einheitliches ist. Es handelt sich vielmehr um einen Konflikt zwischen den Fraktionen der herrschenden Klasse. In den USA geht es vor allem um den Gegensatz des Kapitals, das in erster Linie interessiert ist an der Ausweitung des Binnenmarkts, und andererseits dem Interesse des Kapitals, das transnational ist, aus ist auf die Teilnahme am internationalen Geschäft. Dies ist der eine Widerspruch, in den die Trump-Regierung gerät. Dabei ist nicht zu übersehen, dass die Fraktion des transnationalen Kapitals in der Trump-Regierung in der Vorhand ist.
Der zweite Widerspruch erwächst daraus, dass die politischen Eliten nicht nur auf das Grüne Licht des Kapitals in seinen widersprüchlichen Fraktionen angewiesen sind, sondern auch auf die Mehrheit der Wähler. Hier kann es zu erheblichen Konflikten kommen. Ganz offenbar sind große Teile der Wähler in vielen Ländern, auch in den USA, mit dem Lauf der Politik im Sinne der neoliberalen Globalisierung nicht einverstanden. Der rechte Populismus, zu dem Trump zu zählen ist, basiert u.a. auf der Ideologie der Überlegenheit des eigenen Volkes, der Feindlichkeit gegenüber allem Fremdem, vor allen gegenüber Flüchtlingen. Dies steht im Widerspruch zu einem Kapital, das pocht auf optimalen und das heißt: globalen Zugang zu jeder Art von Arbeitskraft, jedem Winkel eines Absatzmarktes und jeder Art von freiem Kapitalverkehr. Es gibt also einen wachsenden Widerspruch zwischen Interesse des herrschenden Kapitals und den politischen Ideen der Wählerschaft.
Das Konzept des sog. Rechtspopulismus vereint diesen Widerstand gegen Fremdes – Ausländer, Flüchtlinge, fremde Religionen, fremde Kultur, andersartige Lebensweisen – mit einer Ablehnung der eigenen Eliten, die für den sozialen Niedergang der eigenen Schicht verantwortlich gemacht werden. Der Rekurs auf das "Volk" als letzte Kategorie kultureller und politischer Identifikation ist für Trump so typisch wie für das bayerische Integrationsgesetz. Damit hatte auch der Faschismus hantiert, der vor drei Generationen unser Land und andere verwüstet hat. Hinter der Fassade des "Volkes" lässt sich die Herrschaft des Kapitals aufrechterhalten – es werden die politischen Eliten ausgetauscht, Sündenböcke des "Fremden" für die Mängel des Systems angeboten und die wahren Eliten des großen Kapitals bleiben unangetastet.
Welche Auswirkungen hat die neue US-Präsidentschaft auf Europa, Deutschland, die sogenannten Populisten und die extreme Rechte?
Die gerade abgelaufene Münchner Sicherheitskonferenz hat eine Antwort gegeben, wie Europa und Deutschland, was die politischen Eliten anlangt, auf Trump reagieren. Unter dem Slogan "Europa muss selbstbewusster werden" will man die Aufrüstung hochschrauben. Der Militäretat Deutschlands soll bis spätestens 2024 um deutlich mehr als 50 Prozentgesteigert werden, um über 25 Mrd. Euro. Deutschland und die EU würden jetzt an die Stelle der USA treten müssen, so die Propaganda, um in aller Welt für die Menschenrechte einzutreten. Die Europa-Nato müsse selbst stark genug sein, um dem angeblich aggressiven Russland entgegen zu treten. Dazu gehört nach Meinung der FAZ auch der Aufbau eigener Atomwaffen. Der Ruf Trumps, es gebe in Zukunft Verteidigung nur noch gegen Bares, was übrigens Obama schon 2014 in der Nato als Maxime durchgesetzt hat, wird von den europäischen Eliten, allen voran die deutsche Regierung, aufgegriffen als Legitimation, die eigene Hochrüstung und die Stilisierung Russlands als Erzbösewicht weiter hochzufahren.
Die Rechtspopulisten in Europa nehmen den Trump-Erfolg als nächsten heftigen Rückenwind nach dem Brexit dankbar entgegen. Nächsten Monat wird in Holland gewählt und die xenophobe Partei von Wilders gilt als klarer Favorit. Sie werden erste in der Wahl, ob sie eine Regierung bilden können, ist zweifelhaft, aber nicht ausgeschlossen. Im Mai ist der zweite Durchgang der französischen Präsidentschaftswahlen. Le Pen wird diesen zweiten Gang erreichen. Wer ihr Gegenüber sein wird, ist noch ungewiss. Wäre es der rechtsliberale Macron, halte ich einen Sieg von Le Pen für gut möglich – es wäre eine ziemlich exakte Nachbildung des Duells Trump gegen Clinton. Gäbe es einen gemeinsamen Kandidaten der Linken, würde Frankreich vor einer grundsätzlichen Entscheidung stehen – wollen wir eine Korrektur nach rechts oder eine nach links? Ich denke, der linke Kandidat hätte gute Aussichten.
Im Herbst stehen dann die Bundestagwahlen an. Die AfD kann so dämlich agieren, wie sie will, sie wird mit Sicherheit in den Bundestag einziehen. In der Mitte liegen CDU/CSU und SPD ziemlich gleichauf. Schulz wird mit seiner Rhetorik vom Eintreten für soziale Gerechtigkeit ähnlich viele zur SPD rüberziehen, wie das dem Milliardär Trump mit seiner Partei gelang. Damit saugt er die Stimmen vor allem von der AfD, den Grünen und der Linken ab. Dennoch sieht es derzeit danach aus, als könnte es rechnerisch zu einer Mehrheit von Rot-Rot-Grün reichen. Die Frage allerdings wäre, wie links eine Regierungspolitik sein könnte, die vom bekennenden Neoliberalen Schulz und den derzeitigen Grünen-Spitzenkandidaten angeführt ausgeführt würde.
Der Trump-Wahlsieg in den USA hat bei den sogenannten bürgerlichen Parteien – in Deutschland die Union und die Grünen und die Sozialdemokraten – insgesamt zu einem Schub nach rechts geführt, wobei Demokratieabbau und Fremdenfeindlichkeit verbrämt werden mit dem ständigen hohlen Bekenntnis, soziale Gerechtigkeit müsse ganz oben stehen.
Welche Chancen haben die demokratischen Widerstandskräfte in den USA?
Es gibt einen sich vertiefenden Riss in der US-Gesellschaft. Auf der einen Seite erleben wir Hunderttausende, die sofort nach Trumps Amtseinführung gegen ihn auf die Straße gingen. Dies waren zu einem guten Teil auch wütende Clinton-Anhänger, v.a. Anhängerinnen. Mittlerweile geht der Protest quer durch die liberale Gesellschaft. Von Anfang an gehörten die sexuellen Minderheiten dazu – die LGBT: Lesben, Schwule (Gay), Bisexuelle. Transgender. Aber längst ist der Protest "allumfassend". Die illegalen Einwanderer haben einen nationalen Streiktag durchgeführt. Ohne die Gärtner, Hauspfleger, Kindermädchen, Kellner, Köche, Landarbeiter u.ä. wären die USA kaum längere Zeit lebensfähig. In der Demokratischen Partei hat sich die Richtung um Bernie Sanders und Elizabeth Warren an die Spitze der Partei gesetzt. Es wird eine der großen Fragen sein, ob die Demokratische Partei eine linke Alternative zu Trump aufbauen kann, oder ob der alte Klüngel um die Clintons und ihre Alliierten in der Partei wieder in die Vorhand kommt.
Derzeit wird von allen linken Seiten an der Vorbereitung eines Generalstreiks gearbeitet. Die Aussichten beurteile ich skeptisch. Von den Belegschaftsvertretungen der Großbetriebe und von den Gewerkschaften ist wenig zu vernehmen. Die AFL/CIO, der DGB der USA, verhält sich sehr zurückhaltend, kritisiert Trump bisweilen, lobt ihn aber auch, wie z.B. jetzt bei der Bestellung eines neuen Arbeitsministers, nachdem der vorherige Kandidat wegen krimineller Vortaten aufgeben musste. Auf die Gewerkschaften als eine entschlossene Kraft gegen Trump sollte man sich nicht verlassen.
Das größte Hindernis für Trump könnten die Medien werden, die von ihm so genannten fake media. Die New York Times, die Washington Post, CNN, ABC u.a. machen geschlossen Front gegen Trump. Dazu kommen die Institutionen des deeper state, der Militär- und Geheimdienste und Think Tanks des politischen Milieus. Das Establishment, das Trump und die Seinen zerschlagen wollen, fährt seinerseits Angriff um Angriff.
Die Vorstellung, dies könne zu einem impeachment, zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump führen, halte ich für unrealistisch. Ein solches Verfahren, wie es gegen Nixon eingeleitet wurde – Stichwort Watergate -, setzt voraus, dass der Vizepräsident mit der Mehrheit des Kabinetts einen entsprechenden Antrag an den Kongress stellt, und dieser mit 2/3-Mehrheit dem Antrag zustimmt. Beides kann man ausschließen. Weder wird das Trump-Kabinett die Amtsenthebung des Präsidenten verlangen noch wäre der Kongress bereit, ihn mit Zweidrittel-Mehrheit zu entlassen. Das sind wolkige Illusionen von Beobachtern, die schon wussten, dass Trump niemals Präsidenten-Kandidat der Republikaner werden könnte noch gar die Wahlen gewinnen. Wir werden uns auf vier Jahre US-Präsident Trump einzustellen haben.
Ist der Zerfall der EU noch zu verhindern?
Zunächst mal, um im Zusammenhang mit unserem Thema Trump/Europa zu bleiben, denke ich nicht, dass Trumps protektionistische Initiativen und Angriffe auf die EU Europa näher zueinander bringt. Trump hat sehr zu Recht festgestellt, dass die EU vor allem eine Einrichtung der Bereicherung Deutschlands ist. Der Exportmeister Deutschland hat mittlerweile bei der EZB ein Überschuss-Guthaben von über 800 Milliarden Euro gegenüber den Partnern in der EU. Allein die Griechen haben rund 350 Milliarden Euro Schulden. Läuft die EU so weiter wie bisher, werden sich die Schuldenberge der weniger wettbewerbsfähigen Staaten so weit auftürmen, dass jedem, auch Herrn Schäuble, klar wird, sie können nicht mehr bezahlt werden. Wer dann die Eurozone verlassen will, so hat EZB-Chef Draghi wiederholt klargemacht, muss seine Schulden unverzüglich in Euro zurückzahlen. Das aber kann er natürlich nicht. Würde er in der eigenen neuen Währung zurückzahlen, wäre das sehr viel Geld, denn seine Währung würde gegenüber dem Euro beträchtlich abwerten. Aber dennoch: Das könnte er aushalten, denn das eigene Geld kann er selbst drucken. Deutschland und die anderen Gläubiger würden das deshalb nicht akzeptieren. Die Auseinandersetzung ist programmiert.
In der jetzigen EU werden sich die bisherigen Sieger, allen voran Deutschland, weiter durchsetzen. Die Verlierer von heute werden die noch größeren Verlierer von morgen sein. Diese EU hat keine Perspektive. Die Frage hier ist: Also EU auflösen oder für eine bessere EU kämpfen? Eine Auflösung der EU in die einzelnen Nationalstaaten würde die Kampfbedingungen nicht verbessern, sondern vor allem im entscheidenden Land Deutschland erheblich verschlechtern. Nirgendwo in der Eurozone ist die Herrschaft des großen Kapitals unangefochtener als in Deutschland. Wer eine Gesellschaft will, die demokratischer ist, sozial und wirtschaftlich gerechter, an Frieden und Verständigung orientiert ist, der kann froh sein, die linken Potenzen der europäischen Südländer an seiner Seite zu haben. Die sind keine Belastung, sondern ein höchst wichtiger Beitrag für ein besseres Europa. Die Chancen für ein solches Europa stehen derzeit nicht gut. Es gibt aber keine Alternative für ein demokratisches Europa. Läuft die EU so weiter wie bisher, wird es einen Knall geben. Zahlungsunfähigkeit der einen Seite, frustrierte Gläubiger auf der anderen. Das EU- und Euro-Projekt würde zusammenstürzen und in den Scherben würden sich rechtsextreme Varianten des Kapitalismus breitmachen.
Für mich heißt die Devise heute: Es läuft transatlantisch, in den USA wie in Europa, auf eine grundsätzliche Machtprobe zwischen Rechts und Links hinaus. Der Ausgang ist offen. Also müssen wir uns anstrengen, so mächtig es die Kräfte zulassen.
Conrad Schuhler, isw
fotos: flickr | CC BY-NC 2.0: Gage Skidmore, takomabibelot, IoSonoUnaFotoCamera, ,rchappo2002
siehe auch: