Europa

LoiTravailNon loire08.07.2016: Der französische Premierminister Manuel Valls hat am 5. Juli erneut den antidemokratischen Artikel 49,3 der Verfassung in Anspruch genommen, um das umstrittene „Arbeitsgesetz“ ohne Beratung und Abstimmung im Parlament für beschlossen erklären zu lassen. Schon im Mai hatte er bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs in der Nationalversammlung zu dem gleichen Mittel gegriffen, weil er sich nicht sicher war, eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sein Vorhaben zu bekommen.

Parallel dazu beteiligten sich am gleichen 5. Juli wieder mehrere zehntausend Menschen in Paris und anderen Großstädten des Landes am zwölften landesweiten Aktionstag gegen das „Loi travail“. „Trotz eines übermäßigen Sicherheitsaufgebots, das Tausende daran hinderte, sich an der Pariser Demonstration zu beteiligen, haben mehr als 45 000 an diesem Tag demonstriert: 10 000 in Toulouse, 15 000 in Marseille, 1000 in Caen, 2000 in Grenoble“, heißt es in einer von der CGT veröffentlichten Mitteilung. Auch das Pariser Wahrzeichen, der Eiffelturm, war infolge von Arbeitsniederlegungen der Beschäftigten wieder für Besucher geschlossen worden, ebenso das Stadion „Stade de France“ in Saint-Denis bei Paris, in dem am Sonntag das Endspiel der Fußball-EM angesetzt ist.

„Die Regierung hat nicht die öffentliche Meinung auf ihrer Seite, nicht die Mehrheit der Gewerkschaften und keine Mehrheit im Parlament, um ihr Gesetz durchzubringen“, sagte Philippe Martinez, Generalsekretär der CGT, zu dem neuen antidemokratischen Gewaltakt der „sozialistischen“ Regierung.

In einem gemeinsamen Kommuniqué der Gewerkschaften und Jugendorganisationen, das nach dem jüngsten Aktionstag unter der Überschrift „Der 49,3 wird uns nicht aufhalten“ veröffentlicht worden ist, wurde betont: „Die Entschlossenheit, die Rücknahme des Gesetzentwurfs zu erreichen und neue Rechte zu erlangen, ist durch diesen neuen Gewaltakt der Regierung nicht erschüttert worden“. Die Regierung sei „in einem schweren Irrtum, zu glauben, die Demokratie kurzschließen zu können, wenn sie ein Gesetz von dieser Wichtigkeit während der Sommerpause verkünden lässt. Die soziale Bewegung wird nicht nachlassen, und bereits jetzt sind Initiativen während des Sommers beschlossen, um eine machtvolle und offensive Rentrée (Rückkehr aus dem Sommerurlaub) vorzubereiten, um die Umsetzung des Gesetzes zu verhindern“.

Die Regierung hatte nach der Behandlung des Gesetzentwurfs im Senat zur 2. Lesung in der Nationalversammlung noch einige weitere Konzessionen in den Text eingebaut, um eine größere Zustimmung in der eigenen Parlamentsfraktion zu finden. Es wurde der Anschein erweckt, als akzeptiere die Regierung gewisse Einwände gegen den Artikel 2 des Gesetzes, in dem grundsätzlich festgeschrieben wird, dass künftig betriebliche Vereinbarungen zur Regelung von Arbeitszeiten, Überstunden, Freizeitausgleich, Freizeit und Urlaub, Entlassungen aus „ökonomischen Gründen“, Entschädigungen für ungerechtfertigte Entlassungen und andere Fragen der Arbeitsbedingungen Vorrang haben vor gesetzlichen Regelungen und Branchentarifverträgen. So wurden in diesen Artikel einige Bestimmungen eingefügt, wonach in einigen Bereichen der grundsätzliche Vorrang von betrieblich vereinbarten Regelungen vor Tarifverträgen nicht gelten soll, zum Beispiel bei Fragen der Eingruppierung, der Berufsausbildung, beschwerlicher Arbeiten u. ä. Doch ausgerechnet beim Hauptkritikpunkt der Gewerkschaften, nämlich der Festlegung von Arbeitszeiten und Überstundenregelungen, sollte ganz entsprechend den Forderungen der Unternehmerverbände der Vorrang von Betriebsvereinbarungen vor Tarifverträgen beibehalten werden. Das heißt, im Kern blieb die antisoziale und gegen die Gewerkschaften gerichtete Ausrichtung des Gesetzentwurfs unverändert. Schließlich hatte sich sogar in der sozialistischen Parlamentsfraktion eine Initiative für einen Änderungsantrag zu dem vorliegenden Gesetzentwurf entwickelt, der festschreiben wollte, dass Betriebsvereinbarungen auch bei Überstundenregelungen nicht zuungunsten der Beschäftigten von den Branchentarifvereinbarungen abweichen können. Dieser Antrag war von mehr als 120 PS-Abgeordneten, der Hälfte der gesamten Regierungsfraktion, unterzeichnet worden.

Doch mit der Ankündigung des Regierungschefs, erneut den Artikel 49,3 in Anspruch zu nehmen, wurden alle diese Bemühungen, doch noch einen „Kompromiss“ zu finden, mit einem Schlag vom Tisch gewischt. Entsprechend groß sind das Durcheinander und die Veränderung in der Regierungsfraktion.

Die Ausnahmeregelung des Artikels 49,3, die noch aus der Zeit des autoritären Machtstils von Staatspräsident de Gaulle stammt, ermöglicht es, ein von der Regierung vorgelegtes Gesetz ohne Beratung und Abstimmung im Parlament für „angenommen“ zu erklären, wenn der Regierungschef sich auf diesen Artikel beruft. Damit wird auch jede Debatte über Abänderungsanträge, einschließlich der aus der eigenen Fraktion, ausgeschlossen. Einzige verbleibende Möglichkeit, um das Gesetz doch noch zu verhindern, ist das Stellen eines Misstrauensantrags gegen die Regierung innerhalb von 24 Stunden, der innerhalb von drei Tagen abgestimmt und von einer absoluten Mehrheit der Abgeordneten gebilligt werden muss. Dann wäre das fragliche Gesetz abgelehnt und die Regierung zum Rücktritt gezwungen.

Die oppositionelle Rechtspartei „Die Republikaner“ und ihre Verbündeten haben im Unterschied zur ersten Lesung im Mai diesmal von vornherein erklärt, dass sie auf einen Misstrauensantrag verzichten. Damit bekundeten sie indirekt ihr Einverständnis mit dem antisozialen und gewerkschaftsfeindlichen „Loi travail“.

Ein Misstrauensantrag „von links“ kam nicht zustande, weil statt der erforderlichen 58 nur 56 Abgeordnete bereit waren, ihn zu unterzeichnen. Die PS-Parteiführung hatte die Abgeordneten der eigenen Fraktion massiv unter Druck gesetzt, indem sie erklärte, dass jeder Unterstützer eines Misstrauensantrags aus der Partei ausgeschlossen werde. Vor dieser Erpressung schreckten viele zurück, die dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung bei einer Abstimmung möglicherweise die Zustimmung verweigert hätten, weil der Ausschluss aus der PS für sie höchstwahrscheinlich auch den Verlust ihres seit Jahren ausgeübten Parlamentsmandats bei der nächsten Wahl bedeutet hätte. Immerhin hatten aber neben den 13 Abgeordneten der PCF und der „Linksfront“ und 10 Grünen auch 27 „Frondeure“ aus der PS-Regierungsfraktion, ein Abgeordneter der „linken Radikalen“ und fünf fraktionslose Abgeordnete den Mut gefunden, den Misstrauensantrag zu unterzeichnen, darunter die ehemaligen PS-Minister Benoît Hamon und Aurelie Filippetti sowie Cécile Duflot, Ministerin der Grünen in der ersten Regierung unter Hollande.

Bevor das umstrittene Gesetz in Kraft tritt, muss es nun erneut zur 2. Lesung in den Senat, wo voraussichtlich am 18.7. die letzte Abstimmung stattfinden soll. Danach hat die „Nationalversammlung“ das letzte Wort, deren Endabstimmung für den 20. Juli vorgesehen ist. Offensichtlich spekuliert die Regierung weiter darauf, dass die öffentliche Aufmerksamkeit in den nächsten Tagen auf das Endspiel der Fußball-EM und die parallel dazu begonnene „Tour de France“ konzentriert ist und nach den bis Ende August dauernden französischen Sommerferien der gewerkschaftliche Widerstand endgültig zum Erliegen kommt.

Die Gewerkschaften haben indessen angekündigt, dass sie den Widerstand gegen das „Arbeitsgesetz“ auch nach dem Durchpeitschen durch das Parlament nicht aufgeben werden. Sie halten an ihrer Forderung nach der Rücknahme des Gesetzes fest. Vor allem aber werden sie sich nach seinem Inkrafttreten weiterhin gegen seine Umsetzung auf betrieblicher Ebene zu wehren haben, wenn in den einzelnen Unternehmen Betriebsvereinbarungen durchgesetzt werden sollen, die von den Tarifverträgen nach unten abweichen und für die Beschäftigten Verschlechterungen bringen. Damit ist ein weites Feld sozialer Konflikte im kommenden Herbst und den ersten Monaten des Jahres 2017 eröffnet.

Die Gewerkschaften haben auch schon für die Ferienzeit eine Reihe Aktionen geplant, die den Gedanken des Widerstands gegen das Gesetz wach halten. Unter anderem sollen Aktionen „Péage gratuit“ durchgeführt werden, was bedeutet, dass die Beschäftigten der großen Zahlstellen auf den französischen Autobahnen zeitweise die Arbeit einstellen und die Schranken öffnen, womit den Reisenden die kostenlose Durchfahrt in die Sommerferien ermöglicht wird. Auch in gewissen Urlaubs- und Ferienzentren sollen gewerkschaftliche Aktionen stattfinden. Damit wird die „Rentrée“, das heißt die Zeit nach der Rückkehr aus den Ferien Anfang September vorbereitet, für die neue „machtvolle und offensive Aktionen“ geplant werden.

Text: Georg Polikeit      Foto: mami


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