Meinungen

24.02.2016: Geht der progressive Zyklus zu Ende? Darüber diskutiert die Linke nicht nur in Lateinamerika. Der Argentinier Claudio Katz meint, dass über die Zukunft des progressiven Zyklus in Venezuela entschieden wird. Die Bedingung für eine Fortsetzung des progressiven Weges ist der Aufbau der Macht von Unten. Er ist überzeugt: "Ein Prozess, der sich nicht radikalisiert, geht rückwärts." Dabei dürfe nicht nur auf die Regierungen geschaut werden, wichtiger ist das, was unten geschieht.

Der sogenannte progressive Zyklus des letzten Jahrzehnts in Südamerika ist ein Prozess gewesen, der aus teilweise erfolgreichen Volksaufständen (Argentinien, Bolivien, Venezuela, Ecuador) hervorging, die das Kräfteverhältnis in der Region veränderten. Ein ökonomisches Szenario der hohen Rohstoffpreise und der Zufuhr von Dollar wurde anders genutzt, als dies in anderen Zeiten der Fall war.

Die Dualität, die das letzte Jahrzehnt prägte

Auf der politischen Bühne gab es neben den rechten Regierungen auch Mitte-Links- und radikale Regierungen. Es war dies eine Periode, in der die Aktionsfähigkeit des Imperialismus durch Rückschläge bei der Organisation Amerikanischer Staaten OAS und die erzwungene Anerkennung Kubas ernsthaft eingeschränkt war. Am Ende gewann David über Goliath, und die Vereinigten Staaten mussten diese Niederlage akzeptieren. Es war dies auch ein Jahrzehnt, in dem es praktisch in keinem Land Lateinamerikas Anpassungen im griechischen Stil gab. In diesen zehn Jahren kam es jedoch zu wichtigen demokratischen Siegen. Das wird besonders deutlich. wenn man Südamerika mit Mittelamerika vergleicht. Wenn man das Niveau der Aggressionen in Mexiko, Honduras, Guatemala den öffentlichen Freiheiten, die in Argentinien, Bolivien oder Brasilien erobert wurden, gegenüberstellt, bemerkt man das Ausmaß dieser Veränderungen. Und dann brachte der Chavismus die Rettung des sozialistischen Projekts. All diese Gründe führten dazu, dass sich Südamerika zu einem Bezugspunkt für die sozialen Bewegungen der ganzen Welt verwandelte.

Dadurch entstand in Lateinamerika eine "Dualität", denn diese Veränderung im politischen Zyklus und im Kräfteverhältnis existierte parallel zu der Festigung des Musters der weiter anwachsenden Ausbeutung der Bodenschätze, dem Export von Rohstoffen und der Rolle Lateinamerikas als Rohstofflieferant in der internationalen Arbeitsteilung.

Diese Situation ist für eine neoliberale Regierung natürlich, sie ist Teil ihrer Strategie. Aber für progressive Regierungen, für Mitte-Links-Regierungen, entstehen bei dieser Struktur Spannungen. Und für radikale, auf Verteilung ausgerichtete Regierungen kommt es dabei zu einem Konflikt großen Ausmaßes, denn mit diesem Modell, das auf Ausbeutung der Bodenschätze und auf der Stärkung der in Lateinamerika traditionell abhängig ausgerichteten Wirtschaft beruht, ist keine Koexistenz möglich.

In den letzten Monaten fing dieser Widerspruch an, deutlich zu werden, und es begann die konservative Restauration und die Debatte um das Ende des progressiven Zyklus. Am Ende des Jahres stehen wir vor zwei unmissverständlichen Fakten. Zuerst dem Sieg von Macri (Anm.: Mauricio Macri wurde am 22. November 2015 in der Stichwahl mit 51,34 Prozent der Stimmen zum Staatspräsidenten Argentiniens gewählt), der wichtig ist, weil es sich hierbei um den ersten Fall der Rückkehr eines Vertreters der Rechten in die Präsidentschaft handelt, einer Rechten, die ausgehend von ihren "cacerolazos" (Anm.: Frauen der Oberschicht schlagen als Zeichen des Protests bei Demonstrationen mit Kochtopfdeckeln aufeinander), in Argentinien eine politische Macht aufgebaut, den Peronismus besiegt und ein Kabinett der CEO-kratie (Anm.: Konzernchefs) gebildet hat.

Das zweite Faktum ist partiell, aber nicht weniger bedeutsam. In Venezuela hat die Rechte nicht die Regierung gewonnen, aber unter den Bedingungen eines brutalen Wirtschaftskrieges, mit Medienterrorismus und von Reaktionären erzeugtem wirtschaftlichem Chaos, sehr wohl die Mehrheit im Parlament. Und Venezuela ist das am weitesten fortgeschrittene Symbol der radikalen Prozesse innerhalb des progressiven Zyklus.

Neoliberale Länder in diesem neuen kontinentalen Szenario

Den Medien ist es diese ganze Zeit über gelungen, uns vorzuenthalten, was in den vom Neoliberalismus regierten Ländern vor sich geht. Es schien, als ob alles dort wunderbar sei und die einzigen Probleme Lateinamerikas in den anderen Ländern zu finden seien. Aber darin zeigt sich eine monumentale mediale Verzerrung. Es genügt allein schon, die Lage in Mexiko zu betrachten, ein Land mit einer extrem hohen Verbrechensrate, einer Zerstörung des sozialen Gefüges und vielen vom Drogenhandel beherrschten Gebieten. Es genügt, die Lage der zentralamerikanischen Länder zu sehen, die durch die Emigration dezimiert sind, in denen Kriminalität vorherrscht und in denen, wie in Guatemala, Präsidenten regieren, die wegen Korruptionsskandalen abgesetzt wurden. Oder das chilenische Modell, das eine äußerst kritische Phase durchschreitet: Das Wirtschaftswachstum hat sich erheblich reduziert und außerdem tritt Korruption in einem Land zutage, das immer mit seiner Transparenz geprahlt hat. Die Verschuldung der Familien, die prekäre Situation der arbeitenden Bevölkerung, die Ungleichheit und die Privatisierung der Bildung beginnen an die Oberfläche zu kommen. Die Regierung von Michelle Bachelet ist gelähmt, die Reformen bei den Renten und bei der Bildung, die sie durchführen wollte, sind zum Stillstand gekommen.

In diesem neoliberalen Universum stoßen wir auf den in dieser ganzen Zeit einzigen Fall von Staatsbankrott und zwar in Puerto Rico. Dieses Land, das faktisch eine US-Kolonie ist, leidet unter der Kapitalabwanderung, der Plünderung von Ressourcen und dem Auseinanderfallen des sozialen Gefüges, das eine Zeit lang mit öffentlicher Finanzierung abgeschwächt wurde, was aber durch den Staatsbankrott unterbrochen wurde.

In den Ländern also, in denen es keine Umverteilung des Gewinns in diesem Superzyklus der Gewinne aus den Rohstoffen gab, ist die soziale und wirtschaftliche Lage weitaus schlimmer.

Argentinien und Brasilien

Was Argentinien und Brasilien angeht, ist eine eindeutige Bilanz über das, was geschehen ist, möglich, aber man muss sehr vorsichtig sein, was Aussagen über die Zukunft betrifft. Ich würde gern das, was wir wissen, von dem trennen, was wir uns vorstellen können. Es besteht kein Zweifel, dass in Argentinien und Brasilien die Veränderungen, die im Gange sind, das Ergebnis einer Erschöpfung des Neo-Entwicklungs-Wirtschaftsmodells sind. Das ist nicht der einzige Grund und ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob andere Faktoren nicht von größerer Bedeutung sind, aber es ist der Hintergrund des Problems.

In den beiden Ländern gab es einen Versuch, einen Teil des Gewinns aus der Aufwertung der Rohstoffe dazu zu benutzen, die Industrie wiederherzustellen und ein auf Konsum begründetes Modell zu versuchen. Aber wir befinden uns im Kapitalismus und dieser Art von Prozessen sind enge Grenzen gesetzt. Denn das, was am Anfang funktioniert, verbraucht sich später, in dem Maße, in dem es die kapitalistische Rendite beeinträchtigt. Die Theorie des umgekehrten Abflusses funktioniert nicht.

Es ist eine Illusion der Keyneschen Heterodoxie zu glauben, dass mit einer einfachen Steigerung der Nachfrage ein stetiger Kreislauf beginne. Ganz im Gegenteil. In einem Augenblick, in dem die Regierungen an ihre Grenzen stoßen, beginnt der klassische Prozess der Kapitalflucht, des Drucks auf den Wechselkurs und das ist in beiden Fällen geschehen.

Ich glaube, es gibt eine wirtschaftliche Abnutzung, aber es kam auch zu einer starken politischen Verschlechterung, sowohl in Brasilien als auch in Argentinien.

Diese Erosion wurde in beiden Fällen durch das Auftreten einer sozialen Unzufriedenheit bestimmt, die keine der Regierungen durch das Erfüllen der Nachfrage kanalisieren wollte. In diesem Klima siedelte sich der Aufstieg Macris und die Ausweitung der sozialen Basis der Rechten Brasiliens an.

Das ist eine Bilanz, die man klar ziehen kann. Nicht klar ist, was jetzt geschehen wird. Der große Test wird die Regierung Macri sein, zu der noch keine Bewertung abgegeben werden kann. Es handelt sich hier um eine klassische rechte Regierung mit allen reaktionären Eigenschaften einer Rechtsregierung. Sie operiert jedoch in einem Umfeld mit großer Kampfkraft. Deswegen gibt es einen Widerspruch zwischen dem, was sie machen möchte, und dem, was sie machen kann.

Die Zukunft wird in Venezuela entschieden

Der progressive Zyklus und die Zukunft werden in Venezuela entschieden. Dies war der wichtigste Prozess und seine Auflösung wird den Kontext der ganzen Region bestimmen.

Es ist offensichtlich, dass der Imperialismus alle seine Pfeilspitzen auf Venezuela konzentriert hat. Deswegen haben die Vereinigten Staaten Kuba anerkannt, stellen sich freundlich mit vielen Regierungen, aber nicht mit Venezuela. Gegen Venezuela verhängt das Imperium den niedrigen Erdölpreis, es unterhält paramilitärische Organisationen, finanziert konspirative NGOs und operiert auf militärischer Ebene. Es setzt Mechanismen zur Absetzung der Regierung in Bewegung, die es seit langer Zeit vorbereitet hat. Die Wahlen fanden mitten in einem Wirtschaftskrieg statt und es ist ihnen gelungen, der Rechten zum Sieg zu verhelfen. Zum ersten Mal gewann sie die Mehrheit im Parlament und sie hat sich jetzt das Referendum zur Absetzung zum Ziel gesetzt.

Die Rechte wird versuchen zwei Pfade einzuschlagen: den von Capriles und den von López (Anm.: die zwei bekanntesten rechten Oppositionsführer. López ist wegen Anstachelung zur Gewalt und Verschwörung zu einer Haftstrafe verurteilt.). López möchte zu den "Guarimbas" (Anm.: gewaltsame Proteste mit Straßenblockaden und –schlachten) zurückkehren und Capriles setzt auf den Verschleiß von Maduro. Typisch für Macri ist, dass er zunächst vorhatte, den Angriff auf Venezuela im Mercosurtreffen mit der "demokratischen Klausel" (Anm.: man wollte behaupten, Venezuela sei keine Demokratie mehr und sei deshalb aus dem Mercosur auszuschließen) zu starten, dann aber beschloss, diesen zu verschieben. Macri (bei dessen Wahl die Frau von López anwesend war) führt einen Drahtseilakt zwischen beiden auf. Er wird dem folgen, der den Ton angibt. Es sind zwei Seiten einer Medaille - und Macri ist ein internationaler Orchesterleiter dieser Konspiration.

Ein Prozess, der sich nicht radikalisiert, geht rückwärts

Maduro sieht sich jetzt einem starken Druck ausgesetzt, Verhandlungen zu akzeptieren, sieht sich machtlos, ohne etwas tun zu können. Aber er kann auch reagieren und den berühmten Satz anwenden: "ein Prozess, der sich nicht radikalisiert, geht rückwärts" und zu einem Gegenschlag ausholen. Es kommt ein großer Konflikt auf ihn zu, denn das von der Rechten beherrschte Parlament wird Forderungen stellen, die die Regierung nicht erfüllen wird. Es wird für eine Amnestie für López stimmen und die Regierung wird ihr Veto einlegen. Die Regierung wird ein Gesetz gegen das Entziehen von Gütern zur künstlichen Schaffung von Versorgungsengpässen vorlegen und das Parlament wird es nicht akzeptieren. Regiert die Regierung oder das Parlament? Ein sehr typisches Aufeinandertreffen von Kräften.

Die Vorbereitung auf das Referendum wird ein Jahr dauern. Man muss Unterschriften sammeln, es offiziell machen, dazu aufrufen und es gewinnen. Das wird zu einem großen Konflikt innerhalb der Partei führen. Ihr konservativer Sektor, der zum Teil in die Korruption verwickelt ist, will nichts davon wissen, auf diese Lage mit der Radikalisierung des Prozesses zu antworten.

Dieser Sektor verhindert die Reaktion auf die imperiale Aggression. Es ist offensichtlich, dass der Imperialismus Venezuela den Wirtschaftskrieg erklärt hat, aber das Problem besteht darin, dass es Maduro nicht gelungen ist, diese Aggressoren in die Knie zu zwingen. Das Problem ist, dass Venezuela ein Land ist, das weiter über PDVSA (Anm.: Petróleos de Venezuela S. A. ist die größte Erdölgesellschaft Lateinamerikas und Venezuelas größter Exporteur) Dollar erhält, und diese Dollar an Sektoren des korrupten Beamtentums gelangen. Diese Dollar gehen an die Schmuggler, an Kolumbien, an die Entziehung von lebenswichtigen Produkten, an die Wechselkursspekulation, und das Land lebt mit Menschenschlangen und allgemeiner Irritation. Außerdem hat Venezuela bereits bedeutende Schulden. Es hat nicht mehr genügend Dollar, um alle Importe und gleichzeitig die Schulden zu bezahlen.

Unter diesen Bedingungen beschränken sich die sozialdemokratischen und konservativen Sektoren in der Regierung darauf, über die "schreckliche Situation, die uns der Imperialismus auferlegt"" zu jammern, ohne dabei aber wirkungsvoll zu agieren, um diese Aggression zu durchkreuzen.

Dieses Verhalten hat Konsequenzen, denn es fördert die Demoralisierung. Die Rechte hat nicht so sehr deshalb gewonnen, weil der Chavismus der Rechten seine Stimmen gegeben hat, sondern weil die Leute nicht zu den Urnen gingen.

Das ist schon vorher geschehen. Es ist eine Form von Protest, den man bei Teilen der Venezolaner findet. Und viel problematischer, viel schlimmer ist die Haltung von Führungspersonen, die sich vom Chavismus verabschieden und ins Privatleben zurückkehren. Sie kritisieren die Regierung, anstatt radikale Maßnahmen gegen die Rechte vorzuschlagen.

Das wird noch durch das Verhalten der Regierung betont, die verhindert, dass linke Strömungen sich entwickeln. Anstatt diese zu formen, ihr Handeln zu ermöglichen, begrenzt man deren Möglichkeiten und hält an der vertikalen Struktur der Partido Socialista Unido de Venezuela (PSUV) fest.

Macht von unten aufbauen

Das ist also das Szenario. Und viele Leute sagen, dass dieses Mal die letzte Gelegenheit sei. Jetzt oder nie. Und das bedeutet, Entscheidungen in zwei sehr wichtigen Bereichen zu treffen. lm ökonomischen Bereich: die Banken und den Außenhandel zu verstaatlichen und ausgehend von diesen beiden Instrumenten eine andere Form für die Benutzung des Dollar zu finden. Es gibt gute Ökonomen, die das schon seit Jahren sagen. Sie haben Programme ausgearbeitet, die bis in Detail erklären, wie dies durchgeführt werden kann. Diese Idee ist also nicht neu.
Das andere ist der politische Bereich: Um die Radikalisierung aufrechtzuerhalten, benötigt man die Macht in den Gemeinden. Venezuela verfügt bereits über eine Gesetzgebung, eine Struktur, verabschiedete Gesetze, die es ermöglichen, das Land in einer neuen Form der kommunalen Organisation von unten nach oben zu verwalten, mit unterschiedlichen Instanzen, wo die Demokratie eine Realität ist und wo die Volksmacht sich nicht darauf beschränkt, ein Komplex von defensiven Institutionen zu sein. Das ist eine entscheidende Architektur, um mit dem Parlament der Rechten in Disput zu treten. Wenn Maduro und die venezolanische Führung den bolivarischen Prozess retten wollen, so ist dies der Moment der kommunalen Macht. Ich glaube, dass die Karten offen liegen und man Entscheidungen treffen muss.

Perspektive für soziale Kämpfe

Es ist in den ganzen Diskussionen, ob der progressive Zyklus zu Ende sei, sehr wichtig, nicht nur auf die Regierungen zu sehen, sondern auch auf das, was unten geschieht. Es gibt bei vielen Intellektuellen eine Tendenz, einen Zyklus danach zu bewerten, wer an der Regierung ist. Aber das ist nur ein Element.

Der Zyklus wurde mit der Rebellion des Volkes geboren und das, was das Kräfteverhältnis definiert, sind die Rebellionen des Volkes. lm letzten Jahrzehnt gab es einen neuartigen Prozess, denn über die teilweise Umverteilung der Gewinne aus den Commodities (Anm: Roh- und Brennstoffe, landwirtschaftliche Erzeugnisse, Edelmetalle), den viele Regierungen vornahmen, entwickelten sich Netze sozialer Hilfe und Konsumprozesse, die die sozialen Kämpfe abflauen ließen. Das ist eine der Erklärungen dafür, dass wir ab 2004 keine Rebellionen mehr gehabt haben.

Es gibt eine Veränderung im ökonomischen Zyklus, der den sozialen Kampf neu aufwerfen wird, und dabei wird das Projekt der Linken erneut diskutiert werden. Es wird viel von dem Ausgang in Venezuela abhängen, das in der letzten Periode der politische Hauptbezugspunkt für die echte Linke war. Genauso wie dies zu anderen Zeiten die kubanische Revolution oder der Sandinismus waren. Die emanzipatorischen Referenzen erstrecken sich über den ganzen Kontinent. Sie treten in einem Land auf und entwickeln sich zu einem Punkt, auf den alle anderen ihre Aufmerksamkeit richten.

Aber das große strategische Problem liegt darin, dass viele Denker der Ansicht sind, dass die Linke sich auf den Aufbau eines Modells des postliberalen Kapitalismus konzentrieren solle. Diese Idee behindert die Radikalisierungsprozesse.

Sie geht davon aus, dass links zu sein bedeute, postliberal zu sein, dass links zu sein bedeute, sich um einen organisierten, humanen und produktiven Kapitalismus zu bemühen. Diese Vorstellung höhlt die Linke schon seit einigen Jahren aus, denn links zu sein bedeutet, gegen den Kapitalismus zu kämpfen. Ich glaube, das ist das ABC. Sozialistisch zu sein heißt, für eine kommunistische Welt zu kämpfen. In jeder Etappe verändert sich dieser Horizont und die strategischen Parameter erneuern sich. Aber wenn sich die Identität der Linken ändert, ist Frustration das Ergebnis.

Der Aufbau der Linken erfordert die Idee des späten Chávez aufzunehmen. Ein starker Einsatz für ein sozialistisches Projekt, das die Traditionen des lateinamerikanischen Marxismus und der kubanischen Revolution einschließt. Es scheint mir, dass diese strategische Linie durch starke Illusionen der Zweckmäßigkeit verzerrt wurde, diesen Horizont durch Konvergenzen z.B. mit dem Papst zu ersetzen. Man geht davon aus, dass nachdem Chávez tot war, ein anderer Referenzpunkt benötigt würde und man glaubt, dieser Ersatz könnte Papst Franziskus sein. Ich glaube, das ist ein strategischer Irrtum. Ich glaube nicht, dass die Soziale Doktrin der Kirche der Leitfaden ist, dem wir für unsere Schlacht gegen den Kapitalismus folgen sollten. Denn diese Doktrin ist als eine Ideologie gegen den Kommunismus und nicht gegen den Kapitalismus entstanden. Papst Franziskus recycelt sie in der Absicht, das Gewicht des Volkes in einer sehr geschwächten lateinamerikanischen Kirche wiederzubeleben. Mir scheint es von großer Naivität zu glauben, dass diese Wiederbelebung einer Linken zugute käme, die dem vatikanischen Projekt diametral entgegensteht.

Ich denke, wir müssen in einem solch wichtigen Moment für die lateinamerikanische Geschichte unsere Ideale hochhalten.


(alainet.org)
Deutsche Übersetzung: Granma Internacional, Januar 2015

Claudio Katz ist argentinischer Wirtschaftswissenschaftler. Er ist Mitglied in der Vereinigung “Economistas de Izquierda” (Linke Wirtschaftswissenschaftler).


 

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