27.01.2016: Noch 1977 hat der Bundesgerichtshof verkündet: Wer Flüchtende dabei unterstütze, "das ihnen zustehende Recht auf Freizügigkeit zu verwirklichen, kann sich auf billigenswerte Motive berufen und handelt sittlich nicht anstößig." Die Konferenz "Budapester Prozess" 1993 stand dagegen ganz im Zeichen der Abwehr und Abschottung. Auf Initiative der Bundesregierung wurde danach im Juni 1998 eine Sonderkonferenz zur "Bekämpfung illegaler Zuwanderung auf Routen durch Südosteuropa" durchgeführt. Die bis in die 90er Jahre in diesem Land belohnte Fluchthilfe wurde nun zum organisierten Verbrechen erklärt.
Und alle EU-Vereinbarungen zur Bekämpfung der Fluchthilfe sollen letzten Endes Migration verhindern. Dazu wird auch vor militärischen Aktionen gegen Schlepper/Schleuser nicht zurückgeschreckt, wie auf dem Sondergipfel der EU im April 2015 beschlossen. Der Schutz der Flüchtlinge, weder auf dem Weg nach oder in Europa, ist zweitrangig.
In einer aktuellen Auseinandersetzung des Innenausschusses vom Landtag Schleswig-Holstein wittern FDP und CDU nun ein „Schleuserparadies Schleswig-Holstein“. Anlass ist der Rahmenbefehl der leitenden Polizeidirektion vom 23.12.2015, in der u.a. festgestellt wird, die „durch die Kanzlerin-Erklärung und faktisches Verhalten deutscher Behörden beim Grenzübertritt nach Deutschland eingeladenen Flüchtlinge (….) machen sich nicht strafbar, weil Grenzübertritt und Aufenthalt gerechtfertigt sind.“ Über Unterstützer*innen wird erklärt „... geleistete humanitäre Hilfen gleich welcher Art (…..) begründen (…) schon wegen deren berechtigten Aufenthaltes keinen Anfangsverdacht auf Beihilfe und Schleuserkriminalität.“ Mitgetragen wird diese Auffassung vom Innenminister Studt. Es geht wesentlich um die seit Monaten geleistete Unterstützung der Transitflüchtlinge, die über Kiel und Lübeck nach Skandinavien reisen wollen.
Dass die Hilfe von autonomen Gruppen, DPWV, Landesverband SH der Sinti und Roma bis hin zu Katholischer Kirchengemeinde und der Jüdischen Gemeinde Kiel kam, wird von CDU und FDP schlicht nicht wahrgenommen. Ungeachtet der Tatsache, dass nicht wenige der Mitglieder oder Angehörige dieser Organisationen selbst einmal vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, soll die Unterstützung der Transitflüchtlinge strafrechtlich verfolgt werden.
Der Abgeordnete Lars Harms (SSW) äußerte den Verdacht, dass es nach Unionslogik darum gehen müsste die Kanzlerin als „Königin der Schleuser“ vor Gericht zu stellen. Und betonte: Ich will dies nicht.
Dem schließe ich mich an:
Keine Kriminalisierung von Unterstützer*innen Geflüchteter!
Der beste Weg gegen Schleuser und auch deren Kriminalisierung sind offene Grenzen und legale Fluchtwege.
Text: Bettina Jürgensen Foto: Uwe Hiksch
Dieser Kommentar erscheint auch in LinX - Sozialistische Zeitung für Kiel