Internationales

alt12.01.2011: Heftige Proteste und einem Aufstand ähnliche Unruhen gegen die Staatsmacht des Landes haben seit Mitte Dezember Tunesien erschüttert. 35 Tote im Lande haben Menschenrechtsorganisationen bisher namentlich gezählt, schätzen aber die Gesamtzahl der Getöteten auf über 50 Personen. Der Gewerkschafter Sadok Mahmoudi sprach gegenüber der Presse von allein 50 getöteten Menschen in der Stadt Kasserine nahe der algerischen Grenze. Die Toten sind vor allem ein Ergebnis des brutalen, Mord nicht scheuenden Vorgehens der Polizeikräfte des Landes, zu dem der tunesische Präsident Zine el-Abidine Ben Ali ermunterte, als er die Protestierenden als in öffentlicher Rede als "Terroristen" bezeichnete.

Hintergrund und Grundlage der Unruhen der letzten Wochen in Tunesien ist die hohe Arbeitslosigkeit unter 15-29-Jährigen und vor allem unter Hochschulabgängern. Die allgemeine Arbeitslosigkeit liegt in Tunesien bei 14%, 37% aller Akademiker sind laut Angaben der Weltbank auch 3 Jahre nach dem Abschluss ihrer Studien noch arbeitslos. In dieser Situation sind viele Arbeitslose des Überlebens wegen gezwungen, sich mit Gelegenheitsarbeit und Nebengewerbe etwas Geld zu verdienen.

Mohamed Bouazizi, 26-jaehriger Student der Informatik am Höheren Institut von Mahdia, war ein solcher Arbeitsloser. In der Kleinstadt Sidi Bouzid (19 Tsd. Einwohner, 210 km südwestlich von Tunis) versuchte er sich durch den Verkauf von Obst- und Gemüse zu ernähren. Die örtliche Polizei hatte am 17. Dezember seinen Stand auf Veranlassung der Verwaltung konfisziert. Als Bouazizi später erfolglos die Herausgabe seines Standes und der Waren von den Beamten der Stadt forderte und die Behörden dies verweigerten, übergoss er sich mit Benzin und zündete sich an. Dabei schrie er immer wieder "Schluss mit der Armut! Schluss mit der Arbeitslosigkeit!" Bouazizi wurde mit schwersten Brandverletzungen, denen er wenige Tage später erlag, in ein Krankenhaus gebracht.

Am nächsten Tag (Samstag, 18.12.) und am Folgetag protestierten aus diesem Anlass hunderte Einwohner der Kleinstadt Sidi Bouzid. Die Regierung schickte zur Kontrolle und Unterdrückung des Protestes hunderte Polizisten zur Verstärkung der örtlichen Machtorgane. Während es in offiziellen tunesischen Medien damals hieß, dass die Proteste in Sidi Bouzid "lediglich unbestätigte Gerüchte" seien, sprangen diese schnell auf andere tunesische Städte, wie Sfax, Sousse über und erreichten schon am Montag, den 27.12., die Hauptstadt Tunis. Dort protestierten über 1.000 Akademiker gegen ihre Arbeitslosigkeit, forderten die "Schaffung von Arbeitslätzen" und ein Ende der "Korruption im Lande". Während in Tunis die Polizei noch mit Schlagstöcken gegen die Demonstration vorging, hatte sie drei Tage vorher in der Stadt Menzel Bouzayane - angeblich zur Selbstverteidigung - Waffen mit scharfer Munition gegen Protestierende eingesetzt und einen 18-Jährigen erschossen.

Laut Angaben aus Gewerkschaftskreisen hatten dort etwa 2.000 Menschen ebenfalls gegen die hohe Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen demonstriert. Die Menge setzte in ihrem Zorn Polizeifahrzeuge, Einrichtungen von Sicherheitsdiensten und Büros der Regierungspartei des seit 23 Jahren als Staatschef herrschenden Ben Ali in Brand.

Ende des Jahres 2010 hatten die Proteste der tunesischen Werktätigen auf ein halbes Dutzend Städte übergegriffen und entflammten Anfang des Jahres erneut mit Macht, während die tunesische Staatsmacht ihnen mit brutaler Gewalt entgegen trat und einige Städte quasi in den Belagerungszustand versetzte. Kommunikationsverbindungen zur Außenwelt wurden unterbrochen, die Polizei setzte scharfe Waffen gegen Protestierende ein, Milizen der Regierungspartei und Beamten machten mit Razzien Jagd auf exponierte Demonstranten.

'Aus Rgeb berichteten Augenzeugen, die Stadt sei von der Polizei umstellt. Im gesamten Stadtgebiet seien 2.000 Menschen in Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften verwickelt. "Die Polizei setzt Tränengas ein, und hat das Feuer eröffnet", berichtete ein Bewohner, der sich als Augenzeuge bezeichnete, der Nachrichtenagentur Reuters am Telefon.' (derStandard 10.1.2011) 'Ähnliches berichtet eine Bloggerin aus Sidi Bouzid von Rgueb im Zentrum des Landes sowie aus der heiligen Stadt Kairouan und im Küstenort Sousse. Nichts deutet auf ein Ende der Gewalt hin. "Sidi Bouzid ist regelrecht besetzt" , so die junge Frau. Auch Thala ist vollständig von der Außenwelt abgeschlossen. Das Telefonnetz, Handyverbindungen und Internet wurden gekappt.' (derStandard 11.1.2011). 'In Kasserine übernahm am Montag zudem die Armee die Unterdrückung der Kundgebungen. Alle Polizeiwachen waren zu dieser Zeit bereits abgebrannt. Auch Behörden, Banken und sonstige Symbole der Staatsmacht wurden während der mehrtägigen Unruhen angezündet, zahlreiche Geschäfte geplündert. Wie die französische Zeitung Le Monde erfuhr, versuchten Soldaten, trauernde Einwohner daran zu hindern, sich zu versammeln, um ihre Toten zu begraben.' (SZ vom 12.1.2011)

Am Dienstag dieser Woche wurden dann in gleicher reaktionärer Konsequenz alle Bildungseinrichtungen geschlossen und der Unterricht an Schulen und Universitäten eingestellt, wie das Bildungsministerium anfang der Woche bekannt gab. Gleichzeitig versucht die Staatsführung unter Präsident Ben Ali, ihre seit 23 Jahren gegen die Werktätigen gerichtete Politik und Herrschaft durch kleine und vor allem propagandistische Zugeständnisse an die Protestierenden zu sichern. So kündigte Ben Ali in den letzten Tagen an, er wolle in diesem Jahr 300.000 neue Arbeitsplätze zusätzlich zu schon von den tunesischen Unternehmen in Aussicht gestellten 50.000 neuen Arbeitsplätzen schaffen. Steuerbefreiung für diesbezügliche Projekte (sprich: Unternehmensgründungen) auf 10 Jahre hinaus kündigte er ebenfalls an - getreu der Logik, dass nur ausreichender Profit so etwa ermöglicht. Schon Ende 2010 wurde der Minister für Kommunikation Ussama Romdhani aus seinem Amt entlassen, am Mittwoch dieser Woche folgte ihm nach heftiger Kritik aller oppositionellen Kräfte des Landes und selbst der grundsätzlich staatstreuen Gewerkschaften auch der Innenminister. Der Ministerpräsident kündigte an, dass alle Festgenommenen frei gelassen werden sollten und ein Untersuchungsausschuss Vorwürfe gegen die Polizei und Staatsbeamte überprüfen solle. Ob das mehr als nur Abwiegelungsversuche sind, wird sich noch zeigen müssen. Die Vorverurteilungen des Staatspräsidenten, die Protestierenden seien "Terroristen" und "Extremisten" verheissen eher nichts Gutes für die Masse der leidenden Werktätigen und ihre Probleme.

Wie üblich bei solchen Erhebungen, versuchen nicht wenige politische Kräfte dieser Bühne das Heil in der Einschaltung von Grossmächten und der EU. So wird an Frankreich und die EU appelliert, sich in Tunesien einzumischen. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wurde in dieser Woche in diesem Sinne aktiv. Medienvertretern (Reporter ohne Grenzen) geht es vor allem um ihr eigenes Recht der Berichterstattung. Aber wer kann schon glauben, dass ausländische Mächte etwas anders mit ihrer Einmischung in Tunesien bezwecken würden, als die Sicherung ihrer eigenen Interessen - und vor allem ihrer Geschäfte??

Unsere Solidarität gilt den Volksmassen in Tunesien, deren Erhebung ohne Zweifel entschieden und gerecht ist. Diese werden ihren erfolgreichen Weg zu sozialer Emanzipation früher oder später selbst und ohne eigensüchtige 'Helfer' von aussen finden.

Die kommunistische Partei des Libanon drückte dies in einer Erklärung im Dezember 2010 wie folgt aus:

Das Politbüro der Libanesischen kommunistischen Partei erklärt seine Solidarität mit der Erhebung der armen Menschen in der tunesischen Stadt Sidi Bouzid und grüsst die tunesischen Arbeiter, Studenten und demokratischen Kräfte wegen ihrer mutigen Haltung gegen die Unterdrückung durch die Staatsmacht und die Herrschaft einer einzigen Familie, welche zu Armut und Arbeitslosigkeit des Volkes von Tunesien geführt hat.

Die Erhebung gegen Ungerechtigkeit, Entwürdigung und gegen die Verwandlung Tunesiens in ein grosses Gefängnis ist der Anfangspunkt zum Stopp der sozialen und wirtschaftlichen Vorhaben, mit denen die Staatsmacht die Krise des Landes und der Bourgeoisie durch Abwälzung der Lasten der Krisen auf die Arbeiterklasse und das Volk lösen will.

Und die KP Libanons bekräftigte ihre Forderungen:

Beendigen aller Formen der Unterdrückung und des Verbotes der politischen Widerstandsbewegung der Arbeiter, Studenten und des Volkes.

Alle Verantwortlichen für die Massaker vor Gericht zur Rechenschaft ziehen. Freilassung der Festgenommenen und Ehrung der getöten Märtyrer, die durch die unterdrückende Staatsmacht umkamen.

Text: hth  /  Foto: l'Humanitee

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
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Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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