Europa

15.05.2012: Am heutigen Nachmittag teilte das griechische Präsidialamt mit, dass die Versuche von Staatspräsident Papoulias eine Technokraten-Regierung zu bilden gescheitert sind. Damit steht das Land vor Neuwahlen, die voraussichtlich am 10. oder 17. Juni stattfinden werden. Nach neusten Umfragen kann das Wahlbündnis der radikalen Linken SYRIZA mit einem weiteren Stimmenzuwachs rechnen und stärkste Partei werden. Damit steigen die Chancen für die Bildung einer Linksregierung, die den Sparkurs aufkündigt.

Alexis Tsipras, SYRIZA-Vorsitzender, forderte in einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidenten Barroso, die Sparpolitik der EU zu beenden, weil sie Griechenland und die Europäische Union in die Katastrophe führt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat bei einem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel erneut eine Erleichterung der Sparvorgaben im Hilfsprogramm für Griechenland abgelehnt. Das Programm sei "vereinbart und in seinen ökonomischen Bestandteilen überhaupt nicht verhandelbar", sagte Schäuble. In der EU und der deutschen Regierung wird immer offener über einen Euro-Austritt Griechanlands gesprochen.

Anti-kapitalisitisch und pro-europäisch
Demgegenüber erklärte Haris Golemis, Synaspismos, dass sich jetzt zeige, "wie sehr die europäischen Länder voneinander abhängig sind, da Entwicklungen sogar in einem kleinen Land an der südlichen Peripherie einen »Schmetterlings-Effekt« haben können, der so stark ist, dass er die Entscheidungsfindungsprozesse in ganz Europa bis ins Mark erschüttern kann. Das ist der Grund, warum Synaspismos niemals das Dilemma akzeptiert hat, wonach Griechenland entweder die gegenwärtigen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen der EU zu akzeptieren hat - was von der PASOK und der ND vertreten wird - oder freiwillig aus der EU austreten soll - eine Forderung, die die KKE, aber auch einige Gruppen innerhalb von SYRIZA stellten. Im Gegenteil, wir glauben, dass Kämpfe und Ungehorsam auf nationaler Ebene mit Zusammenarbeit auf der europäischen Ebene kombiniert und auf eine Neugründung Europas orientiert werden müssen, was auch das Ziel der Partei der Europäischen Linken darstellt. Entweder wird sich die EU ändern, oder sie wird aufhören zu bestehen."

Und weiter: "In unseren schwierigen Zeiten können Siege der Bewegungen und der radikalen Linken in einem europäischen Land die politischen und sozialen Kämpfe in einem anderen positiv beeinflussen. Der Sieg von SYRIZA in Griechenland gehört auch den Bewegungen der Empörten in ganz Europa, verdankt sich den Erfolgen der Streikenden in Spanien, dem Erfolg der GenossInnen der Kommunistischen Partei Frankreichs und der Linksfront in den jüngsten französischen Wahlen."

Ergebnis einer erfolgreichen Strategie
Für Haris Golemis ist der Zustimmung zu SYRIZA keine »natürliche« Folge der Krise, sondern "kann großteils ihren guten Strategien als politische Partei zugeschrieben werden:

  1. der Schaffung und Aufrechterhaltung der Koalition der Radikalen Linken SYRIZA. SYRIZA ist ein Bündnis unterschiedlicher Parteien und Organisationen der Linken. Seine stärksten Komponenten sind die Parteien Synaspismos (Koalition der Linken, der Bewegungen und de Ökologie) und AKOA (Erneuerte kommunistische und ökologische Linke), die beide der Partei der Europäischen Linken angehören;
  2. dem Bündnis von SYRIZA mit Gruppen oder Einzelpersonen aus der PASOK, die in der allgemeinen Öffentlichkeit großes Ansehen genossen (in der Tat war ja der Name der Wahlliste SYRIZA-Soziale Einheitsfront);
  3. dem Appell, den sie an alle Kräfte der Linken, hauptsächlich an die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und die Demokratische Linke (DIMAR) - jene Partei, die vor zwei Jahren nach der Spaltung von Synaspismos gegründet worden war - richtete, ein Bündnis einzugehen, das das Land regieren könne."

Er weist außerdem darauf hin, dass in einem Land, in dem Persönlichkeiten eine wichtige Rolle in der Politik spielen, einer der Gründe für den Erfolg von SYRIZA in der Person des Parteichefs Alexis Tsipras, eines charismatischen und beliebten jungen Politikers, liegt.

SYRIZA ist schwach verankert in der traditionellen industriellen Arbeiterklasse. Ihre WählerInnen sind Angestellten in der Privatwirtschaft und JungwählerInnen. Bei den JungwählerInnen und WählerInnen unter 55 war sie die am häufigsten gewählte Partei. Sie lag in den großen städtischen Zentren vorn (z.B. kam SYRIZA in Athen, Thessaloniki und Patras auf den ersten Platz), dort wo die Wirtschafts- und Gesellschaftskrise am akutesten ist. Es gelang ihr auch, große Teile der Schichten in den armen Stadtvierteln von Athen und anderen Großstädten anzusprechen, wo ihr Einfluss bisher eher gering gewesen war.

Für Golemis ist von außerordentlicher Bedeutung, dass SYRIZA trotz intensiven Drucks von Seiten beinahe aller Teile des politischen Spektrums und der Medien nicht von der klaren Haltung der Verteidigung der Rechte von MigrantInnen abgegangen ist und deutlich Position gegen die nicht so unpopuläre Errichtung von Internierungslagern für MigrantInnen bezogen hat - das erste wurde nicht zufällig erst wenige Tage vor der Wahl eröffnet. SYRIZA habe sich für den Schutz der Menschenrechte gerade in einer Zeit ausgesprochen, in der die Gesellschaft so anfällig für diese Art von Propaganda ist, sagt der Synaspismos-Mann.

SYRIZA legt weiter zu
Syriza hat vorgeschlagen, eine gemeinsame Regierung aller linken Kräfte zu bilden. Diese solle auf der Grundlage eines 5-Punkte-Plans arbeiten. Dieser 5-Punkte-Plan beinhaltet unter anderem Folgendes: Den Verbleib Griechenlands in der Eurozone, die Kündigung aller Austeritätsverträge mit der EU, der Troika und der EZB, die staatliche Kontrolle über alle Banken, die Rücknahme aller Lohnkürzungen und Einschränkungen des Tarifrechts. Offensichtlich entspricht dies, und das zeigt die Dynamik der Wahlumfragen, dem Wunsch von über 70% der Griechinnen und Griechen.

Eine erste Meinungsumfrage, die am 9. Mai im Auftrag des Senders "ALPHA" durchgeführt wurde, zeigt das SYRIZA-Bündnis als erste Partei in der Stimmabsicht der Bürger bei erneuten Parlamentswahlen im Juni 2012. Dies zeigt, dass in der Bevölkerung der Widerstand gegen das international verordnete Spardiktat wächst. Nach dieser Umfrage würde der größte Teil der neuen SYRIZA-Wähler von der Kommunistischen Partei Griechenlands KKE (22%) und kleineren Parteien (19,3%) wie Grünen und der Antikapitalistischen Linken ANTARSYA kommen. Weitere 11% der neuen SYRIZA-Wähler kommen demnach von den "Unabhängigen Griechen" und jeweils 8% von PASOK (Panhellenische Sozialistische Bewegung) und Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte).

Damit wachsen die Chancen für die Bildung einer Linksregierung (Text auf dem Foto links: Linksregierung). Eine solche Regierung wäre der Bruch mit der herrschenden Logik der Sparpolitik und der "Herrschaft der Märkte" in ganz Europa und ein schwerer Schlag für das Kapital und seine Regierungen. Sie würde den antikapitalistischen Kräften in ganz Europa, den sozialen Bewegungen und Gewerkschaften, die bisher vergeblich gegen die Sparpolitik angerannt sind, Auftrieb und Zuversicht verleihen.

Ein Hemmnis für die Bildung einer Linksregierung ist die Haltung der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), die sich jedem Linksbündnis verweigert. "So eine Regierung wird die Probleme des Volkes verschlimmern und verschärfen", erklärte die KKE zu dem Vorschlag von SYRIZA zur Bildung einer Linksregierung. Die KKE verfügt in Teilen der traditionellen Arbeiterklasse über erheblichen Einfluss und hat bei den jüngsten Wahlen um ein knappes Prozent auf 8,48 % zulegen können. Die KKE verfolgt eine Politik, die auf die direkte Überwindung des kapitalistischen Systems durch die "Volksmacht" setzt.

"Die Einheit der sogenannten »linken Kräfte«, wie sie auch bei den Wahlen in Frankreich zu beobachten ist, erweist sich immer wieder als Instrument des Kapitals zur Unterordnung der arbeitenden Menschen in die Strategie der Sozialdemokratie, um eine Radikalisierung der Massen zu verhindern und konservative Haltungen zu fördern. Eine wichtige Mitverantwortung an diesem Zustand tragen auch die Führungen von DGB, IG Metall und ver.di sowie der internationale Gewerkschaftsverband ITUC, als Verteidiger der Europäischen Union und Verfechter der Klassenzusammenarbeit mit dem Kapital", heißt es z.B. im Aufruf der KKE in Deutschland.

Reaktionäre Gegenoffensive
Das Problem liegt jedoch nicht nur in der Zersplitterung der linken Kräfte. Der herrschende Block in Griechenland und in der EU nimmt die Entwicklung in Griechenland sehr ernst und bereitet sich darauf vor, den Herausforderungen und einer möglichen Radikalisierung der Auseinandersetzung begegnen zu können. Haris Golemis: "In unserem Kampf stehen wir tagtäglich zwei großen Feinden gegenüber: a) den politischen Kräften des Establishments, die die Völker Europas ihren Austeritätspolitiken unterwerfen wollen, und b) den Kräften der radikalen Reaktion, der extremen und faschistischen Rechten, der Nationalen Front in Frankreich, der Goldenen Morgenröte in Griechenland und ihren Verbündeten in anderen europäischen Ländern."

In Vorbereitung der Neuwahl haben die herrschenden Klassen verschiedene Optionen zur Verfügung, um eine Linksregierung doch noch zu verhindern: Die Neue Demokratie (ND) könnte sich mit zwei kleinen ultra-neoliberalen Parteien zusammenschließen, die am 6. Mai zusammen fünf Prozent gewonnen hatten. Ebenso ist eine Massenabwanderung von ND und PASOK zu den extrem rechten "Unabhängigen Griechen" - eine Abspaltung von der ND - möglich. Nicht zuletzt sind da die offenen Faschisten der "Goldenen Morgenröte", die mit 7 % erstmals in das Parlament eingezogen sind.

Raus aus dem Euro?
Die herrschenden Eliten glauben außerdem, die Bevölkerung mit der Drohung, Griechenland aus der Euro-Zone auszuschließen, einschüchtern zu können. Sie drohen, die Zahlungen von IWF und EU zu stoppen. Unter anderem hat Bundesbank-Chef Jens Weidmann an Athen appelliert, den Sparkurs unbedingt weiter zu verfolgen, ansonsten würde sich Griechenland die "Grundlage für weitere Finanzhilfen" entziehen. Bis Ende Juni muss eine griechische Regierung zur Erlangung der wichtigen zweiten Tranche des zweiten Rettungspakets ein neues Sparkonzept über vertragsgemäß mindestens 11,5 Milliarden Euro verabschieden.

Die Drohung aus Brüssel und Berlin ist eindeutig: Wenn Griechenland sich nicht an die Auflagen der Troika hält, wird der Geldhahn zugedreht. Ein Staatsbankrott wäre die Folge, Griechenland müsse aus dem Euro ausscheiden und die Drachme wieder einführen. Ein Szenario auf das sich die Troika und die Banken inzwischen eingestellt haben. Der erste Schritt war der griechische Schuldenschnitt im März, mit dem die privaten Gläubiger Griechenlands gut hundert Milliarden Euro abgeschrieben haben. Außerdem steht inzwischen der Euro-Rettungsschirm ESM, so dass Griechenland nun auch zum Versuchskaninchen für den kontrollierten Staatsbankrott und die Stabilität der "Brandmauer" des Euro-Rettungsschirmes werden könnte. "Die Ansteckungsgefahren sind jetzt nicht mehr so groß wie vor einigen Monaten", sagte der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden lt. SPIEGEL.

Solidarität mit den Linkskräften Griechenlands
Angesichts des Drucks der Troika ist die Solidarität der europäischen Linken sowie all der für eine Neugründung Europas eintretenden Kräfte mit der griechischen Linken und insbesondere ihrer Forderung nach Aufhebung der Memoranden und der Schuldenabkommen eine absolute Notwendigkeit. "Es ist die unbedingte Verpflichtung der Europäischen Linken und ihrer Mitgliedsparteien, die Solidarität und die gemeinsamen Kämpfe mit den Widerstandskräften in Griechenland zu verstärken", bekräftigte Pierre Laurent, Vorsitzender der Europäischen Linken.

Für die DKP erklärte deren Vorsitzende Bettina Jürgensen in einem Schreiben an Synaspismos: "Ihr gebt der Vorstellung, dass ein anderes Europa möglich ist, neue Impulse. Diese Entwicklungen sind inspirierend und bestärken unser Engagement, für eine alternative Perspektive zusammenzuarbeiten. Für die Neuwahlen wünschen wir viel Erfolg, um eine linke Regierung zu bilden."

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Wir sprechen über Palästina

Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands (am 8. und 9. April findet beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung über die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord statt), die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

Onlineveranstaltung der marxistischen linken
Donnerstag, 18. April, 19 Uhr

https://us02web.zoom.us/j/82064720080
Meeting-ID: 820 6472 0080


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Logo Ratschlag marxistische Politik

Ratschlag marxistische Politik:

Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf

Samstag, 20. April 2024, 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr
in Frankfurt am Main

Es referieren:
Nicole Mayer-Ahuja, Professorin für Soziologie, Uni Göttingen
Frank Deppe, emer. Professor für Politikwissenschaft, Marburg

Zu diesem Ratschlag laden ein:
Bettina Jürgensen, Frank Deppe, Heinz Bierbaum, Heinz Stehr, Ingar Solty

Anmeldung aufgrund begrenzter Raumkapazität bis spätestens 13.04.24 erforderlich unter:
marxlink-muc@t-online.de


 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
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Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
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Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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