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Ecuador Lenin-siegt03.04.2017: Lenín Moreno gewinnt Stichwahl in Ecuador * bisheriger Präsident Rafael Correa: "die Rechte geschlagen, trotz ihrer Millionen und ihrer Medien * unterlegener Kandidat der Rechten erkennt Wahlergebnis nicht an * gewalttätige Ausschreitungen in Quito, Esmeraldas, Ibarra und anderen Städten * Pedro Páez: Linke muss sich aus 'struktureller Falle' befreien

 


Nach Auszählung von 97,91 Prozent der abgegeben Stimmen liegt der Kandidat der regierenden Alianza PAIS, Lenín Moreno, mit 51,15 Prozent (4.987.064 Stimmen) uneinholbar vor seinem Konkurrenten Guillermo Lasso von der rechten CREO-SUMA. Lasso kommt mit 4.763.247 Stimmen auf 48,85 Prozent.

Die Stichwahl am gestrigen Sonntag (2.4.2017) war notwendig, weil im ersten Wahlgang am 19. Februar keiner der Kandidaten die erforderlichen Stimmen für einen Wahlsieg erreichte (siehe "Lenin liegt vorne") Lenin Moreno kam mit einem Vorsprung von einer Million WählerInnen auf 39,35 Prozent, Guillermo Lasso von der neoliberalen CREO auf 28,10 Prozent der Stimmen.

In der Stichwahl standen sich mit Lenín Moreno und Guillermo Lasso nicht nur die Kandidaten zweier gegnerischer Parteien gegenüber, sondern die Wahl war die Abstimmung über zwei Modelle: Lenín Moreno steht für die Fortsetzung des sozialen Reformprozesses der zurückliegenden zehn Jahre, Guillermo Lasso für die neoliberale Restauration wie sie in Brasilien und Argentinien seit dem Vorjahr durchgesetzt wird. Vor diesem Hintergrund, der neoliberalen Gegenoffensive in Lateinamerika, ist das Ergebnis der Wahl nicht nur für Ecuador, sondern für ganz Lateinamerika von großer Bedeutung. Gewinnt Lenín, kann dies einen Wendepunkt der Serie der Niederlagen bedeuten, die die Linke in Argentinien, Brasilien, Kolumbien hinnehmen musste. Gewinnt der Banker Guillermo Lasso, beschleunigt sich die von den USA geförderte neoliberale Konteroffensive und die Rekolonialisierung des Kontinents; Bolivien, Venezuela, Cuba wären mit noch größeren Problemen konfrontiert, der progressive Zyklus auf dem lateinamerikanischen Kontinent gestoppt.

Vor diesem Hintergrund fanden Wahlkampf und Wahl in einem äußerst aggressiven politischen Klima statt. Guillermo Lasso hatte die Unterstützung des Weißen Hauses in Washington, der neuen rechtsgerichteten Regierungen in Brasilien und Argentinien, der ecudorianischen Großbourgeoisie mit ihren Medien. Die Drittplatzierte der Wahl vom 19. Februar, Cynthia Viteri (16,32 Prozent) von der Partido Social Cristiano hatte sofort nach der ersten Runde die Unterstützung ihrer Partei für Guillermo Lasso in der bevorstehenden Stichwahl erklärt.

Umso fataler, dass sich auch der Indigenenverbandes CONAIE oder der in der ersten Runde ausgeschiedene Paco Moncayo, der als gemeinsamer Präsidentschaftskandidat für die sozialdemokratisch orientierte Demokratische Linke, die Unidad Popular und das Movimiento de Unidad Plurinacional PACHAKUTIK angetreten war und 6,71 Prozent der Stimmen erzielt hatte, sich vor der Stichwahl gegen Präsident Rafael Correa und den Regierungskandidaten Moreno gewandt haben. Darauf angesprochen, sagte der ecuadorianische Wirtschaftswissenschaftler Pedro Páez in einem Interview mit der Zeitung 'Neues Deutschland': "Da ist viel Hass im Spiel, viele persönlichen Befindlichkeiten. Beide Seiten befinden sich seit Längerem in Konflikten und beide Seiten hätten damit anders umgehen können und sollen. Was ich aber nicht nachvollziehen kann, ist dieses völlig vergiftete politische Klima, die völlige Irrationalität, die ja so weit reicht, dass einige der von ihnen genannten Akteure, die sich als links bezeichnen, zuletzt den Kandidaten der neoliberalen Rechten, Guillermo Lasso, unterstützten, einem Banker, der nicht nur ein Vertreter von Opus Dei ist, sondern der als bekennender Neoliberaler ganz offen für die Abwicklung aller sozialen Errungenschaften der vergangenen Jahre eintritt."

"Wieder hat die Revolution triumphiert"

Trotz dieser ungünstigen Bedingungen konnte Lenìn Moreno die Stichwahl für sich entscheiden. Die Mehrheit hat für eine Fortsetzung des politischen Wandels stimmt. Das Ergebnis der Stichwahl lässt auf ein hohes Bewusstsein der Menschen schließen - wie auch schon beim Referendum, das parallel zum ersten Wahlgang durchgeführt wurde. Da haben sich 54,97% dafür ausgesprochen, dass gewählten MandatsträgerInnen und Staatsangestellten verboten wird, Vermögen in Steuerparadiesen anzulegen und Geldüberweisungen ins Ausland begrenzt werden. "Dieses kleine Ecuador stellt die Avantgarde im Kampf gegen Steuerparadiese", erklärte das Außenministerium zum Ergebnis des Referendums.

Ecuador Sieg Allianza-Pais"Wieder hat die Revolution triumphiert. Die Rechte ist trotz ihrer Millionen und Medien geschlagen", twitterte der bisherige Präsident Rafael Correa zum Ergebnis der Stichwahl. Lenìn Morena bedankte sich in der Hauptstadt Quito für das Vertrauen der WählerInnen und betonte, dass er Präsident aller EcuadorianerInnen sein wolle. "Von jetzt an arbeiten wir alle für das Land", sagte er. Überwindung der Unterernährung von Kindern, der Wohnungskrise, der extremen Armut  und der Korruption stehen auf der Agenda, so Moreno. Die Verbesserung der Hochschulbildung und bessere Zugangsmöglichkeiten zu Bildung für Alle stehen bei den Vorhaben der neuen Regierung ganz oben auf dem Plan.

Unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus Brasilien, Argentinien und Venezuela, wo die rechte Opposition die Menschen mit der Behauptung aufwiegeln, dass die linken Regierungen keine Stabilität erzeugen könnten, schlug Lenín Moreno einem "Runden Tisch der Regierbarkeit für Ecuador" vor. Die erste Reaktion des unterlegenen Rechtskandidaten Guillermo Lasso und seiner AnhängerInnen deuten darauf hin, dass die Rechte auch in Ecuador die Destabilisierungsstrategie verfolgt. Nachdem die Oberste Wahlbehörde das Ergebnis bekannt gab, erklärte Lasso, dass es sich um einen Wahlbetrug handle und er das Wahlergebnis nicht anerkenne. In verschiedenen Städten kam es zu Gewaltausbrüchen von Seiten der AnhängerInnen von Guillermo Lasso.

Pedro Páez: Linke in einer "strukturellen Falle"

Für den ecuadorianischen Wirtschaftswissenschaftler Pedro Páez steht die neue Regierung vor enormen Herausforderungen. Pedro Páez ist Präsident der Behörde zur Kontrolle der Marktmacht und war von 2007 bis 2008 Wirtschaftsminister im ersten Kabinett von Präsident Rafael Correa. Pàez weist schon seit langem darauf hin, dass die progressiven Regierungen Lateinamerikas andere wirtschafts- und  finanzpolitische Instrumente brauchen, um ein linkes politisches Projekt realisieren zu können. ( siehe z.B. sein Diskussionsbeitrag beim Kongress der Europäischen Linken)

In einem aktuellen Interview mit der Zeitung 'Neues Deutschland' verweist er darauf, dass es in den vergangenen 15 Jahren zwar eine Verminderung der Ungleichheit und Armut gegeben hat, aber Lateinamerika ein ungleicher und armer Kontinent bleibt. Páez: "Hinzu kommt, dass die Dynamik der lateinamerikanischen Märkte bislang positiven Skaleneffekten in der Massenproduktion ebenso entgegensteht wie der Industrialisierung oder dem Aufbau neuer Wirtschaftszweige, allein schon, weil die Kaufkraft zu gering ist. Die Herausforderung liegt also darin, den Aufschwung ebenso zu bewahren wie den Frieden. Denn eines ist klar: Das konservative Lager hat nichts anzubieten als eine höhere Verschuldung, Arbeitslosigkeit, soziale Ungleichheit, mehr Steuer- und Wechselkursprobleme und weniger Souveränität. Langfristig kann das nicht nur die sozialen Konflikte schüren, sondern diesen lange friedlichen Kontinent sogar wieder ins Zentrum geopolitischer Konflikte rücken."

Das große Problem sei, so Páez, dass sich die progressiv regierten Länder Lateinamerikas "in einer strukturellen Falle befinden, die von Linken eingehender analysiert werden sollte. Es gibt ein Defizit an politischem und wirtschaftswissenschaftlichem Theorieverständnis, um zu erfassen, wie die Makroökonomie die Programme und Pläne progressiver Regierungen einengt. Und ich meine damit nicht diese oft geäußerte Kritik am Extraktivismus, sondern auf die Notwendigkeit, eine neue Finanzarchitektur zu schaffen."

Páez sagt, dass die Linken in Lateinamerika "politische Prozesse vorantreiben, die kaum Raum und Instrumente haben, um sich zu entwickeln. In den Jahren zuvor sind alle Handlungsspielräume eingeengt worden, etwa in der Währungs-, Wechselkurs- oder Steuerpolitik. Es muss also in erster Linie darum gehen, Mechanismen zu studieren, die neue Freiräume schaffen. Ein großer Teil der Linken sieht diesen Prozess aber als Automatismus. Aber der Kampf um makroökonomische und finanzielle Souveränität verlangt das Studium der Wertlehre, der Rolle des Geldes, der Wechselkurse. Auf diesem ganzen Feld ist viel nachzuholen. Vor rund 50, 60 Jahren war die lateinamerikanische Linke da ganz anders aufgestellt, damals gab es die Dependenztheorie, die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) wurde aufgebaut, marxistische Strömungen waren im Wettstreit. Aber all das ist eingeschlafen und einer postmodernen Agenda gewichen, die sich in Fragen von Identität und Subjektivität flüchtet, ohne den Anspruch zu haben, die objektiven Verhältnisse zu ändern. … Ich denke, dass wir die strukturelle Krise des Kapitalismus nutzen müssen, dass wir sie als ebenbürtigen Gegner anerkennen müssen. Denn im Kern sind doch viele aktuelle Phänomene - die Wahl von Trump, der Brexit - Produkte einer Krise der Überproduktion, die die Existenz bisheriger Eliten in Frage stellt. Diese Erkenntnis sollte nicht nur bei der Linken reifen."


fotos: Alianza PAIS


siehe auch

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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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