Analysen

isw-spezial30 Klima07.02.2016: Wer den "alternativen Fakten" eines Donald Trump anhängt, dass der Klimawandel von den Chinesen erfunden wurde, der wird sich auch durch dieses Heft des isw nicht von seinem Glauben abbringen lassen. Allen anderen aber gibt dieses isw Spezial Argumente für den Kampf gegen den Klimawandel in die Hand. Denn Fakt ist: Die Zeit rennt davon. Die Erde erwärmt sich auf bedrohliche Weise. Niemand weiß, wann der unumkehrbare Kipppunkt erreicht ist. Und doch werden mit der kapitalistischen Produktions- und Konsumtionsweise Ressourcen verbraucht und das Klima erhitzt, als gebe es kein Morgen. Und es wird kein Morgen geben, wenn nicht jetzt ein radikaler Wandel eingeleitet wird.

 

In der fakten- und ideenreichen Untersuchung belegt Franz Garnreiter die Beobachtung von Naomi Klein: "Uns bleibt nur die Wahl zwischen zwei Extremen: Zuzulassen, dass der Klimawandel unsere Welt von Grund auf ändert, oder unsere Wirtschaft von Grund auf zu ändern, um diesem Schicksal zu entgehen." Dem ersten Extrem nähern wir uns schnell.

Garnreiter legt zunächst dar, dass mit der bisherigen Klimaschutzpolitik die Verhinderung einer katastrophalen Klimaentwicklung keine Chance hat. Seit dem sogenannten Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 ist ein Vierteljahrhundert vergangen, seither wurden jährlich Folgekonferenzen zur Klimaschutzpolitik abgehalten, seither wurde die Störung des Klimasystems nicht nur nicht abgebremst, sondern massiv forciert. Selbst wenn die Versprechungen der Pariser Klimakonferenz tatsächlich eingehalten würden, reichte das nur hin, um die weltweite Temperaturerhöhung auf 3 Grad Celsius zu begrenzen.

Sein erstes Kapitel überschreibt der Autor: Mit aller Kraft zerstören wir die Welt unserer Kinder. Mit der Wahl Trumps zum US-Präsidenten hat das Zerstörungswerk weiter an Kraft gewonnen. Der New Yorker Immobilienmilliardär erklärte per Twitter: "Dieses Konzept der Erderwärmung haben sich die Chinesen ausgedacht, um die US-Industrie als Konkurrenz abzuhängen."

USA Trump Twitter Klimawandel

Folgerichtig hat Trump Harold Hamm als zukünftigen Energieminister auserkoren. Hamm gilt als "King of Fracking", der 16fache Milliardär ist Chef einer der größten Erdölfirmen im relativ neuen Fracking-Geschäft, mit dem die USA zum Erdölexporteur wurden. Hamm bildet eine Gewähr dafür, dass erneuerbare Energien in den USA fürs Erste keine Chance erhalten und die Beschlüsse der Klimagipfel Makulatur bleiben, was den führenden Schadstoffemittenten USA anlangt. Einen kongenialen Regierungskollegen kann Hamm in dem voraussichtlichen Umweltminister Myron Ebell [1] sehen , der den menschengemachten Klimawandel leugnet und sagt: "Klimaveränderungen liegen in Gottes Hand. Es wurde schon immer mal etwas kälter und etwas wärmer." (Anm.: siehe auch "Bau der Dakota Access Pipeline")
[1] inzwischen wurden der Lobbyist der Kohle- und Erdölindustrie Scott Pruitt, für den der Klimawandel "wissenschaftlich umstritten" ist, zum Umweltminister und der religiöse Fanatiker und Klimawandelleugner Rick Perry zum Energieminister ernannt.

Kapitel 2 stellt den sogenannten Budgetansatz vor. Das IPCC, der Weltklimarat der UNO, sagt, dass in den nächsten Jahrzehnten eine bestimmte maximale Emissionsmenge von Treibhausgasen nicht überschritten werden darf, will man die Klimaänderung auf ein Maximum von 2 °C Erwärmung begrenzen. Wie realistisch ist es angesichts der bisherigen Entwicklung, dieses Emissionsmaximum einzuhalten, wie scharf sind die Anforderungen? Es zeigt sich, dass dieses Limit nur bei krasser Umkehr der klimapolitischen Praxis einhaltbar ist.

Kapitel 3 fragt nach den Verursachern der Klimaentwicklung und nach den darunter Leidenden. Es stellt sich heraus, dass das Zehntel der Menschen mit den höchsten Emissionen heute fast die Hälfte zu den weltweiten Emissionen beiträgt, während die Hälfte der Menschen mit den niedrigsten Emissionen nur wenig mehr als ein Zehntel beiträgt. Und zudem ist diese Hälfte, die an der Klimazerstörung den geringsten Anteil hat, am meisten und schlimmsten von den Folgen betroffen.

Kapitel 4 seziert die Klimaschutzpolitik in Deutschland, dem selbsternannten Klimaschutz-Weltmeister. In diesem Land wird sehr viel versprochen, während die reale Politik weit, weit hinter den Notwendigkeiten zurückbleibt

Kapitel 5 weist auf die Grundprobleme dieses Gesellschaftssystems hin: das systematische Verfehlen nachhaltiger Entwicklung in einer Marktwirtschaft; das führende Prinzip der totalen Konkurrenz, das solidarischem und gemeinsamem Handeln entgegen-steht; die zunehmende Produktion von Verlierern, die die Gesellschaft spaltet.

Kapitel 6 schließlich versucht, einige Ansatzpunkte zu skizzieren, wo eine wirkliche Klimaschutzpolitik beginnen müsste. Wenn Franz Garnreiter im Schlusskapitel feststellt, dass Klimaschutz möglich, aber eine andere Welt dafür nötig ist, dann gehört zu dieser anderen Welt vor allem, dass die Milliardäre, Umweltverschmutzer und Klimawandelleugner à la Trump, Hamm und Co. von der politischen Macht vertrieben werden.

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KLIMAZERSTÖRUNG - Die Verantwortungslosigkeit kapitalistischer Gesellschaften

Inhalt
Editorial
1. Einleitung: Mit aller Kraft zerstören wir die Welt unserer Kinder
2. Budgetansatz: Wieviel kann noch halbswegs klimaverträglich verheizt werden?
  2.1  Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den Treibhausgasemissionen und den Temperaturerhöhungen?
  2.2  Wie lange bleiben wir noch im Bereich klimaverträglicher Emissionen?
  2.3  Wieviel Kohle, Öl und Gas müssen wir im Boden lassen?
3. Jeder ist seines Glückes Schmied? Die Verursacher und die Betroffenen des Klimawandels
  3.1  Die ausgesprochen ungleiche Verteilung der Emissionen auf die Menschen
  3.2  Graue Emissionen – die Wirklichkeit ist noch ungleicher als die Emissionsstatistiken
  3.3  Die ausgesprochen ungerechte Verteilung der Klimabelastungen auf die Menschen
4. Deutsche Klimapolitik – jämmerlich und unglaubwürdig
  4.1 Quellen und Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland
  4.2 Deutsche Klimapolitik vor der Pariser Klimakonferenz 2015
  4.3 Exkurs: Die Klimakonferenz in Paris – wirklich ein Grund zum Feiern?
  4.4 Deutsche Klimapolitik nach der Pariser Klimakonferenz 2015 – der Klimaschutzplan
  4.5 Perspektive Geoengineering: Klimawandel plus verantwortungslose Hasardspiele
5. Kritik der kapitalistischen Marktwirtschaft
  5.1 Funktionsprobleme der Marktwirtschaft: Systematisches Verfehlen nachhaltiger Entwicklung
  5.2 Vom homo oeconomicus zur aggressionsfördernden Ideologie
  5.3 Andauernde und zunehmende Produktion von Verlierern
6. Klimaschutz erfordert eine neue, nicht marktgesteuerte Art des Wirtschaftens
  6.1 Grundsätze einer Umkehr zu nachhaltiger Klimaschutzpolitik
  6.2 Elemente einer wirklichen Klimaschutzpolitik im Energiebereich
  6.3 Bewusstseinsänderung dringend notwendig
7. Klimaschutz ist möglich – eine andere Welt ist dafür nötig

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