Analysen

isw report99 cover11.12.2014: Ihrem neuen Buch "This Changes Everything" (Das ändert alles) gab Naomi Klein (mit "No Logo" hat sie die Bewegung gegen die neoliberale Globalisierung befeuert) den zweiten Titel: Kapitalismus gegen das Klima. Ihre global belegte Grundaussage: Der Freie-Markt-Fundamentalismus ist dabei, den Globus zu überheizen. Die isw-Autoren Garnreiter/Selinger weisen diesen Zusammenhang detailliert für Deutschland nach: Die Konzerne sind dabei, die vor allem nach dem Atomreaktorunfall in Fukushima in Gang gesetzte Energiewende abzuwürgen. Seit 2009 steigen die CO2-Emissionen wieder, der bei weitem überwiegende Teil der das Klima killenden Treibhausgase.

Als Haupt-Blockierer erweisen sich die Haupt-Schädlinge für Klima und Sicherheit der Bevölkerung, die Konzerne der Atomindustrie und der Braunkohle mitsamt ihren politischen und medialen Hilfstruppen. Die Atomkonzerne versuchen, die Politik der Energiewende mit absurd hohen Schadensersatzforderungen zu kippen. EON, RWE und Vattenfall klagen gegen das Atomausstiegsgesetz von 2011, es handele sich um einen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsrechte ihrer Firmen, und sie verlangen eine Entschädigung von rund 15 Milliarden Euro. Der schwedische Vattenfall- Konzern allein hat die deutsche Regierung vor einer Unterorganisation der Weltbank in einem geheimen Schiedsverfahren auf Schadensersatz über 4,7 Milliarden Euro verklagt. Die Bundesregierung zeigt sich dieser Erpressungspolitik der Konzerne gegenüber zunehmend gefällig. Mit TTIP (dem Freihandelsabkommen USA-EU) würde das Klagerecht der Konzerne gegen profitmindernde Gesetze zur internationalen Norm, und der Bundeswirtschaftsminister will die Laufzeiten der Kohlekraftwerke offenbar verlängert sehen.

Der Report untersucht den langwährenden internationalen und nationalen Prozess, wie die Energie- und Klimaschutzpolitik sich während der letzten beiden Jahrzehnte entwickelt hat und wie es schließlich zur "Energiewende" in Deutschland kam. Er untersucht die Propaganda der Unternehmen, dass die Konzerninteressen auch auf dem Energiesektor letztlich den allgemeinen gesellschaftlichen Interessen entsprechen. Das Ergebnis: Die Konzerninteressen stehen im Gegenteil vielfältig konträr zu den gesellschaftlichen Interessen. Gerade im Energiebereich hat sich ein Konglomerat von monopolartigen Anbieter- wie Nachfragekonzernen entwickelt. Hier ist die angebliche "Marktwirtschaft" zu einer Machtwirtschaft geworden, die die wirtschaftlichen wie die politischen Prozesse dominiert.

Deshalb braucht eine wirkliche Energiewende den Aufbau einer alternativen Energiewirtschaft. Energieträger, eng verbunden mit den klassischen öffentlichen Gütern Klimaschutz, Frieden und dem anzustrebenden stabilen Rohstoffreichtum, dürfen nicht länger als marktfähiges, nach Profitgesichtspunkten bearbeitetes Gut behandelt werden – die Energiewirtschaft produziert öffentliche Güter, ähnlich wie das Bildungsund Gesundheitswesen. Deshalb gehört zum Ziel der Energiewende der Aufbau einer alternativen Energiewirtschaft, die vergesellschaftet und demokratisch organisiert werden muss. Anknüpfungspunkte hierzu finden sich heute mit den vielen Hunderten kommunalen Stadtwerken und der großen Menge an genossenschaftlich organisierten Energiebetrieben.

Der Kampf um eine substantielle Energiewende in Deutschland darf auf keinen Fall mit dem Hinweis auf notwendige internationale Regelungen verlangsamt oder vertagt werden: "Global denken, lokal handeln". Die internationale Dimension des Problems ist allerdings offenkundig. Nach dem Jahr 2000 ist der jährliche Zuwachs an CO2-Äquivalenten global höher als zuvor. Die Schlussfolgerung: auf allen politischen Ebenen, der nationalen wie der internationalen, die Aktivitäten gegen den menschengemachten Klimawandel intensivieren.

Inhaltsübersicht

I. Grundlagen der Energiewende in Deutschland – wie es zur "Energiewende" kam

II. Energieproduktion und -verbrauch in Deutschland; Entwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes

III. Die Konzerne blockieren die Energiewende – wir brauchen den Neuaufbau der Energiewirtschaft

  1. Die Energiewirtschaft: Marktdefizite und Machtwirtschaft
  2. Blockade der Energiewende durch Atomstrom und Braunkohlestrom
  3. Maßlose gesellschaftliche Subventionierung der Strom-Größtverbraucher
  4. Niedrigststrompriese für die internationale Konkurrenzfähigkeit?
  5. Exkurs Atomausstieg: Rache und billige Tricks der Atomkonzerne
  6. Gegen die Konzerninteressen, Neuaufbau der Energiewirtschaft

IV. Widerstand und Forderungen

isw-report 99
40 Seiten
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Quelle: isw München