Analysen

spezial26_coverPassend zur öffentlichen Auseinandersetzung über die Rolle der sogenannten Finanzmärkte über Armut und Reichtum in der Welt und in diesem Land („Deutschland, Deine Reichen“, Spiegel vom 27. 2. 2012) legt das Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. (isw) eine neues isw-Spezial „Die Herren des Geldes – Reichtum und Macht der 1 %“ vor. Unter anderem beschäftigt sich das hochinteressante isw-Spezial mit den Themen: Globale Vermögensentwicklung, Deutschland: Eine Million Millionäre; Schuldenkrise – Kehrseite des übermäßigen Aufbaus der Vermögen; Die Verbankerung der Politik; Die Macht der Institutionellen Anleger; Das Netzwerk der Konzernmacht: 147 Konzerne regieren die Welt. Im Anhang wird die „Krise der Verteilung“ aufgearbeitet mit Daten, die wichtig sind für die anstehenden Lohnrunden (z. B. die Primärverteilung zwischen Arbeit und Kapital, die abstürzende Lohnquote). Der Vorabdruck von Auszügen der Broschüre in der UZ vom 02.03.2012 hat zu kritischen Leserbriefen in der UZ geführt. In der neuen UZ antworten darauf der Autor der Broschüre, Fred Schmid, und Conrad Schuhler, Vorsitzender des isw.

Wir veröffentlichen deshalb das Editorial und das 4. Kapitel "Geld regiert die Welt": Die Verbankerung der Politik.

Editorial

Die Occupy-Bewegung hat in der zweiten Jahreshälfte 2011 der Öffentlichkeit in den westlichen Industrieländern ins Stammbuch gehämmert, dass den "Herren des Geldes" die 99 % der Bevölkerung entgegenstehen, die ohne Vermögen, ohne Reichtümer da stehen und Jahr für Jahr weniger erhalten. Die nachdrücklich angekündigt haben, dass sie diese Aufsplittung in immer größeren Reichtum einerseits und immer mehr Armut andererseits nicht länger hinnehmen wollen. Die laut und vernehmlich die Klassenfrage stellen: Wie lange noch kann sich eine skrupellose Bande von Millionären und Milliardären die Reichtümer der Welt aneignen und die große Mehrheit der Menschheit zu einem immer kümmerlicheren Los verurteilen?

Das vorliegende isw-Spezial belegt, dass die Zahlen 99 % gegen 1 % tatsächlich die Reichtumsverteilung auf der Welt und die in Deutschland aufschlüsselt. In Deutschland besitzen die eine Million (Dollar-) Millionäre so viel an Geldvermögen wie die übrigen über 81 Millionen Deutschen. Weltweit haben sich die globalen 12,5 Millionen Millionärshaushalte 39 % des globalen Reichtums angeeignet. Und der Reichtum an der Spitze nimmt immer schneller und heftiger zu. 2010, ein gutes Jahr nach dem von der Investmentbank Lehman Brothers ausgelösten Finanzschock, stiegen die Millionärsvermögen um 13,9 %. Die reale Wirtschaft stagniert, die Staaten versinken im Schuldensumpf, aber die Vermögen der Millionäre und Milliardäre blühen in zweistelligen Prozentzahlen.

Diese Entwicklungen gehören zusammen. Die reale Wirtschaft stagniert, weil die Gelder in die Vermögensverwaltung der Reichen fließen und dort in Finanzprodukten angelegt werden, längst nur zum kleinsten Teil in realen Investitionen. Und die Staatsschulden sind die Kehrseite der großen Vermögen – Schulden und Vermögen sind immer zwei Seiten der selben Medaille, und in unseren Jahren gehört die Misere der öffentlichen Finanzen – Stichwort "Staatsanleihen" – und die Blüte des Millionärsreichtums zusammen. Die Frage wird sein, wie der öffentliche Sektor die zur Verteidigung des Finanzsektors aufgebotenen Milliarden und Billionen Euro und Dollar in der Zukunft finanzieren kann. Die künftige Verzinsung ist den "Herren des Geldes" schon garantiert.

Die isw-Studie argumentiert, dass die Schuldenkrise nur lösbar ist, wenn die Vermögen reduziert werden. Statt die öffentlichen Tätigkeiten zu reduzieren oder gänzlich den Staatsbankrott auszurufen oder aber durch permanente Zentralbankkredite die Schulden "wegzuinflationieren", müssen die Steuereinnahmen erhöht werden, und zwar vor allem durch eine drastische Besteuerung der hohen Vermögen.

Ist das durchsetzbar? Eine Analyse der ETH Zürich führte jüngst zu dem Ergebnis, dass 147 Konzerne den größten Teil der Weltwirtschaft regieren, und dass unter den ersten 50 dieser Konzerne 49 aus dem Finanzsektor kommen. Jeder finanz- und steuerpolitische Fortschritt muss gegen deren ebenso erbitterten wie kompakten Widerstand durchgesetzt werden. Wir brauchen dringend Argumente für die geld- und finanzpolitische Diskussion, die wir hiermit vorlegen. Wir brauchen aber gerade so die Entwicklung sozialer und demokratischer Potentiale, die direkt in die politische Auseinandersetzung eingreifen können. Es wird ein Kampf der Argumente und vor allem ein Aufbieten an politischer Kraft.

4. "Geld regiert die Welt": Die Verbankerung der Politik

Die Geldaristokratie wird ihre Privilegien mit Klauen und Zähnen verteidigen. Und sie hat die Macht dazu. Der einzelne Multimillionär ist allenfalls ein Symbol sozialer Ungerechtigkeit angesichts Millionen Armer. Doch seine Millionen im Inkasso von Banken, Versicherungen, Fonds und professionellen Vermögensverwaltern bedeuten Macht. Der Löwenanteil des privaten Geldvermögens ist von den so genannten Kapitalsammelstellen aufgesogen. In Deutschland sind von den fast fünf Billionen Euro Geldvermögen 35 % bei Banken, 25,9 % bei Versicherungen, 12,1 % bei Investmentfonds, 11,6 % in Aktien, 9,7 % in Renten und Geldmarktpapieren und 5,7 % in Pensionsrücklagen angelegt.

Den Finanzkonzernen wachsen so riesige Geldmassen zu. Sie verwenden sie zur Kreditvergabe, als Kapitalanlagen (z.B. in Form von Aktien, Investmentzertifikaten und festverzinslichen Wertpapieren) und zur Spekulation auf den Finanzmärkten. In der Konzentration in den Finanzkonzernen wird Geld zur Macht. In Form von Leihkapital, als Institutionelle Anleger, mit dem Depotstimmrecht der Banken und dem Privileg der Aktienemission und des Börsenhandels, sichert sich das Finanzkapital beherrschenden Einfluss auf Unternehmen und Konzerne. Als Emitteur und Haupt-Zeichner von Staatsanleihen erhält es ein entscheidendes Mitspracherecht bei der Finanz- und Haushaltspolitik der Staaten. Im Zuge der Schuldenkrise der kapitalistischen Staaten wurden demokratische Rechte und die Souveränität ganzer Staaten eingeschränkt und Weichen in Richtung einer Finanzdiktatur gestellt. Mit der Aufnahme der "Schuldenbremse" in das Grundgesetz der BRD, erhält die Bedienung der Geldvermögen quasi Verfassungsrang. Sie wurde von Merkozy de facto auch den anderen Euro-Ländern aufoktroyiert. Die Souveränität und der Gestaltungsspielraum der Parlamente wurde minimiert. Der Bundestag behält z.B. das Recht, über eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um drei Euro wochenlang zu debattieren, die großen Finanzentscheidungen aber fallen in anderen Gremien. Rettungspakete über zig- Milliarden Euro für die Banken wurden in Nacht- und Nebelaktionen von einem exklusiven Zirkel bestehend aus der Kanzlerin, dem Finanzminister, zwei Privatbankern und zwei Staatsbankern beschlossen. Das Parlament hat sich entmündigen, sich sein originäres und zentrales Recht, das Budgetrecht weitgehend nehmen lassen. Der Souverän der Politik sind heute die Banken und Finanzkonzerne. Als "Urteil der Finanzmärkte" heben und senken sie den Daumen über ganze Volkswirtschaften. Es hat eine totale Verbankerung der Politik stattgefunden. Gar nicht zu reden von den "Problemländern" innerhalb der Euro-Zone. Über deren Wirtschafts- und Finanzpolitik bestimmen heute "System"-Banken und die "Troika" aus EZB, IWF und EU-Kommission. In Italien (Mario Monti, Corrado Passera) und Griechenland (Lukas Papademas) haben Banker direkt die Regierungsgeschäfte übernommen, in anderen Ländern schicken sie sich an.

Die Macht der Institutionellen Anleger

Die entscheidende Macht in der Wirtschaft üben heute die Institutionellen Anleger aus. Sie sind die Schwergewichte auf den Finanzmärkten. Institutionelle Anleger sind Finanzunternehmen, die wie Banken Gelder von Individuen oder auch Unternehmen einsammeln. Anders als Geschäftsbanken reichen sie die Gelder nicht als Kredite weiter, sondern tätigen damit Finanzinvestments über die Kapitalmärkte: sie legen die Gelder in Aktien, Anleihen, Derivaten oder anderen handelbaren Schuldpapieren an. In der Regel bilden sie ein Portfolio aus verschiedenen Vermögenswerten und streben damit eine möglichst hohe Gesamtrendite an.

Zu den drei großen Gruppen von Institutionellen zählen Investmentfonds, Pensionsfonds und Versicherungen. In Deutschland sind auch die Universalbanken häufig noch als institutionelle Anleger tätig, ihr Anteil am Aktienbesitz ist aber zurückgegangen. Zunehmend werden andererseits Professionelle Vermögensverwalter – meist als Geschäftszweig von Banken und Versicherungen – als Institutionelle Anleger tätig.

Bis Mitte der 90er Jahre haben Institutionelle Anleger ihre Vermögen weitgehend in inländische Papiere investiert. Heute werden zunehmend internationale Anlagestrategien bevorzugt. Das erklärt auch den wachsenden Einfluss US-amerikanischer und britischer Institutioneller Anleger auf die im DAX gelisteten Konzerne, bedingt vor allem durch die gewachsenen und gigantischen Geldvolumina der Pensionsund Investmentfonds infolge der privaten und kapitalmarktgedeckten Altersvorsorge. Mit wenigen Ausnahmen haben die Institutionellen bei den 30-Dax- Konzernen die Aktienmehrheit.

Die Aktionärsstruktur hat sich in allen Ländern in den vergangenen Jahren stark verschoben. Zusammen mit den Banken hatten die Institutionellen in Deutschland im Jahr 2009 einen Anteil von 47,2 % am gesamten Aktienbesitz (13.122 Aktiengesellschaften). Sie konzentrieren sich jedoch auf die großen und börsennotierten AGs, insgesamt 692 (September 2010). Knapp 30 Jahre davor betrug der Anteil der Institutionellen und Banken 27,5 %. Damals war der Einfluss der Privathaushalte auf die Aktiengesellschaften noch relativ groß: 1980: 21,2 %. Das waren vor allem die großen Familiendynastien. Der Anteil der Privathaushalte ist bis 2009 auf 9,3 % geschrumpft. Noch stärker ist der Vormarsch der Institutionellen in den USA ausgefallen. 1970 betrug ihr Anteil (ohne Banken) am gesamten Aktienbesitz 20,9 %; im Jahr 2002 – neuere Daten liegen dem deutschen Aktieninstitut (DAI) nicht vor – bereits 58,6 %.

Der Einfluss der Institutionellen Anleger auf die Geschäftspolitik ist erheblich. Sie üben ihn nicht in erster Linie über die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft aus. Auf den HV fallen keine Entscheidungen von Bedeutung. Hier werden die Kleinaktionäre in jeder Beziehung mit Würstchen abgespeist.

Die Entscheidungen fallen auf den so genannten Investoren- und Analysten-Konferenzen des Vorstandes, zum Teil auch in Einzelgesprächen mit Großinvestoren. Die Bayer AG z.B. führte 2011 acht Investorenkonferenzen durch, teilweise als Telefon- und Videokonferenzen. Zudem gibt es gebündelte Stimmrechtsvertretungen für Institutionelle Anleger, wie etwa die International Shareholder Services (ISS), was vor allem bei Auslandsbeteiligungen der Investoren von Bedeutung ist. Laut Thomas von Oehsen, dem Deutschland-Chef der ISS kontrollieren ISS-Kunden bis zu 15 Prozent des Aktienkapitals einzelner Dax- Gesellschaften. Gerade bei Unternehmen mit hohem Streubesitz – bei etwa zwei Drittel der Dax-Konzerne beträgt der Streubesitz mehr als 70 Prozent – verfügt das ISS über großen Einfluss. Die niedrige Präsenz auf den Hauptversammlungen erhöht das Gewicht dieser gebündelten Stimmrechte schon im Vorfeld.

Deutschlands größter Aktionär – ein Amerikaner

Von besonderem Gewicht sind die Vermögensverwaltungen (Asset Management) aufgrund der ungeheuren Geldmassen, die sie verwalten und investieren können. Die weltweit zehn größten Vermögensverwalter können über eine Gesamtsumme von 12,1 Billionen Euro verfügen.

Joachim Faber, der Fondsmanager des zweitgrößten Vermögensverwalters weltweit, der Allianz Global Investors, ist Herr über 1,5 Billionen Euro. Die Allianz Global Investors ist stark bei Anleihen, aber schwach bei Aktien. Ihre 100%ige Tochter-Kapitalanlagegesellschaft PIMCO (Pacific Investment Management Company) gilt als der weltweit größte Aufkäufer von Staatsanleihen. Ihr Invest oder Desinvest bei Staatsanleihen kann entscheidend für die Refinanzierung von Staaten sein. Sie gehört zu den Instanzen, die das berüchtigte "Urteil der Märkte" fällen.

Der weltgrößte Vermögensverwalter, der Finanzdienstleister und ISS-Kunde Blackrock ist umgekehrt stark in Aktien engagiert. Das ’Handelsblatt’ (1.6.11) zählt ihn zu den "heimlichen Herren des Dax". Blackrock ist eigenen Angaben zufolge an allen 30 Dax- Konzernen beteiligt, bei 21 davon mit mehr als dem meldepflichtigen Drei-Prozent-Anteil. Der "US-Fonds Blackrock ist Deutschlands größter Aktionär" titelt die ’Welt’ (20.1.11). Und der Vermögensverwalter stockt seine Beteiligungen laufend weiter auf; z.B. bei der Deutschen Bank von 4,72 % (2009) auf inzwischen 9 % (FAZ, 27.8.11), womit Blackrock größter Einzelaktionär bei der Großbank ist; Credit Suisse hält 3,9 %, der Rest ist Streubesitz. Bei Siemens stockte Blackrock von 3,9 % (1.7.11) auf 5,01 % (FAZ, 27.8.11) auf, womit Blackrock nach der Siemens-Familie (6 %) jetzt zweitgrößter Einzelaktionär ist; bei Daimler von 3,9 % (Dezember 2009) auf jetzt 5,72 %: nach den Scheichtümern Abu Dhabi (9,1 %) und Kuwait (6,9 %) ist er dort drittgrößter Aktionär. Bei der Allianz, dem größten Konkurrenten im Finanzgeschäft der Vermögensverwaltung, ist Blackrock mit 6,2 % beteiligt, vor Axa mit 3,0 % – der Rest ist Streubesitz. Der größte Rückversicherer der Welt, Munich Re (Münchner Rück), ist praktisch in der Hand von drei US-Fonds/Vermögensverwaltern: Warren Buffets Berkshire Hathaway: 11 %, Blackrock 6,2 % und dem USVermögensverwalter Alliance Bernstein 3,1 % – zusammen 20,3 %; der Rest ist Streubesitz. Bei BASF wiederum ist Blackrock mit 6,7 % größter Einzelaktionär, ebenfalls bei e.on 6,5 %, bei Bayer 5,3 % (zweitgrößter nach der US-amerikanischen Capital Research: 10,0 %), RWE 5,5 % (zweitgrößter), Linde 4,3 % (größter), SAP 4,7 % (viertgrößter), Lufthansa 5,1 % (größter); die Liste lässt sich fortsetzen. Insgesamt verwaltete Blackrock Mitte 2011 ein Vermögen von 2,65 Billionen Euro, inzwischen dürfte die Drei- Billionen-Grenze überschritten sein. 2,65 Billionen Euro, das ist mehr als das gesamte deutsche BIP 2011 (2,57 Bio. Euro) oder in Dollar umgerechnet: ca. 3,6 Billionen US-Dollar – mehr als die gesamten chinesischen Devisenreserven: (3,18 Billionen Dollar Ende 2011). Mit seinem verwalteten Vermögen könnte Blackrock rein theoretisch alle 30 Dax-Konzerne viermal aufkaufen, und zwar hundertprozentig. Die Börsenkapitalisierung der 30 Blue Chips an den deutschen Börsen betrug Mitte Januar 650 Milliarden Euro. Niemand sonst in der Welt beherrscht soviel Geldkapital.

Von strategischer Bedeutung für die Macht und Anlagepolitik von Blackrock sind dessen Aktienanteile an den beiden größten Rating-Agenturen Standard & Poors und Moodys. Bei ersterer ist Blackrock zweitgrößter Aktionär (5,4 %), bei der zweiten drittgrößter mit 6,9 %. Diese enge Verflechtung lässt berechtigte Zweifel an dem unabhängigen Rating der selbsternannten Bonitätswächter aufkommen. Auch ein gewisses Insiderwissen dürfte sich daraus ergeben.

Dax-Aktien: Mehr als die Hälfte in Auslandsbesitz

Die Aktien der großen Börsenkonzerne befinden sich immer stärker in ausländischer Hand. Der Anteil ausländischer Aktionäre an den Dax-Konzernen stieg 2010 auf 55,8 %, wie das ’Handelsblatt’ (20.1.11; und Wiwo 23.1.12) berechnete. Fast allesamt Institutionelle Anleger. Die Tendenz ist dabei entscheidend, nicht das eine Prozent hin oder her. Vor 15 Jahren war der Auslandsanteil noch nicht halb so groß. Wie deutsch ist die Deutsche Bank? Sie selbst schreibt in ihren Investor Relations über das Geschäftsjahr 2009: "Vor allem in den USA stockten institutionelle Anleger (einschließlich Banken) ihre Bestände auf; der US-Anteil erreichte erstmals 16 %." Insgesamt ist der Auslandsanteil auf 54 % (2008: 45 %) gestiegen, dem ein entsprechend auf 46 % (2008: 54 %) verringerter Inlandsanteil gegenübersteht. Erhöhung bzw. Verringerung um 9 Prozentpunkte binnen eines Jahres, das lässt die Dynamik erahnen (2010: 53 % Ausland; 47 % Inland). Insgesamt befanden sich von den 641.000 Aktien 75 % im Portefeuille von Institutionellen Anlegern. Unter den neun größten Einzelaktionären, die zusammen etwa 25 % des Aktienkapitals halten, sind sechs aus dem Ausland; darunter Blackrock, Credit Suisse, Capital Group und Societé Générale mit zusammen 17 % (FAZ 27.7.11). Nach Börsengerüchten ist Großspekulant und Investor Warren Buffet an einem Anteil von zehn Prozent an der Großbank interessiert (SZ, 15.9.11).

Die ausländischen Institutionellen machen durchaus ihren Einfluss geltend. Das hatte sogar Deutschlands mächtigster Manager, der Schweizer Josef Ackermann, zu spüren bekommen, als er sich zum Aufsichtsratsvorsitzenden küren wollte. Im November

verzichtete er überraschend auf einen Wechsel an die Spitze des Kontrollgremiums. Gegen den Wechsel vom Vorstandsboss zum AR-Chef gab es von vornherein Kritik. Für seine Nominierung hätte Ackermann 25 Prozent der Stimmrechte auf sich vereinen müssen. "Doch insbesondere angelsächsische Fonds votieren nicht für Manager, die in Konflikt mit der Justiz geraten sind. Großaktionäre der Deutschen Bank sind neben der Credit Suisse die Fonds Capital Group und Blackrock." (FAZ, 15.11.11). Und die FTD (15.11.11) ergänzt: "Und ihrer Stimmen konnte sich Ackermann nicht sicher sein. So hat die einflussreiche Stimmrechtsvertretung Institutional Shareholder Services (ISS) signalisiert, dass sie die Ablehnung von Ackermanns Wahl empfehlen werde. Am Vorschlag von ISS orientieren sich viele Großanleger. Nach FTD Informationen hat auch der größte Einzelaktionär (Blackrock – F.S.) schwere Bedenken gegen Ackermanns Wahl". Und Thomas von Oehsen von ISS: "Unsere Bedenken haben wir der Deutschen Bank frühzeitig mitgeteilt." (Wiwo 23.1.12). Das reichte offenbar. Kleinlaut gab Ackermann bekannt, dass er auf seine Kandidatur verzichten werde.

Das Beispiel Ackermann zeigt, was von "Manager kontrollierten" Konzernen und der "Deutschen Bank unter Managerkontrolle" zu halten ist: Nichts! Wer kontrolliert hier wohl wen? (vgl. Landefeld, 101, 103). "Herrschaft der Manager" und "Manager-Kapitalismus", das ist Juso-Ideologie der 70er Jahre. Herrschaft der Unternehmerdynastien und Familienclans – das war realer Kapitalismus, Familienkapitalismus des 19. und gut der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Strukturbestimmend ist dieses Clan-Kapital heute nicht mehr, seine Bedeutung hat in den vergangenen 40 Jahren rapide abgenommen.

Die Herren des Geldes und Herrscher über die Konzerne sind heute die Institutionellen Anleger, die großen Fonds, Versicherungen und professionellen Vermögensverwaltungen. Anders als früher die Banken mit ihren Industriebeteiligungen und die Eigentümerfamilien- Clans sind sie als Finanzinvestoren in der Regel nicht an einem langfristigen, strategischen Engagement interessiert; sie sind gewissermaßen Eigentümer auf Zeit mit dem Ziel einer kurzfristigen und möglichst hohen Steigerung des Shareholder Values. Durch ihre Möglichkeit, Aktien schnell zu kaufen und zu verkaufen, können sie den Kurs und damit die Börsenkapitalisierung des Unternehmens beeinflussen, Übernahmen provozieren und damit wirksamen Druck auf das Management in Richtung schneller Steigerung des Shareholder Values ausüben. Hauptinstrumente hierfür sind rigorose Kostensenkung, Personalabbau, Reduzierung auf das Kerngeschäft, Ausgliederungen und Übernahmen. Ex-Allianz-Chef Schulte- Noelle in schöner Offenheit: "Von jeder unserer Beteiligungen erwarten wir eine überdurchschnittliche Performance im Vergleich zur Branche. Wird diese nicht erreicht, ist ein Verkauf denkbar. Da gibt es keine Sentimentalitäten. Mit dem Wegfall der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen wird sich diese Dynamik erhöhen". In das Tagesgeschäft mischen sich Institutionelle Anleger in der Regel nicht ein (siehe dazu auch isw-report 75: Finanzkapital).

Die Institutionellen in Verbindung mit den Banken sind aber nicht nur die Repräsentanten des heutigen Finanzkapitals. Sie sind die realen Akteure der vielzitierten "Märkte". Nicht ein anonymes Mysterium Finanzmarkt, sondern diese Geld-Molochs bestimmen das Schicksal von Belegschaften, ja ganzer Volkswirtschaften, sie wollen mit immer mehr Geld und Zinsen befriedigt, beruhigt, wohlgestimmt werden, sich ihr "Vertrauen" abkaufen lassen. "An den Drähten der Finanzindustrie zappeln" seit 2008 " die Hauptdarsteller auf den Bühnen der EU- und Eurokrise", schreibt Jürgen Habermas in seinem Aufsatz "Rettet die Würde der Demokratie" (FAZ, 4.11.11). Und der Schriftsteller Ingo Schulze: "Jeden Tag ist zu hören, die Regierungen müssten ’die Märkte beruhigen’ und ’das Vertrauen der Märkte wiedergewinnen’. Mit Märkten sind vor allem die Börsen und Finanzmärkte gemeint, damit also jene Akteure, die im eigenen Interesse oder im Auftrag anderer spekulieren, um möglichst viel Gewinn zu machen. Sind das nicht jene, die das Gemeinwesen um unvorstellbare Milliarden erleichtert haben? Um deren Vertrauen sollen unsere obersten Volksvertreter ringen?" (SZ, 12.1.12).

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