Aus Bewegungen und Parteien

Kein-Abschiebung gst02.05.2017: Afghanistan ist sicher! Sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière und kritisiert Schleswig-Holstein für den Abschiebestop. Wo doch selbst das grünregierte Baden-Württemberg nach Afghanistan abschiebt. Für den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) ist Chicago gefährlicher als Kabul. Welche Perspektiven haben Flüchtlinge, die aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben werden? Um diese Frage zu diskutieren, lud die Bürgerinitiative WiK (Wir integrieren Kulturen) des Kieler Stadtteils Wik am 28. April in das kirchliche St. Lukas-Zentrum ein.

 

Als Diskutanten dabei waren der schleswig-holsteinische Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Stefan Studt (SPD), Frau Dr. Jasmin Azazmah vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und M. Mohammadi, ein aus Afghanistan Geflüchteter. Unter den zahlreichen Besuchern waren auch gut zwanzig Geflüchtete - zu einem großen Teil aus Afghanistan -, die gegenwärtig in der Nähe des Veranstaltungsortes gelegenen Erstaufnahmeeinrichtung ihre vorläufige Bleibe haben.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Mohammadi, der vor zwei Jahren aus Masar-i-Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balch im Norden Afghanistans, geflohen war, weil er als Händler von den Taliban wegen seiner Zusammenarbeit mit den dort stationierten Bundeswehr-Soldaten massiv mit dem Leben bedroht worden war. Über den Kontakt mit seiner dort verbliebenen Familie konnte er ein anschauliches Bild über die katastrophale Sicherheitslage über jenen Teil Afghanistans geben, der nach Ansicht des CDU-Innenministers wie des SPD-Außenminister als "sicher" eingestuft und Diskussionsrunde-Afghanistan-WiK gstin den Flüchtlinge seit Anfang des Jahres abgeschoben werden. Noch gut in Erinnerung ist, dass vor wenigen Tagen bei einem Angriff der Taliban auf ein Lager der afghanischen Armee wenige Kilometer von Masar-i-Sharif entfernt, mindestens 50 Soldaten getötet und weitere 100 zum Teil schwer verletzt worden waren. Wenige Wochen zuvor hatte es bei einem Anschlag auf ein Krankenhaus in Kabul eine gleiche Anzahl von Opfern gegeben.

Frau Azazmah vom Flüchtlingsrat berichtete aus ihrer Beratungstätigkeit über die große Verunsicherung, die unter den afghanischen Flüchtlingen angesichts der drohenden Abschiebungen  herrscht. Mit Blick auf die bedauernswerte Zustimmung auch Schleswig-Holsteins zum Abschiebepaket von Bund und Ländern vom 9. Februar würdigte sie dennoch den von der Landesregierung erlassenen Abschiebestopp.

Schleswig-Holstein erlässt vorläufigen Abschiebestopp

Mit Erlass vom 14.2.2017 hat die Landesregierung Schleswig-Holstein einen Afghanistan-Abschiebungsstopp nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes erlassen. Danach kann die oberste Landesbehörde u.a. aus humanitären Gründen anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.  Dieser Abschiebungsstopp gilt bis zum 13. Mai 2017 und nur für bis dato ausreisepflichtige Afghan*innen aus Schleswig-Holstein.

Grundlage der Kabinettsentscheidung war vor allem der Bericht des Flüchtlingskommissariats der UNO (UNHCR) vom 22.12.16. Darin zeichnen die Vereinten Nationen ein desaströses Bild der humanitären Situation in Afghanistan. Die Sicherheitslage am Hindukusch habe sich gegenüber den Vorjahren nochmals dramatisch verschlechtert. Insbesondere eine pauschale Einschätzung bestimmter Regionen Afghanistans als "sichere und zumutbare interne Schutzalternative" sei "nicht möglich". Insgesamt sind laut UN-Bericht im vergangenen Jahr mehr als zehntausend Unbeteiligte getötet oder verletzt worden – jede*r dritte Tote sei ein Kind.

In der Diskussion mit Innenminister Studt ging es vorrangig um zwei Fragen: Wie können Abschiebungen nach Afghanistan verhindert werden und wie ist die soziale Integration der Geflüchteten besser zu bewerkstelligen.

Nach Auskunft des Innenministers leben zur Zeit 800 Ausreisepflichtige aus Afghanistan Geflüchtete im nördlichsten Bundesland. Studt verwahrte sich gegen die Verharmlosungen seiner Parteifreunde wie Außenminister Sigmar Gabriel und dem SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz zur Rückkehrsituation in Afghanistan. Wörtlich hatte Gabriel im Interview in den Kieler Nachrichten (25.4.17) formuliert: "Ich kann  ja nicht die Augen vor der tatsächlichen Lage und auch nicht die Ohren vor den Bitten der afghanischen Regierung verschließen" und sich damit für Abschiebungen ausgesprochen. "Diese Aussage habe mit der Realität in Afghanistan auf Grundlage des UNHCR-Berichts und anderer Erkenntnisquellen nichts zu tun. Daher ist eine Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan humanitär geboten", so Studt.

Außerparlamentarisches Engagement gegen Abschiebungen, für Integration vonnöten

Abschiebung-Protest-Flughafen-MUC ZzHDa Studt die Chancen, den Abschiebestopp über den 13. Mai hinaus zu verlängern, skeptisch beurteilt, da dies nur mit Zustimmung des Bundesinnenministers erfolgen kann, ist nach seiner Auffassung breiter außerparlamentarischer Protest der in der Flüchtlingsarbeit  engagierten  Bürger*innen und Organisationen erforderlich. Er vertrat die Meinung, dass in der Frage der Geflüchteten aus Afghanistan diese den gleichen Status erhalten müssten wie Syrien-Flüchtlinge – dass also eine Abschiebung in das vom Krieg verwüstete Land am Hindukusch grundsätzlich ausgeschlossen wird.  

Diese Aussage wurde von den Besuchern der Veranstaltung beifällig zur Kenntnis genommen – verbunden mit der Aufforderung an die SPD geführte Landesregierung – sollte sie nach der Landtagswahl am 7. Mai noch im Amt sein – am Widerstand gegen die unsägliche Abschiebebestimmung der Bundesregierung festzuhalten und alle politischen und juristischen Möglichkeiten voll auszuschöpfen.

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein wies auf der Veranstaltung darauf hin, dass er die Kampagne des DGB zum diesjährigen 1. Mai, die unter dem Motto "Wir sind viele – wir sind eins!" steht, ausdrücklich unterstützt:

"Für eine gelungene gesellschaftliche Integration von Geflüchteten ist die Aufnahme in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt zentral. Dafür braucht es geeigneten berufsbezogenen Sprachunterricht und Zugang zu langfristig angelegten sowie auf die Bedarfe der Betroffenen zugeschnittenen Qualifizierungsmaßnahmen. Wie von den Gewerkschaften oft bemerkt, müssen die Ansprüche der Arbeitnehmer*innensolidarität auch für Flüchtlinge und Arbeitnehmer*innen mit Migrationshintergrund gelten. Solidarität geht über Kategorien wie Alter, Geschlecht und Ethnie hinaus. Flüchtlinge sind aufgrund ihrer Notsituation gefährdet, in prekäre Arbeitsverhältnisse und in Ausbeutung zu geraten. Deshalb sind eine bedarfsgerechte und nachhaltige Qualifikation ebenso notwendig wie Mindestlöhne und Tarifverträge. Menschen mit Migrationshintergrund sind außerdem oft Opfer rassistischer Strukturen in der Arbeitswelt. Auch hier muss Arbeitnehmer*innensolidarität greifen und müssen die Gewerkschaften ihren Einfluss auf Betriebe und Kolleg*innen nachhaltig geltend machen."

text: gst
fotos: oben und mitte: gst; foto unten Protest am Flughafen München gegen Abschiebungen von der facebookseite Zeit-zu-handeln


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