Wirtschaft

13.04.2015: Mit Spannung erwartet ver.di die zweite Verhandlungsrunde am 14.und 15.April. Über 10.000 Zustellerinnen und Zusteller legten am 1. und 2. April bei eintägigen Warnstreiks die Arbeit nieder. Millionen Postkunden erhielten dadurch die Osterpost verspätet. Obwohl die Führungskräfte bei der Post in bisher nicht bekanntem Ausmaß versuchten die Poststreiks zu unterlaufen, beteiligten sich viele an den Warnstreiks. Allerdings blieben auch die Drohungen und die Demagogie des Managments nicht wirkungslos.

Wenn bei den Verhandlungen am 14./15.April kein Ergebnis erzielt wird, brauchen die Postbeschäftigten Unterstützung bei den nächsten Streikaktionen. Denn dieser Konflikt hat Bedeutung weit über die Post hinaus.

Der ver.di Fachbereich Postdienste Speditionen und Logistik fordert die Verkürzung der Arbeitszeit auf 36 Stunden. Bisher liegt die gültige tarifvertragliche Arbeitszeit bei 38,5 Wochenstunden, doch in der Realität sind die Zustellbezirke häufig so groß, dass die 38,5 Wochenstunden nur selten erlebte Wirklichkeit sind. Diese Forderung ist auch als Ausgleich gedacht für die Verlagerung tausender Arbeitsplätze in eine Tochtergesellschaft mit dem Namen DHL Delivery. Obwohl es einen gültigen Vertrag zwischen ver.di und der DP AG gibt, der bis zum 31.12.2015 eine Fremdvergabe von Zustellbezirken ausschließt, hat die Unternehmensleitung die Verlagerung von 10.000 Arbeitsplätzen angekündigt. Natürlich geht es dabei um die Senkung von Lohnkosten. Dabei hatte ver.di diesen Schutztarifvertrag bereits mit Zugeständnissen bezahlt: durch den Verzicht auf freie Tage, die Kürzung von Kurzpausen und einer Absenkung der Einstiegslöhne um 4%, was zusammen einem Gegenwert von rund 120 Mio. Euro entspricht. Die Gewerkschaft fordert nun die Kompensierung dieser Zugeständnisse durch die 36 Stunden Woche.

Diesen Zusammenhang im Betrieb zu vermitteln ist nicht gerade einfach (ver.di-Broschüre in der Anlage), da die Post mit großangelegten Desinformtionskampagnen dagegen hält. Dennoch haben auch in Freiburg über 200 ZustellerInnen am 2. April die Arbeit niedergelegt und demonstrierten trotz katastrophalem Wetter durch die Innenstadt. Bei der Streikkundgebung sprachen der Fachbereichssekretär Erwin Wolf der den Vertragsbruch der Post scharf angriff und der Freiburger DGB Stadtverbandsvorsitzende Bernd Wagner, der die Hintergründe des Postkonfliktes im Zusammenhang mit der neuen Strategie der Kapitalanlegerseite beleuchtete. Diese Rede dokumentieren wir hier.





Rede von Bernd Wagner, DGB Stadtverbandsvorsitzender Freiburg, am 2. April 2015 (Foto: Archivbild)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

Ihr demonstriert heute mit diesem Warnstreik der Leitung der Post/DHL eure Bereitschaft, für eure berechtigten Forderungen zu kämpfen. Ich danke für die Möglichkeit hier mit euch ein paar Gedanken zum Umfeld der derzeitigen Tarifkämpfe auszutauschen. Ich werde dabei nicht eure aktuellen Forderungen begründen – das könnt ihr besser als ich!

Die in den ersten 4 Monaten dieses Jahres stattgefundenen Tarifkämpfe haben eines gemeinsam: Die Unternehmer machen deutlicher als in den Jahren zuvor klar, dass ihnen heute die über viele Jahre so als deutsches Erfolgsmodell gepriesene „Sozialpartnerschaft“ so ziemlich am Arsch vorbeigeht. Selbst in der Chemiebranche wurden von den Unternehmern im Laufe der Tarifverhandlungen Töne angeschlagen, die dort seit zig-Jahren nicht zu hören waren.

Der weltreichste Börsenspekulant, der amerikanische Multimilliardär Warren Buffet, drückte das zum Höhepunkt der Finanzkrise so aus: „Was wir derzeit erleben, ist der Klassenkampf zwischen der Klasse der Besitzenden und der Klasse der Arbeitenden. Und ich sage voraus: Meine Klasse wird den Kampf gewinnen.“

Es liegt an uns allen, ob er Recht behalten wird! Auch euer Kampf heute ist als Beitrag dafür zu werten, das zu verhindern.

Warren Buffet leitete seinen Optimismus aus den wirtschaftspolitischen Veränderungen ab, die in den letzten 2 Jahrzehnten weltweit und galoppierend stattgefunden haben. Bei uns sind diese Veränderungen als Agenda 2010 bekannt, die von der damaligen „rotgrünen“ Bundesregierung unter Gerhard Schröder eingeleitet wurde. Hartz-Gesetze, Deregulierung der Arbeitswelt, das, was sie Gesundheitsreform nannten, Rentenkürzungen, Rente mit 67 usw. hießen all die Scheußlichkeiten.

Aber mindestens ebenso schlimm und das mit verheerenden Langzeitwirkungen war erstens die Deregulierung des Finanzsektors. Dereguliert wurde vornehmlich der Handel mit sog. Derivaten – das war und ist die wichtigste Ursache von zuerst Immobilien-, dann Finanzkrise und ist an der heutigen Euro-Krise nicht unbeteiligt. Zweitens kam dazu die schamlose Privatisierung öffentlichen Eigentums. Bahn, Post und Telefon, Lufthansa, Energie- und Wasserversorger, wurden zu sprudelnden Quellen privater Profite. Schrittweise kauften sich seitdem vor allem anglo-amerikanische Investoren als Eigentümer in wichtige Unternehmen am Standort Deutschland ein.

Lasst mich das am Beispiel Post verdeutlichen – so oder ähnlich wie bei der Post ging und geht es auch den 30 DAX-Konzernen und vielen lukrativen mittelständischen Unternehmen.  

Ihr wisst: Das Unternehmen mit dem Namen Deutsche Post gehört heute zwar noch zu 21% dem Staat. Aber die Deutsche Post ist heute weder ‘deutsch‘ noch eine ‘Post‘. Nach eigenem Anspruch ist es „auf allen Kontinenten am Boden, zu Luft und zu Wasser der größte Logistikdienstleister der Welt“. Und es gehört mehrheitlich Eigentümern außerhalb unseres Landes – mehr als zwei Drittel aller Anteile halten Investoren aus den USA und Großbritannien, wobei London häufig nur formaler Sitz von US-Firmen ist.

Nach dem Bund ist der größte Einzeleigentümer die US-Investmentfirma BlackRock mit zwischen 5 und 6 % der Anteile an der Deutschen Post. Jetzt sollte man meinen, die paar Prozent gehen doch eher unter „ferner liefen“ und haben keinen Einfluss auf das operative Geschäft. Das ist jedoch ein gewaltiger Irrtum! Es ist zwar wenig wahrscheinlich, dass BlackRock Herrn Appel vorschreibt, dass er 20.000 Arbeitsplätze in die neu gegründeten 49 Delivery Zentren auslagern soll. Aber die Investoren bestimmen die allgemeine Richtung der Geschäftsentwicklung. So setzte z.B. der BlackRock-Chef Larry Finck seinen Kandidaten Anshy Jain als Nachfolger von Ackermann als Chef der Deutschen Bank durch, obwohl Black Rock dort wie bei der Post „nur“ 5% der Aktien hält.

BlackRocks Aufgabe als Investor ist es, das Kapital reicher Firmen, von Unternehmer-Clans, von staatlichen und privaten Pensionsfonds zu erhöhen. Investoren sind an hohen Dividendenausschüttungen interessiert. Die Vorstände der Firmen, bei denen sie investieren, müssen sich so verhalten, dass dieses Ziel erreicht wird. Lohnkürzungen erhöhen beispielsweise den Aktienkurs. Vorher kann BlackRock als Insider völlig legal Aktien kaufen und sie später mit Gewinn wieder abstoßen.

BlackRocks Macht hat aber weitere Quellen. Sie investieren nicht bloß. Sie sind auch Miteigentümer und Anbieter von Beratungsdiensten für Unternehmen und Regierungen. Investmentfirmen sind vernetzt mit anderen Investoren. So ist beispielsweise der Fonds „Deutsche Asset and Wealth Management“ Miteigentümer der Post, gehört selbst aber der Deutschen Bank, bei der wiederum BlackRock der größte Einzel-Eigentümer ist.

Durch solche Vernetzungen kann BlackRock und andere einen viel größeren Einfluss ausüben, als auf den ersten Blick erkenntlich ist.

Der deutsche Staat besitzt derzeit 21% der Postaktien. Er verzichtet allerdings auf ihm zustehende Posten im Aufsichtsrat und entsendet nur zwei Vertreter: Einer ist der Staatssekretär im Finanzministerium Werner Gatzer (SPD), der seine fragwürdige Kompetenz in der Vertretung von Steuerzahlers Interessen auch im Aufsichtsrat des Fiaskoprojektes Berliner Flughafen unter Beweis stellt. Der zweite ist Ulrich Schröder, Chef der Kreditanstalt für Wiederaufbau, von der die staatlichen Post-Aktien verwaltet werden.

Weitere Mitglieder kommen u.a. von SAP, Lufthansa, und Fraport, alles Unternehmen mit BlackRock Beteiligungen!

Nicht vergessen will ich hier den langjährigen Vorsitzenden, zuerst des Vorstandes und dann des Aufsichtsrates, Klaus Zumwinkel. Der war zuvor Mitglied der Weltgeschäftsführung der berüchtigten US-Unternehmensberatung MacKinsey. Sein amtierender Nachfolger Wulf von Schimmelmann kommt übrigens ebenso von McKinsey. Niemand wird überrascht sein, dass BlackRock auch an McKinsey beteiligt ist.

Apropos Zumwinkel: Der hat nicht nur eine skandalös niedrige Bewährungsstrafe für millionenschweren Steuerbetrug erhalten. Er hat 1998 das sog. Institut Zukunft der Arbeit, kurz IZA, gegründet. Dieses Institut trat ein für die Ausweitung des Niedriglohnsektors, für mehr „Flexibilität“ der Beschäftigten, für die Anhebung des Rentenalters, und es schlug den Zwang zur Arbeit für Arbeitslose vor. Es war so einer der „wissenschaftlichen“ Wegbereiter der Agenda 2010. Ihre Gutachten schreiben sie seit Schröder für die danach folgenden Bundesregierungen, die EU-Kommission und den Internationalen Währungsfonds. Später hat sich das IZA z.B. hervorgetan mit Gutachten gegen die Einführung des Mindestlohnes. IZA wird übrigens u.a. von der Deutschen Poststiftung finanziert. Black Rock – wen wundert’s noch - ist durch seinen Mitarbeiter Patrick Liedtke in einem IZA-Gremium vertreten. Der amtierende Präsident des IZA und der Deutschen Poststiftung ist: Klaus Zumwinkel.

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit heißt seit Jahren das Credo der neoliberalen Umgestalter von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Die EU muss wettbewerbsfähiger werden, sorgt sich beispielsweise auch der US-amerikanische Multimilliardär und Chef des weltgrößten Hedgefonds Bridgewater, Mr. Ray Dalio. Er hält nicht damit hinter dem Berg, was er damit meint: „Die Arbeitskraft in Europa ist im Schnitt doppelt so teuer wie in den USA.“ Nur so am Rande – das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, mit dem die Handelsbedingungen für Konzerne auf beiden Seiten des Atlantiks angeglichen werden sollen, lässt Schlimmes befürchten, wer sich wohl an wen angleichen soll.

Die EU muss wettbewerbsfähiger werden, fordert auch Finanzminister Schäuble, für den die Schwarze Null wichtiger ist als die Lebensbedingungen von Menschen. Er fordert nicht nur von Griechenland, Spanien, Portugal und Irland den Verkauf des Tafelsilbers. Auch Reste unseres Tafelsilbers will er den „Märkten“ in New York anbieten: Er hat denen bereits angekündigt, weitere Staatsanteile von Post, Telekom und Bahn zu verkaufen.

Es ist sicher nicht völlig falsch, wenn man einen Zusammenhang mit Schäubles Verkaufsabsichten und den derzeitigen Aktivitäten bei der Post vermutet. Wie sagte ich vorhin bereits: Bei Lohnsenkungen steigt die Attraktivität einer Aktie. Dazu passt die Abschiebung von 20.000 Arbeitsplätzen in den Billiglohn der neuen DHL Delivery GmbH. Dazu passt auch die mit der „Strategie 2020“ von Appel angekündigte Expansion in Niedriglohngebiete in Lateinamerika, Indien und Türkei. Die DHL-Gewinne sollen mit dieser Strategie um jährlich 8% steigen, auf 5 Mrd. in 2020 verkündete Appel auf der Betriebsräte-Konferenz im Nov 2013. Seine Begründung: „Die Anleger wollen es so.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Zusammenhänge, die ich hier nur unvollständig darstellen konnte, sind kompliziert und verwirrend. Die Welt der Unternehmenszusammenhänge, der Finanzhaie und ihres Casinos, der Multimilliardäre und ihrer Verstrickung mit der Politik ist versteckt und selten Gegenstand öffentlicher Debatte. Aber wie sollen wir unsere Interessen durchsetzen, wenn wir nicht hinter die Kulissen blicken und sehen, wie die Fäden verlaufen. Wie sonst sollen wir erkennen, wer unsere Gegner sind und welche Fäden durchgeschnitten werden müssen?

Aber all das soll uns heute nicht davon zurückhalten, hier bei uns die Verantwortlichen zu benennen. Herr Appel mag seine Direktiven von woanders bekommen – hier in unserem Lande machen wir ihn verantwortlich für die Entscheidungen, die er vertritt. Hier in unserem Land fordern wir die Bundesregierung auf, als größter Anteilseigner die Interessen der Beschäftigten zu ihrem Maßstab zu machen. Hier in unserem Land machen wir die Politiker in Berlin verantwortlich für ihre Entscheidungen und die Gesetze, mit denen sie unsere Arbeitswelt „marktkonform“ machen und unsere soziale Sicherheit aushöhlen. Hier in unserem Land kämpfen wir auch gegen jegliche Einschränkung des Streikrechtes, die schärfste Waffe zur Durchsetzung unserer Forderungen.

Wir brauchen keine marktkonforme Demokratie! Wir brauchen genügend Geld zum Leben und soziale Sicherheit für uns und unsere Familien.

Ich wünsche euch 'Glück Auf' bei der Durchsetzung eurer Forderungen in dieser Tarifrunde und für die Zukunft eurer Arbeitsplätze!

(viele Informationen aus Werner Rügemer: Global Player DHL; Hintergrund, 2. Quart. 2015)

 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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